Eine Reise in die Welt der Ernährung unserer Vorfahren und technische Innovationen aus dem Laserkühlschrank: die Professoren Hans Konrad Biesalski und Tilman Pfau geben den Lesern der Stuttgarter Zeitung Einblicke in ihre Forschung.

Stuttgart - Hans Konrad Biesalski kann spannend erzählen, auch wenn es ziemlich kompliziert wird. Der Hohenheimer Ernährungsmediziner hat die Leser bei der Leser-Uni auf eine faszinierende Reise in die Vergangenheit mitgenommen: Wie hat die Ernährung die Evolution des Menschen beeinflusst? Haben sich etwa die ausgestorbenen Arten selbst ins Abseits gemümmelt? Hat der aufrechte Gang etwa auch etwas mit dem Essen, dem Angebot an Nahrung zu tun? Biesalski, der an der Uni Hohenheim das Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft leitet, hat sich der Entwicklungsgeschichte der Menschheit von seiner Sicht als Ernährungsexperte genähert. „Der Motor für die Evolution waren und sind die Mikronährstoffe, das sind Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Diese Bestandteile der Nahrung liefern zwar keine Energie und machen damit auch nicht satt. Es gibt auch keinen Hunger nach Mikronährstoffen, dennoch sind sie unverzichtbar“, erklärte Biesalski. Ein Mangel daran führe zu chronischen Krankheiten und Entwicklungsstörungen.

 

Wenn sich im Laufe der Menschheitsgeschichte das Klima ändert, wird sich auch das Angebot an Nahrung verändern. Als eines der vielen Beispiele, wie sich dies auf die Evolution ausgewirkt haben könnte, wählte Biesalski den Homo erectus, einen unserer sehr frühen Vorfahren. Zu Beginn seines Daseins lebte dieser Hominide in den Wäldern und ernährte sich von dem reichhaltigen Angebot, genügend Wasser gab es auch. Doch dann veränderte sich das Klima, das Nahrungsangebot nahm ab, ebenso verschwanden die Wasserquellen. Der Homo erectus litt Hunger: „Hunger kennt keine Angst und keine Vorsicht, wenn es darum geht, ihn zu stillen“, sagte der Ernährungsexperte. Unser Urahne verließ also den Wald, zunächst nur für kurze Zeit, um sich etwas zu essen und zu trinken zu suchen. Er war erfolgreich, jagte und sammelte und versorgte sich auch mit Mikronährstoffen. „Für dieses Verhalten ist eine gute räumliche Orientierung notwendig und ein angepasstes Fluchtverhalten. Schließlich droht außerhalb des schützenden Waldes Gefahr“, so Biesalski. Für diese komplexen Verhaltensweisen müsse sich auch das Gehirn verändern. Besonders eine Region, der Hippocampus, zuständig für Lernen und komplexes Verhalten, wie etwa die räumliche Orientierung, nahm zu – und dazu seien Mikronährstoffe notwendig: Für die Bildung von Nervenzellen braucht man Vitamine, vor allem A, D und B12. Für die Vernetzung der Zellen sind Spurenelemente wie Eisen, Zink und Jod notwendig. Homo erectus verließ schließlich den Wald und wanderte aus. Im Gegensatz zum Nussknacker-Mensch, dem Paranthropus boisei: Er starb aus, weil er sich zu sehr auf pflanzliche Kost spezialisiert hatte und auch auf den Bäumen sitzen blieb, als sich die klimatischen Bedingungen änderten. „Ohne Mikronährstoffe mümmelte er sich ins Aus“, erklärte Biesalski. „Als konsequente Veganer würden wir möglicherweise heute noch auf den Bäumen sitzen“, witzelte der Wissenschaftler. Für den heute lebenden Menschen hat der Ernährungsmediziner noch einen Rat: „Jede Form der einseitigen Ernährung ist ungesund. Eine ausgewogene Mischkost hält Körper und Geist gesund und fit.“

Physik zwischen Materie und Licht

Der Physiker Tilman Pfau entführte die Hörer der Leser-Uni in die Welt der atomaren Teilchen und der extrem tiefen Temperaturen. Anknüpfend an den Titel seines Vortrags begann der Leiter des 5. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart mit der Frage: Wozu braucht die Physik eigentlich solche extrem kalten Atome? Seine Antwort: die Physik will sich „Zugang zur Quantenwelt verschaffen“. Er erinnerte daran, dass die zentralen Bausteine von Computern immer kleiner werden. Diese „Miniaturisierungsevolution“ stoße aber an eine natürlich Grenze, nämlich die Größe einzelner Atome. Dort hat man es mit den Regeln der Quantenphysik zu tun und sollte diese verstehen.

In der dem Menschen vertrauten Welt unterscheiden Physiker zwischen Materie, die aus Teilchen besteht, und Licht, das sich wellenförmig ausbreitet und deshalb nicht an einem fest definierten Ort lokalisiert werden kann. In der Quantenwelt ist das anders: Dort kann Licht Teilcheneigenschaften haben kann. Die Lichtteilchen nennt man Photonen. Umgekehrt kann Materie sich wie eine Welle verhalten und deshalb eine Wellenlänge haben. Diese Wellenlänge ist umso kleiner, je schwerer und schneller so ein Teilchen ist. Die Wellenlänge eines Menschen ist verschwindend klein. „Das ist der Grund, weshalb Sie mich als Teilchen sehen“, sagte Pfau.

Anders ist das bei leichten und langsamen atomaren Teilchen. Deren Welleneigenschaften können Physiker studieren. Dass ein Teilchen langsam ist, heißt, dass es eine niedrige Temperatur hat, denn „Temperatur ist Bewegung“. Und so kommt es, dass viele Physiker neugierig auf extrem kalte Atome sind. Einige wenige Grad Celsius unter null reichen nicht. Es sollte schon die Nähe des absoluten Temperaturnullpunkts bei rund minus 270 Grad Celsius sein; Physiker nennen das null Kelvin. Mit flüssigem Helium lässt sich viel erreichen; mit Tricks kommt man in die Gegend von einem Millikelