Was bedeutet für Sie Heimat?, haben wir unsere Leserinnen und Leser gefragt – das Echo darauf ist beeindruckend. Es zeigt: Das emotionale und facettenreiche Thema bewegt viele Menschen.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - „Als ich ihren Aufruf las, musste ich schmunzeln“, schreibt Jutta Schwarz von der Grafenbergschule in Schorndorf. Denn sie selbst hatte diese Frage vor einiger Zeit gestellt: zum einen einer Gruppe Senioren zwischen 65 und 90 Jahren, zum anderen Schülern ihrer Berufsschule, die zwischen 16 und 19 Jahre alt sind und aus vielen Ländern stammen. „In einer der Klassen gibt es neben Deutsch noch elf andere Muttersprachen.“ Die Senioren und die Schüler sollten jeweils in einem Satz formulieren, was Heimat ist. Das Ziel der Befragung: „Es wäre doch ganz interessant zu wissen, ob sich die Vorstellung von dem, was Heimat bedeutet, sich mit der Zeit verändert.“

 

Vieles dreht sich um Familie und Freunde

Das Ergebnis war für Jutta Schwarz frappierend, denn: „Die Senioren und die Jungs und Mädels haben sich fast nicht in den Antworten unterschieden. Ihre Schlussfolgerung: „So viel scheint sich über zwei Generationen hinweg nicht verändert zu haben – auch scheint keine Rolle zu spielen, ob die Familie ursprünglich aus einem anderen Land kommt.“ Auffallend oft tauchen die Stichwörter Familie, Freunde und Geborgenheit auf. „Heimat ist, wo meine Familie ist und wo mir alles vertraut ist“, antworteten die Senioren, oder: „Heimat ist dort, wo ich mit meiner Familie zu Hause bin.“ Oder: „Heimat ist Wohlfühlen und Geborgenheit im Kreise meiner Familie.“ Bei den Jugendlichen klingt das fast wortgleich: „Heimat ist für mich Geborgenheit“ oder „Heimat ist für mich Familie“ oder „Heimat ist für mich, wo die Familie ist, und die Leute, die ich mag und liebe.“

Diese Schnittmenge ist auch bei den vielen Leserzuschriften festzustellen, die in den vergangenen Tagen in der Redaktion eingegangen sind und für die wir uns herzlich bedanken. Deutlich wird darin zugleich, wie facettenreich der Heimatbegriff ist. Er ist von vielen individuellen Erfahrungen getränkt und geprägt.

Im Folgenden veröffentlichen wir Leserbeiträge, die bei uns eingegangen sind:

Heimat ist überall

Heimat ist überall da, wo ich mit meinen Eltern oder Kindern zusammen bin.

Rita Kellner,Calw

Alte Fotos . . .

Vor zwei Jahren hat unsere Tochter im Literaturkurs der Schule ein Essay zum Thema „Heimat“ verfasst, das ich Ihnen nun mit ihrer Genehmigung zusende. Es ist der Blickwinkel auf das Thema „Heimat“ aus der Sicht eines jungen Menschen (damals 17 Jahre):

Heimat . . . ist Geborgenheit, Liebe, Vergangenheit und Zukunft. Heimat . . . Dieses Wort existiert nur im Deutschen. Keine andere Sprache kann mit einem Wort ausdrücken, was wir unter Heimat verstehen. Wenn ich an Heimat denke, dann entsteht in meinem Kopf ein Plan. Erst umkreist er Baden-Württemberg, dann Stuttgart und Umgebung, dann Remseck, unsere Straße, unser Haus, mein Zimmer, die Treppe, das Regal und schlussendlich stehe ich vor einem Schrank gefüllt mit Fotos. Fotos von vergangenen Tagen. Fotos von eben erst geschehenen Momenten. Fotos von alten Zeiten, die unwiderbringlich an uns vorbeigerauscht sind. Ich betrachte lachende Gesichter, manchmal gestellt und ein wenig verzerrt und hier und da auch einmal ein wütend schauendes Kind mit verschränkten Armen. Ich sehe vor Freude weinende Bräute und die sie bestaunenden, herausgeputzten Bräutigame, Neugeborene, noch ganz zerknautscht, und viele Fotos von Familienfesten. Und bei jedem Bild ist es mir, als laufe ein Film vor mir ab, als würde ich mit jedem intensiven Blick meine Familie besser kennenlernen. Ein verblichenes, zerknicktes Sepiafoto fällt vor meine Füße. Ein Mann und eine Frau schauen mich selbstbewusst, aber auch etwas skeptisch an. Braune Augen, die aussehen, wie die meines Vaters. Eine Nase, die auch irgendwie meine Oma im Gesicht trägt. Urgroßeltern und Ururgroßeltern werden in meinen Händen lebendig, scheinen weit weg zu sein, unbekannt und sind trotzdem gleichzeitig da. Der Großonkel, der das gleiche Lachen lacht wie ich. Die Eltern, die mir auf jedem Foto genauso glücklich entgegenblicken wie am Tag ihrer Hochzeit. Die Geschwister, die man auf den Fotos von Kleinkindern zu Studenten heranwachsen sieht. Bilder, die Streitereien und Meinungsverschiedenheiten zeigen, und auch mal Weinende und Wütende. Und trotzdem ist jedes Bild mit einer großen Prise Liebe bestreut, die selbst länger hält als das beste Foto. Und wenn ich die Bilder wieder in Hüllen verpacke und den Schrank schließe, habe ich immer noch die kurzen Filme im Kopf. Filme von so vielen verschiedenen Generationen, Filme von rauschenden Festen und gemeinsam verbrachten Feiertagen, Filme von meiner Familie und allem, was uns ausmacht und verbindet. Auf einem Bild winkt mir meine Urgroßmutter lachend entgegen und es ist, als blinzele sie mir zu. Wo sollte ich Heimat finden, wenn nicht hier?

Annalena Huber

Längst angekommen

Aufgewachsen in Dessau, dann 1973 aus der DDR ausgebürgert und in Ebingen/Albstadt gelandet, Studium in Tübingen, Familiengründung mit einem Stuttgarter, zwei Kinderhäuser mitbegründet. Beruflich beim Denkmalamt und beim Architekten Günter Behnisch tätig. 2004 die Agentur ArchitekTouren Stuttgart gegründet. Als Zugezogene, erkläre ich seitdem Architektur und Stadtentwicklung und liebe die Kulturangebote, die uns jeden Tag mit neuen Erlebnissen beschenken. Schon längst angekommen in der dieser Heimat. Aus der Jugend-Heimat vermisse ich die unendlichen Radwege in der Stadt und entlang der Elbe ins Gartenreich Wörlitz.

Carola Franke-Höltzermann, Ostfildern

Der Zauber der Heimat

Die Rüb-Vorfahren meiner Schwiegermutter Gertrud Knopp-Rüb sind Anfang des 19. Jahrhunderts aus Stetten am Heuchelberg in Württemberg nach Südrussland (heutige Ukraine) ausgewandert. 1940 sind die Nachkommen aller Auswanderer aus Bessarabien und der Dobrudscha, damals beides zu Rumänien gehörend zurückgesiedelt ins Deutsche Reich. Sie mussten bis auf wenige Habseligkeiten alles zurücklassen und wurden zum Teil in Polen angesiedelt. Dort mussten sie Anfang 1945 vor den russischen Streitkräften nach Westen fliehen. Viele Angehörige dieser Landsmannschaften haben in Baden Württemberg eine neue Heimat gefunden. Ein Onkel meiner Schwiegermutter hatte vorausschauend ein Hilfswerk für seine Landsleute in Stuttgart gegründet, das nach dem Krieg Anlaufstelle für die Flüchtlinge wurde. Die Angehörigen dieser Landsmannschaften haben, wie alle Flüchtlinge, den Verlust der Heimat am eigenen Leib erfahren und mussten diesen Verlust verarbeiten und verschmerzen.

Meine Schwiegermutter hat sich viele Jahrzehnte in der „Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen“ engagiert. Die Stadt Stuttgart hat die Patenschaft dieser Landsmannschaft übernommen, das Heimathaus befindet sich im Stuttgarter Osten in der Florianstraße. Frau Gertrud Knopp-Rüb war Kulturreferentin, Berichterstatterin von Heimattreffen, Studienreisen in die Alte Heimat und hat in vielen Denkschriften und Heimatbüchern die Geschichte ihrer Landsleute aufgearbeitet. Darüber hinaus hat sie sich einen Namen als Schriftstellerin gemacht, indem sie in unzähligen Gedichten den Verlust der Heimat und den Neuanfang in der Bundesrepublik beschrieben hat. Sie hat damit ihren Landsleuten mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen eine Stimme gegeben und deren seelische Befindlichkeiten zum Ausdruck gebracht.

In ihrem Buch „Land, o Land“ wurden ihre Gedichte und Erzählungen in einem Gesamtwerk herausgegeben. Die folgende Widmung, die sie in diesem Buch beigelegt hat möchte ich Ihnen als eine Beschreibung des Heimatbegriffs und Heimatverständnisses ans Herz legen:

„Alle Schönheiten und Herrlichkeiten der Welt reichen nicht an den Zauber heran, der von dem Fleckchen Erde ausgeht, auf dem wir geboren wurden und bewusst Heimat erlebten.“

Eine nachdenkenswerte und wahre Aussage, wie ich meine und sicher viele Menschen, die um den Verlust der Heimat wissen.

Susanne Knopp, Stuttgart

Der Ort, wo man Mensch sein darf

Schon der Philosoph Friedrich Nietzsche schreibt in einem Gedicht: „Die Raben krächzen fern der Stadt, weh dem der keine Heimst hat.“ Die Heimat, die alle suchen, ist nicht unbedingt der Ort, an dem sie geboren wurden, sonder vielmehr der Ort, wo sie Mensch sein dürfen und wie Menschen behandelt werden, wo sie lachen, arbeiten und leben dürfen. Heimat ist für mich der Ort, wo ich Menschen treffe, die mich verstehen, die mir gerne zuhören und die mich schätzen.

Josef Wamsler, Schwäbisch Gmünd

Ein Dorf in Schwaben

Erst mal zu der Rede von Frank Walter Steinmeier. Er spricht von „Heimaten“, also Heimat in der Mehrzahl. Ich denke, das Wort Heimaten gibt es nicht, es kann nur heißen: Meine erste Heimat, meine zweite Heimat. Man kann sich an vielen Orten heimisch fühlen, aber es wird immer eine Abwägung geben. Heimat ist nicht nur da, wo man lebt. Heimat kann auch ein Sehnsuchtsort sein. Meine Heimat ist ein Dorf in Schwaben das ich bisher nur kurze Zeit verlassen habe.

Mein Vater kommt als Donauschwabe aus dem Banat. Er hat seine Heimat verlassen müssen und unter Schwaben mit meiner hier heimischen Mutter ein neues Leben aufgebaut. Das war sicher nicht einfach. Immer, wenn Landsleute, meist sonntagmorgens, zu Besuch kamen, spürte ich die Veränderung bei meinem Vater. Dann erzählte er in seinem Dialekt von Zuhause. Seine Stimme hatte plötzlich einen ganz anderen Klang, sein Lachen klang anders. Seine Augen leuchteten und ich spürte die Sehnsucht nach der Heimat. Ich habe mich dann immer ausgeschlossen gefühlt, ich konnte ja nicht mitreden und schon gar nicht mitfühlen. Als kleines Kind wollte ich deshalb einmal im Leben ganz weit weg, um genau dieses Gefühl von Heimweh zu spüren: „Hoamwei hao“. Umgesetzt habe ich es nie.

Im Jahr 2010 habe ich bei meiner Heimatzeitung „Gäubote“ angeregt, genau diese Sehnsucht nach der verlorenen Heimat in einer Artikelserie aufzunehmen. Wir haben einfache Leute, keine Prominenten nach ihrer Heimat befragt. Flüchtlinge und Vertriebene aus dem damaligen Banat, aus der Batschka, aus Ungarn, aus Breslau, Zeitzeugen sozusagen. Mit dieser Generation sterben auch die Geschichten, das wollte ich verhindern. Zusammengekommen sind 15 einmalige Lebensgeschichten aus, oder um die Heimat.

Heimat hat viel mit Gefühl zu tun!

Margret Klanfer aus Kayh, einem Teilort von Herrenberg

Heimat bedeutet mir nichts

Was mir „Heimat“ bedeutet? Nichts. Ich habe meine Kindheit im Ruhrgebiet verbracht, in Augsburg und Münster studiert, in Mainz, Siegen und Tübingen gearbeitet und lebe derzeit in Rottenburg am Neckar. Überall habe ich mich wohl gefühlt aber letztlich nirgends Wurzeln geschlagen. Ich bin deshalb ein „heimatloser Geselle“ und „Heimat“ ist für mich allenfalls Deutschland als Ganzes (obwohl mich in Sachsen oder Thüringen durchaus ein gewisses Fremdheitsgefühl nach wie vor beschleicht). Letztlich aber ist aus meiner Sicht „Heimat” ein durch „Heimatfilme“ kitschig verdorbener Begriff, der mir im Titel von „Heimatministerien“, wie es sie in Bayern oder den USA gibt, reichlich komisch vorkommt.

Prof. Dr. Hans Reinhard Seeliger, Rottenburg

Ersatzheimat in der Kunst

Wem als Kind die territoriale Heimat durch Krieg oder Vertreibung genommen wurde, wird stets heimatlos bleiben, denn seine emotionalen Wurzeln ins Reich der Kindheit wurden durchtrennt. Doch ihm bleibt, im Geistigen eine Ersatzheimat zu finden. Wer in der Kunst, in der Musik, in der Lyrik und nicht zuletzt im Glauben Halt findet, trägt seine Heimat stets in sich und die kann ihm nie genommen werden.

Regina Bailer

Gefahr der Heimatlosigkeit

Jahrtausende alte Deutsche Kultur- und Heimatgeschichte haben in heutiger Zeit nichts mehr gemein mit der Bestimmung des Wohlfühlorts Deutschland als Lebensmittelpunkt. Während Goethe in seinem Faust noch die Frage stellte, ob es andere Heimaten gibt als das Geburtsland, so haben wir Deutschen uns auf Subkulturen einzustellen. Unsere Heimatvertriebenen werden uns berichten, dass es kein größeres Übel gibt, als den Verlust der Heimat. Und die Diskussion wird darüber zu führen sein, ob Deutschland sich auf dem Weg befindet, eine Heimat für Heimatlose zu werden.

Peter Launer, Stuttgart

Heimat riecht

Zu ihrer Aktion möchte ich eine kleine Geschichte beitragen: Ich lebe seit 64 Jahren in Stuttgart und bin geboren in einem kleinen Dorf in Bayern. Als ich im Alter von vier Jahren mit meinen Eltern in Stuttgart-Zazenhausen spazieren ging, wo es zu der Zeit noch viele Bauernhöfe gab, kamen wir an einem Misthaufen vorbei. Da habe ich anscheinend ganz wehmütig gesagt „hier riecht es wie in meiner Heimat“. Heute sind es die grünen Hügel, die Weinberge, der Fernsehturm und wie jetzt im Herbst zur Zeit der Weinlese in Untertürkheim, der Geruch von gepressten Weintrauben die für mich Heimat sind.

Roswitha Widmann, Stuttgart

Ein Nachhausekommen

Als Weltreisende ist für mich Heimat, ein Nachhausekommen, wo ich Familie und Freunde habe, die an meinem Leben Anteil nehmen.

Jutta-Beate Schmidt, Stuttgart

Das vertraute Neckartal

Heimat ist für mich, wenn ich am Fenster sitze und zu den prächtigen Rosen im gepflegten Garten und in das vertraute Neckartal schaue. Dort bin ich zu Hause, wo ich im Schatten des Schiller-Nationalmuseums meine Konzertgitarre zur Hand nehmen kann oder meiner Frau aus Büchern über Geschichte und ausgewählter Literatur vorlese. Heimat ist auch, wenn sich die Enkel über WhatsApp melden oder die Kirchenglocken zum Gottesdienst einladen.

Otto Arnold, Marbach am Neckar

Der Großvater

Sie fragen dananch, was Heimat ist. Das ist ganz einfach! Ein Zuhause kann man auf der ganzen Welt finden, aber Heimat ist da, wo man ohne nachzudenken, locker sagen kann: „Dem sein Großvater hat auch nichts getaugt“, oder wie man im Schwabenland sagt: „Dem soi Großvader war au scho nichts rächts!“

Hannelore Happe

Vertraute Menschen

Für mich ist Heimat verbunden mit einem Gefühl von Geborgenheit, und dieses entsteht, wenn ich Dingen, Szenarien, Menschen und Haltungen begegne, die mir vertraut sind.

Maja Schaefer-Güth, Göppingen

Wo ich frei durchatmen kann

Für mich ist Heimat dort, wo ich Wurzeln geschlagen habe, wo ich Menschen kennenegelernt habe, die ich liebe, denen ich vertrauen und auch Freude bereiten kann. Heimat ist, wo ich frei durchatmen kann, mich an der Umgebung erfreuen und meine Umwelt geniessen kann. Dazu gehören auch negative Erfahrungen, denn das Leben besteht nicht nur aus Freude und Glück. Heimat ist für mich ein Ort, den ich liebe, und den ich um nichts in der Welt mit etwas anderem tauschen möchte.

Das sind meine Gedankern vom Grossraum Stuttgart. Geboren bin ich 1948 in Thüringen, als Kleinkind in den Westen gekommen, aufgewachsen in Rheinland Pfalz, Westfalen, Düsseldorf und dann ab 1959 im Schwabenland. Hier bin ich fest verwurzelt und liebe das Ländle sehr.

Barbara Reinhard, Sindelfingen

Zu Heimatgefühlen stehen

Heimat ist mir wichtig! Heimat ist da wo ich mich sicher, frei und wohl fühle. Wo ich in vertrauter Umgebung leben kann, das bedeutet, dass ich die Menschen um mich verstehe in Sprache, Art zu leben, Ihre Gebräuche Sitten und Gepflogenheiten. Wo mir seit Kindheit vieles bekannt vorkommt und nicht fremd erscheint . Wo man aufgewachsen ist oder lange Zeit gelebt hat. Wo vieles noch unverändert in der Natur, Landschaft und Städten geblieben ist. Heimatgefühle spiegeln sich auch in vielen Liedern, Erzählungen, Museen, Vereinen, Traditionen, Sprache, Kultur, Religion und Kunst wieder. Heimat ist für mich auch ein Land wo jeder zu seinen ganz persönlichen Heimatgefühlen stehen darf.

Christel Schöller

Leonbergerin aus Überzeugung

Heimat ist für mich da, wo ich verstanden werde. Wobei ich nicht die Sprache meine, sondern meine Art und mein Sosein. Ich bin auf dem Papier noch immer österreichische Staatsbürgerin, aber zuhause bin in seit 1966 in Leonberg. Wienerin von Geburt, Leonbergerin aus Überzeugung.Anny Trauner, Leonberg

Die Oper am Eckensee

In Pressburg geboren, am Bodensee die Kindheit verbracht, im Rems-Murr-Kreis erwachsen und alt geworden mit drei Dialekten: wienerisch – alemannisch – schwäbisch. In England und Wien studiert, Italien kennen und lieben gelernt und und und. Wo ist meine Heimat? Es ist nicht die Sprache, kein geografischer Ort – ich habe mich überall mehr oder weniger wohl gefühlt, überall liebe und weniger gute Menschen um mich gehabt – nein, es ist ein besonderes Haus, wo ich mich zuhause fühle und das mir seit 65 Jahren Heimat ist: die Oper am Eckensee.

Gustav Neumahr

Ich liebe den Rhein

Seit über 30 Jahren leben wir in Stuttgart, meine Kinder sind hier geboren und wir leben gerne hier. Wahrscheinlich werde ich nicht mehr nach Düsseldorf gehen, obwohl das immer mein Traum war, aber wenn man mich nach meiner Heimat fragt, sage ich immer Düsseldorf. Dort bin ich geboren und aufgewachsen – bei Eltern, die aus Stuttgart stammten! Das hat sicher mit Gefühlen zu tun. Ich fahre 3-4 mal im Jahr dorthin, weil u.a. meine beste Freundin dort lebt, ich fahre zu Klassentreffen und treffe mich mit noch dort lebenden Freunden. Und jedes Mal geht mein Herz auf, ich mag den dortigen Menschenschlag und ich falle in den dortigen Tonfall zurück und ich liebe den Rhein, und manchmal habe ich Heimweh, obwohl es das Düsseldorf meiner Kindheit sicher so nicht mehr gibt, so ist das halt mit Gefühlen!

Winnie Leuze-Neumann

Glücklich mit zwei Heimaten

Sie fragen, was Heimat ist und ich antworte. Ich heiße Alessia und komme aus Italien. Seit zwei Jahren wohne ich in Stuttgart. Mein Freund ist letztes Jahr auch nach Deutschland geflogen und jetzt leben wir in diesem Kessel zusammen. Ich glaube, dass wir jetzt zwei Heimat haben. Natürlich vermissen wir Italien, aber wir haben schon diese Stadt ins Herz geschlossen, deswegen fühlen wir uns hier daheim. Als ich meinen Freund gefragt habe, hat er geantwortet: Heimat ist wo mein Herz ist und wo ich mich sicher und geborgen fühle. Für mich ist Heimat wo ich mir meine Zukunft vorstellen kann. Hier haben wir eine gute Arbeit gefunden, die auch gut bezahlt ist, deswegen können wir jetzt unsere Zukunft planen. Heimat ist wo es Wärme, Nestwärme gibt. Heimat ist wo es Bindungen und Beziehungen gibt. Hier haben wir viele Leute kennengelernt, die uns geholfen haben, deswegen fühlen wir uns nicht mehr allein. Heimat ist ein Prozess, das von Einsamkeit über Zweisamkeit bis Gemeinsamkeit führt. Heimat ist wo ich mich nicht fremd fühle. Das ist für uns Heimat. Und wir sind glücklich. Wir haben sogar zwei.Alessia Cocco

Dort, wo man sich hilft

Heimat ist für mich die Katharinenstraße in Fellbach, weil man (s)mich kennt und grüßt, voneinander weiß und sich hilft, miteinander lacht und trauert, selbstverständlich Pakete für alle Nachbarn entgegennimmt und auf das Nachbarhaus achtet, wenn die Bewohner im Urlaub sind, spontane Straßenfestle feiert und jedem den Hausschlüssel zum Pflanzengießen in die Hand drücken kann. Wo man noch Zeit für ein Schwätzle hat und das Gartentörle nie abschließen muss. Wo ich nachts um 2 Uhr noch einen Anruf bekomme, weil ich versehentlich das Autolicht brennen gelassen habe und ich den Nachbarn nicht egal bin. Und weil nicht gleich die Welt untergeht, wenn ich mal die Kehrwoche nicht mache.

Helmut Maile, Katharinenstraße 8, 70736 Fellbach

Eine neue Heimat braucht Zeit

Entgegen der Meinung des Bundespräsidenten, der angeblich meint, „Heimat weist in die Zukunft“, bin ich geradezu der gegenteiligen Ansicht! Für mich bedeutet Heimat klassischerweise die Prägung des Menschen durch seine Herkunft und da insbesondere durch den Ort und die Gegend wo man mit seinen engsten Mitmenschen (Familie, Schule, Freunde) in jungen Jahren zusammen aufgewachsen ist. Es gibt soviele Begriffe mit dem Wortbestandteil Heimat. Dabei geht es aber doch meist um die Beschreibung rückblickend betrachteter Örtlichkeiten. Die Frage also: Ist Heimat das, woher wir kommen, oder das, wohin wir wollen? Auch in der derzeitigen Debatte unter dem großen Thema „Flüchtlinge“ liegt die „politische Elite“ falsch, wenn sie glaubt, diese wegen vielfältiger Gründe hierher Geflüchtete streben umgehend nach Integration oder gar neuer Heimat. Das trifft wohl eher nur auf die Armutsflüchtlinge zu. Sollte sich die Situation in den Heimatländern(!) der Kriegsflüchtlinge umgehend bessern, würde sicher eine sehr große Zahl von ihnen alsbald in ihre Heimat zurückkehren. Eine neue Heimat wird meiner Meinung nach erst nach längerer Aufenthaltsdauer an einem neuen Ort entstehen, wobei ich da eher an Jahre denke; einzig kleine Kinder werden ihre Heimat am neuen Aufenthaltsort erkennen.

Arwed Weißschuh, Veringenstadt

Der Hohenstsaufen bedeutet vollkommenes Glück

Wenn ich auf dem Anflug nach Stuttgart bin und aus dem kleinen Fenster schaue, die kleinen schnuggeligen Häuser mit kleinen Gärten davor sehe, dann steigt in mir ein unbeschreibliches Gefühl auf. Das ist wie ein Gefühl wie vor Heilig Abend. Man freut sich einfach wieder auf heimischem Boden zu laufen und seine Freunde wieder zu sehen. Spätestens dann, wenn ich auf der B10 bin und den Hohenstaufen sehe, ist mein Glück vollkommen. Dass man aber auch Heimatgefühle im fernen Amerika haben kann, das zeigt sich wenn man den Onkel aus Waldstetten besucht, der schon 55 Jahre in den USA lebt. Wenn er beim abendlichen Lensa-ond- Spaza-Essea sein breitestes Schwäbisch spricht, geistert auch a bissle Heimat durch den Raum. Noch eine Begebenheit: Vor Jahre war ich in San Franzisco und wandelte auf das Pier 66 zu, wo die Fährboote zur Insel Alcatraz ablegen. Da saß ein schon etwas älterer Herr und sang zur Gitarre. Als er uns Schwaben reden hörte, stimmte er sogleich das Lied „Aufm Wasa grasad Hasa“ an. Natürlich fragten wir wo er das gelernt habe. Des Rätsels Lösung war, dass er viele Jahre als Soldat in Schwäbisch Gmünd und Göppingen stationiert war, mit entsprechenden Kontakten zu Einheimischen. So hat auch er bestimmt ein klein wenig Heimatgefühl von seinem befristeten Aufenthalt in Germany.

Klaus Stehle, Waldstetten

Heimat und Ferne

Heimat – lebendige Landschaft –

Anker im Fluss der Zeit

Mich der Verankerung vergewissern,

ehe ich wieder aufbreche

Ferne als Sehnsuchtsort

als Traum als Mythos

Ferne bleibt Ferne

Ferne die Heimat anderer

Ferne ein Zuhause auf Zeit

aber nicht Heimat

Was – Wenn man den Boden

Unter den Füßen verliert

Heide Mutschler

Entfremdung von Heimat

Wenn Heimat definiert werden muss, ist sie bereits gefährdet. Heimat ist einmalig. Wer heimatverbunden sein will, wird schnell zum Populisten. Heimat ist heute irgendwie noch erlaubte Ansichtspostkartensache. Das Wort „Heimat“ darf nur noch nach Vorschrift angewendet werden. Die Entfremdung von der Heimat geht immer durch die Sprache am schnellsten und leichtesten, wenn auch am leisesten vor sich. Denn die wahre Heimat ist eigentlich immer noch die Sprache. Im Radio und im Fernsehen bekomme ich nur noch ganz selten ein Heimatlied zu hören. Englisch gesungene Lieder können mir keine Heimat geben. Musikalisch bin ich gegenwärtig heimatlos geworden. Schlimm ist es, aus der Heimat, noch schlimmer ist es, zusätzlich aus der Heimatsprache vertrieben zu werden. Heimat und Werte sind zum Handelsartikel verkommen. Hier darf noch von „Heimat” gesprochen werden. Das Internet ist die neue „High-mat”. Manch einer sagt Heimat - und schon steigen die Grundstückspreise. Für einen Heimattreuen ist es nicht wichtig, wo er hinfährt, sondern wo er herkommt. Weil er dann weiß, wo er nicht hin muss.

Friedrich Witte Stuttgart

Orientierung haben ohne Stadtplan

Heimat – in jungen Jahren: So viel Leben, das noch zu teilen ist. Heimat entsteht überall. Und irgendwann: So viel Leben, das schon geteilt wurde. Heimat sind Wurzeln. Und außerdem: Ohne Stadtplan meinen Weg zu finden . . .

Daniela Steinhoff, Stuttgart

Gereimte Heimat

Ich möchte es in einen Vierzeiler packen:

Heimat war mir stets der Ort,

wo der Grund Vertrauen weckte,

und da freundschaftlich Gewachsnes

sanft das Dach der Nachsicht deckte.

Peter Schuhmann

Alte und neue Heimat

Heimat – das ist zuerst Herkunft. Wo man herkommt. Wenn man dann an einem anderen Ort

sich niederlässt, Wurzeln schlägt und in der neuen Umgebung sich wohlfühlt – dann spricht man gerne von der neuen Heimat, die man gefunden hat.

Peter H. Haller, Stuttgart

Wo man meine Sprache spricht

Vor Jahren wurde im Fernsehen H. Adorf gefragt, was er unter Heimat verstehe: seine Antwort war: „Heimat ist, wo man meine Sprache spricht.“

M. Truger, Stuttgart

Dr hoim isch dr hoim

Anfang der 1970er Jahre fuhren wir in den Ferien mit unseren Kindern oft an die italienische Adria. Hier war meist schönes Wetter, sauberer Sandstrand, angenehme Wassertemperatur und gutes Essen, unsere Kinder fühlten sich pudelwohl. Wenn wir aber nach drei Wochen wieder nach Hause kamen ließ sich unsere jüngste Tochter die Badewanne einlaufen, glitt mit einem zufriedenen Seufzer in das warme Wasser und sagte „ dr hoim isch dr hoim!“ Besser kann ein siebenjähriges Kind nicht ausdrücken, wsa Heimat ist.

Friederich Ludwig, Fellbach

Zusammen sind wir Heimat

Sie rufen Ihre Leser auf, Ihnen zu schreiben, was sie mit Heimat verbinden. Das freut uns als Caritas Rottenburg-Stuttgart ausgesprochen. Dass wir mit Heimat einen Ort verbinden, an dem wir uns wohl und geborgen fühlen, vor allem aber, dass Heimat im sozialen Miteinander entsteht, davon sind wir als Caritas überzeugt. Daher widmen wir dem Thema Heimat unsere diesjährige Caritas-Jahreskampagne. Unter dem Link https://www.zusammen-heimat.de/ finden Sie u.a. die sozialpolitischen Forderungen zur Kampagne „Zusammen sind wir Heimat“ des Deutschen Caritasverbands und auch einen Heimatfilm.

Wenn wir von Heimat sprechen geht es immer auch um Gefühle, Sehnsüchte und Beziehungen. Wie wertvoll Heimat ist, spürt man besonders dann, wann man sie verloren hat. Angesichts von knapp einer Million Geflüchteten, die in den vergangenen zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, stellt sich die Caritas unter dem Motto „Zusammen sind wir Heimat“ die Frage, wie das Zusammenleben von Einheimischen und Zuwanderern gelingen kann. Heimat – so das Fazit der Caritas – bewahrt man nicht, indem man Mauern baut und Grenzen zieht. Heimat gehört einem nicht einfach, nur weil man in einem Land geboren wurde. Heimat entsteht vielmehr dort, wo sie geteilt wird. „Zusammen sind wir Heimat“ – dieser Satz ist uns tiefe Überzeugung, Herausforderung und Vision zugleich. Dabei sind wir uns mehr als bewusst: eine so verstandene „Heimat“ fällt uns nicht als reife Frucht in den Schoß. Sie will erarbeitet, errungen, gestaltet sein.

Eva-Maria Bohlay, Stuttgart

Heimatlos

Wer wissen will, was „Heimat“ bedeutet, der sollte einfach das Wort „heimatlos“ auf sich wirken lassen. Sie/er kann dann vielleicht immer noch nicht erklären, was „Heimat“ bedeutet, aber sie/er weiß es.

Ulrich Epple, Stuttgart-Feuerbach

Eine Selbstverständlichkeit

Für mich ist Heimat dort, wo ich mich nicht erklären muss.

Roland Büxenstein, Stuttgart

In Gedanken verankert

Meine ursprüngliche Heimat im Böhmerwald wurde zerstört und geschleift. Trotz der Vertreibung bleibt das Gefühl von Heimat bestehen. Es hat sich in einer anderen Umgebung hier im Kraichgau weiterentwickelt und gefestigt. Trotzdem bleibt Heimat im Sinne von Ort der Geburt gedanklich fest verankert.

Reinhard Mayer

Handyfreie Zone

Heimat ist dort, wo das Smartphone ausgeschaltet ist.

Dr. Rainer Kußmaul, Stuttgart

Einfach nur Stuttgart!

Heimat bedeutet für mich Stuttgart – meine Heimat Stuttgart, die mir immer mehr entfremdet wird, obwohl ich mehr als 60 Jahre hier wohne. Warum? Weil kein Politiker/Oberbürgermeister, ein Gefühl, für die Geschichte der Stadt hat. Man wird Stuttgart nicht wiedererkennen, verkündete einst in Stuttgart ein Oberbürgermeister, aber um Himmelswillen, will ich denn meine Heimat nicht wiedererkennen ? Wenn mit meiner Heimat Stuttgart, weiterhin so fahrlässig umgegangen wird wie bisher, finde ich meine Heimat, nur noch auf dem Pragfriedhof!Anne Reichert

Vertraute Töne

Die Beiträge zu diesem Thema von Herrn Kretschmann und Herrn Oettinger haben mich sehr berührt, da ich genauso denke. Vor zehn Jahren sind wir aus beruflichen Gründen meines Mannes nach Südbaden gezogen. Meine Heimat, mein Schwabenland vermisse ich immer mehr. Immer, wenn wir in Stuttgart und Weil der Stadt sind, halte ich inne, schließe kurz die Augen und denke, ich war nie weg. Ich freue mich jedesmal, meine Familie und Freunde zu sehen, wieder Schwäbisch zu schwätzen und zu hören und fühle mich so richtig Daheim. Das bedeutet für mich Heimat.Regine Lang

Auf dem Sofa chillen

Unsere Klasse hat heute ein Parallelgedicht zu dem Gedicht ,,Daheim“ von Franz Hohler geschrieben.

Daheim bin ich, wenn meine Freunde bei mir sind und wir etwas unternehmen.

Daheim bin ich, wenn ich am Rhythmus der Schritte erkennen kann, wer von meiner Familie

gerade durchs Haus läuft.

Daheim bin ich, wenn mich morgens um sieben die Kirchturmglocken wecken,

auch am Wochenende. Würden sie nicht läuten, würde ich manchmal verschlafen.

Würde ich die Schritte nicht hören, würde mir etwas fehlen.

Würden meine Freunde mich nicht besuchen, wäre ich einsam.

Daheim bin ich, wenn ich in meiner Jogginghose auf dem Sofa

meine Lieblingsserie schauen kann.

Daheim bin ich, wenn es sonntags Spaghetti zum Abendessen gibt und

wir gemeinsam essen.

Daheim bin ich, wenn mich mitten in der Nacht mein Kater weckt.

Würde mich der Kater nicht ab und zu wecken, würde mir etwas fehlen.

Würde ich nicht sonntags mit meiner Familie Spaghetti essen, müsste ich hungrig ins Bett.

Würde ich nicht ab und zu in der Jogginghose auf dem Sofa ,,chillen“, hätte ich keine Zeit zum Abschalten.

(Schüler und Schülerinnen der Klasse 8b, Realschule Korntal-Münchingen)

Einzigartige Heimat

Nach vielen Jahren im Ausland ist Deutschland meine Heimat, nicht irgend ein Ort oder eine Gegend. Ganz Deutschland ist wunderschön und einzigartig. Dort wo man sich aufgehoben und geborgen fühlt. Dort ist die Heimat.

Erhard Kranke, Beilstein

Der Ort, wo ich aufblühen kann

Heimat ist für mich geografische Wahlheimat – ein Ort an dem ich mich be-heimatet habe (und wurde) durch Liebe, Freundschaften, Vertrauen und kulturelle Identität. Kurzum: Heimat ist, wo ich aufblühen kann.

Lea Butsch, Theater Rietenau

Wo ich sein darf

vor 14 Tagen habe ich meine liebe Mama verloren und es schrieb mir eine liebe Verwandte zum Trauerfall „dass man mit dem Tod der Eltern ein großes Stück Heimat verliert“. Doch frage ich mich, was bedeutet für mich Heimat? Geboren in Masuren, aber keine Erinnerung, danach ca. 20 Umzüge und nun seit fast 40 Jahren in und um Stuttgart. Ja, nun habe ich eine Heimat, da, wo ich meine Kinder und Freunde habe, wo ich gerne lebe, wo ich sein darf, immer.

Brigitte Lindner, Stuttgart

Wo hinter jeder Ecke eine Erinnerung lauert

Wir waren dieser Tage in dem Kinofilm „Weit“. Zwei junge Leute reisen einmal um die Welt ohne Flugzeug und kehren nach über drei Jahren aus der anderen Richtung an den Startpunkt Freiburg zurück. Sehr beeindruckt hat mich ein Schlusssatz des Films: „Heimat ist da, wo hinter jeder Ecke eine Erinnerung lauert!“ Ich finde diese Verbindung von georaphischem und persönlichem Aspekt besonders gelungen. Es zeigt, dass Heimat sehr individuell ist und nur so sein kann. Sie hängt stark von den eigenen Erfahrungen und Gefühlen ab. Mit diser Definition ist auch klar, warum man sich an mehreren Orten „heimisch“ fühlen kann oder auch bei Menschen, unabhängig vom Ort. Vor allem zeigt es auch, warum man „Heimat“ mitnehmen kann, eben wie eine Erinnerung und auch warum eine Begebenheit oder ein Anblick „Heimatgefühle“ auslöst. Der Film regt zum Nachdenken an und war eine Bereicherung.

Ute Kurtz

Asemwald und Sauerland

Auch für mich ist dieser Begriff unbedingt mit zwei Orten verbunden. Als Sauerländer lebe ich seit 1959 zuerst in Degerloch. Nun schon 40 Jahre im Asemwald. Stuttgart ist meine Heimat. Aber auch bei meinen gelegentlichen Fahrten ins Sauerland und dem Besuch meiner Schwester im elterlichen Haus ist das Heimat.

Gerhard Sonntag

Heimat? Da war ich noch nie

Meine persönliche Antwort auf die Frage, was „Heimat“ für mich bedeute, halte ich vorerst nicht für wichtig. Doch da der Begriff in der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung eine wichtige Rolle spielt, finde ich es sehr gut, dass Sie uns Leser zu einer Auseinandersetzung mit dem schwierigen Begriff auffordern. Zu dieser Auseinandersetzung möchte ich mit zwei Zitaten vertiefend beitragen: „Heimat? Da war ich noch nie“ – Motto des Augsburger Friedenfestes 2014. „Und lebe wohl, Heimat! Wir sind ja auch in der Fremde, wo wir daheim sind“ – Danni, der Bruder des „Barfüssele“, beim Aufbruch nach Amerika in der gleichnamigen Erzählung von Berthold Auerbach.

Max Hasenclever, Weil der Stadt

Hier funktioniert die Nachbarschaft

Ich bin 1958 in Tokyo geboren und habe dann die ersten 19 Jahre in Kobe verbracht. Für mich ist Japan meine Heimat, aber mein Zuhause ist Berglen-Öschelbronn, wo ich mit meinem Mann und unseren vielen Tieren seit fast neun Jahre lebe. Hier funktioniert noch die Nachbarschaft, jeder ist so hilfsbereit, man kann sagen, hier ist die Welt noch in Ordnung.

Angelika-Noriko Joos, Berglen-Öschelbronn

Miteinander lachen

Heimat ist für mich: Verbundenheit mit Menschen spüren, Erinnerungen teilen, gemeinsame Ideen verfolgen. Und miteinander lachen. Großartiges Thema!

Ulrike Pföhler

Wenn Heimweh einen Namen hat

Heimat ist dort, wo der Blick zurück eine Zukunft hat.

Heimat ist dort, wo meine Herkunft eine Zukunft hat.

Heimat ist dort, wo ich Baum und Bach und Weg und Wort kenne.

Heimat ist dort, wo ich mich auskenne und bekenne.

In der Heimat findet das Miteinander seinen Ort.

In der Heimat ist man mit Menschen auf den Wegen zu Hause.

In der Heimat leben, heißt auch Anderen Heimat geben.

In der Heimat treffen sich die Liebe zum Ort und die Liebe zum Leben.

In der Heimat ist das Ehrenamt Ehrensache.

Der verträumten Heimat fehlt die Erfahrung der Fremde.

Heimat ist Bindung in der kleinen und Verbindung in der großen Welt.

Heimat ist nur eine kleine Welt, wenn die Große fehlt.

Einer modernen Heimat kann man weltoffen zugewandt sein.

Eine gute Heimat will uns nicht einfangen, sondern auffangen.

Eine geistige Heimat ist wert(e)voll!

Heimat ist, wenn Heimweh einen Namen hat.

In meiner Heimat ist Brauchtum ohne Missbrauch guter Brauch.

Vermarktete Heimat kostet ein Leben in Kulissen.

Hans-Dieter Baumgärtner, Winnenden

Eine Frage der Perspektive!

Jemand, der nie sein Geburtsort verlassen hat, wird sich mit dieser Frage nicht schwer tun. Wogegen, jemand der ständig an andern Orten, in ändern Ländern lebt, den Begriff Heimat anders interpretieren wird. Die Globalisierung zwingt den Menschen den Begriff „Heimat“ neu zu definieren! Für mich ist Heimat, wo ich spüre: Hier gehöre ich dazu. Ich bin ein Teil dieser Kultur.

Christine Schulze

S entimentale Schwaben

D’Zeitong hot gfrogt, was für os Hoimet isch,

i mach jetzt do drüber a ganz glais Gedicht.

Für manche isch Hoimet wirklich egal,

aber mir Schwoba send do a bissle sentimental.

Für mi isch Hoimet, wenn i morgens zom Fenschter nausguck

ond mai Wengertsberg zo mir ronterguckt,

wenn zwischa de Bäum d’Häuser von onserem Flecka linset raus

ond henterem Wald kommt d’Sonna rauf,

wenn d’Vögel senget ihr Morgalied

ond am Hemmel a’ Wolka vorüberzieht.

Doch ebbas möcht i net vergessa,

vielleicht sagat ihr, dui isch vermessa:

Mai alt’s Pfarrhaus ond mai Kirchaturm

ond dia wonderschöne Fachwerkhäuser drum,

wenn onsre Glocka läutet

ond a Brautpaar en’d Kirch neischreitet –

des isch Hoimet schee ond warm.

Wenn i des net hätt, no wär i arm,

was hilft’s, wenn du reich bisch

ond nirgendwo dai Hoimet isch?

Doch Hoimet isch au, wenn du an a Grab na ganga kosch.

ond dort verweila en stillem Gedenka

– des ka dir soviel Frieda schenka.

Ella Schwarz, Rudersberg

Sprache und Heimat

Als ich vor Jahren einmal Urlaub in Dänemark plante, überlegte ich, was für die drei Wochen als Lektüre mitzunehmen wäre, und ich entschied mich u. a. für Eduard Mörikes Gedichte und Erzählungen. An der Küste Jütlands begann ich dann »Das Stuttgarter Hutzelmännlein« wieder zu lesen – und ich fand den Mörike nicht, der mir vertraut war, den ich immer als großen deutschen Dichter und zugleich als schwäbischen Pfarrherrn erlebt hatte, umgeben vom Duft der Rosen im Pfarrgarten oder dem Geruch von frischem Brot und dem „Gschmäckle“ alter Mostfässer. Damals hatte ich als Nichtschwabe das dumpfe Gefühl, das habe etwas mit Heimat zu tun, mit Lokalkolorit. Das heißt noch nicht, Mörike sei „Heimatdichter“. Man liest bei ihm große deutsche Dichtung, aber hervor gewachsen aus schwäbischem Boden – und das nicht nur in seinen Werken mit schwäbischen Untergrund wie der Die Historie von der schönen Lau oder dem Stuttgarter Hutzelmännlein, sondern z. B. auch in seiner berühmten Novelle Mozart auf der Reise nach Prag. Mir wurde an der dänischen Nordseeküste klar, dass man Mörike besser „genießen“ kann, wenn man die Orte kennt und liebt, aus denen er stammt, an denen er gelebt hat; wenn man neben vielem anderen auch weiß, wo genau Ochsenwang auf der Schwäbischen Alb liegt, wo Cleversulzbach im Unterland und wo Blaubeuren. Man kann Mörike nicht ohne weiteres, nicht ohne Einbußen an Geruch und Farbe, in einem fremden Land lesen. So meine Erfahrung. Das hat etwas mit der Sprache zu tun. Sprache bindet und verbindet; sie bindet in der Fremde an das Vertraute. Und die Wörter »Bindung« und »Heimat« berühren sich in ihren Bedeutungen. Um es altmodisch auszudrücken: In der Sprache liegt Geborgenheit. Und solche heimatliche Geborgenheit kann auch das dichterische Wort ausstrahlen. Während ich dies schreibe, bin ich wieder weit von Deutschland entfernt. Wenn ich hier in einem Lokal auf Menschen treffe und sie Deutsch oder gar Schwäbisch miteinander sprechen höre, so löst das ohne direkten Kontakt eine Art von Freude des Wiedererkennens aus. Es taucht dann so etwas wie ein »Heimatgefühl« auf, das mit der deutschen Sprache zusammenhängt. Da wird viel deutlicher: Heimat hat mit dem ganz Vertrauten zu tun. Und das ist zunächst einmal unsere gemeinsame Sprache, natürlich noch stärker ein Dialekt, z. B. das Schwäbische – das empfinde sogar ich, auch wenn ich kein Schwabe bin.

Unser Wort „Elend“ umschreibt heute soziale und politische Verhältnisse, die von Formen äußerster Entbehrung geprägt sind – Hunger, Durst, Krankheit, Vertreibung. Im Mittelalter bedeutete es eine Entbehrung ganz bestimmter Art. Da bezeichnete das alte Wort „elilenti“ den für den Menschen entsetzlichen Zustand „außerhalb des Landes seiner Geburt und seiner Sippe und seiner Sprache“ zu sein – auch wenn es freiwillig war. Ähnliches mögen Menschen in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts empfunden haben, wenn sie aus Anatolien oder aus Kreta zu uns kamen, um hier zu arbeiten. Und das war für sie im höchsten Maße „Elend2, auch wenn sie den „elenden“ wirtschaftlichen Verhältnissen ihrer Heimatländer entronnen waren. Dabei war das Gefühl von einer fremden Sprache umgeben zu sein, wohl für sie die größte Schwierigkeit, dieses „Elend“ der Heimatlosigkeit wenigstens einigermaßen zu ertragen. –

Zu den besonders berührenden Erlebnissen im Ausland gehört es für mich, wenn man einen Einheimischen trifft, der mit einigen Stolz sagt, er könne Deutsch und dann eine Unterhaltung in akzentreichem Schwäbisch beginnt – „25 Joahr beim Daimler in Untertirkheim, ond na wieder hoim“.

Walter Schafarschik

Wandern ist Heimat

Ich wohne im Heckengäu wir sehen die Alb und den Schwarzwald da bin ich zuhause. Wir wandern im Herbst auf der Alb und wenn es im Sommer heiß ist im Schwarzwald. Das ist für mich Heimat. Gisela Lang

Heimat-Insel

Heimat? Ich bin auf der Insel Rügen geboren. Dort habe ich sieben Jahre gelebt. Meine Eltern sind aus der damaligen DDR geflohen und wir kamen dann nach Stuttgart. Ich sage immer, nicht nur scherzhaft: Ich wurde verschleppt. Wir wohnten auf Rügen in Binz 100 Meter vom Strand, wie vermisste ich das Meer. Besonders im ersten Sommer im Freibad in Stuttgart-Sillenbuch. Wir wohnten in Riedenberg, damals noch ein kleines Bauerndorf. Alle redeten Schwäbisch, ich noch Platt. Es war nicht einfach für den kleinen Karl-Heinz. Ich schrieb Heimatgedichte von Meer und Strand. Heute denke ich, so rettete ich mich immer wieder. Mit zwölf Jahren zogen wir dann auf den Fasanenhof. Hier fand ich Heimat. Der „Fasi“ war bunte Vielfalt. Da viel ich als Rüganer gar nicht auf. Ich konnte meinen Platz finden. Der Fasanenhof wurde Heimat für mich. Ich schwärme immer von dieser Zeit. Meine Freunde können dies bis heute nicht verstehen. Der Fasanenhof wurde Heimat, weil ich hier meinen Platz finden konnte. Ich war angenommen, fand Heimat in der Nachbarschaft, im Sportverein und in der Evangelischen Kirchengemeinde. Gleichzeitig ist und bleibt die Insel Rügen auch meine Heimat. Emotional spüre ich dies jedes Mal wenn ich im Urlaub auf „meiner Insel“ bin.

Karl-Heinz Kämpler, Stuttgart-Bad Cannstatt (Hallschlag)

Heimat verschafft Glücksgefühle

Vertraut sein mit Menschen, Kultur und Landschaft – dabei Glücksgefühle zu erleben.

Rita Kerlen aus Fellbach

Familie ist Heimat

Schon als Kind habe ich gelernt, Wohnorte zu Heimat werden zu lassen. Geboren wurde ich in der schönen Stadt Mainz in der Goldenen Luftgasse im Jahr 1942. Im Jahr 1944 fiel mein Vater im Krieg als Soldat einer Fahrradkompanie. Er schrieb in einem der vielen Feldpostbriefe: „Hoffentlich ist der Krieg bald vorbei, dass aus Menschen wieder Menschen werden, und wir nicht irgendwo in Russland als ungeliebte Gutsherren in ständiger Angst um unser Leben leben müssen.“ Unsere Wohnung wurde durch Bomben zerstört; die Großmutter und Onkel Jakob, der für mich zum „Papi“ wurde, nahmen meine Mutter und mich auf einem Bauernhof bei Altomünster auf. Jahre später kam ich durch die Initiative meiner Mutter wieder zurück nach Mainz. Mainz wurde der Ort meiner Schulzeit und meines Studiums. Nach Stuttgart zog es mich dann aus Liebe zu meiner Frau. Seit 51 Jahren ist Stuttgart meine Heimat. Hier bin ich zu Hause. Heimat und zu Hause sein heißt für mich, Familie zu haben und mit Christen in einer Gemeinde zu leben.Leonhard Sulzberger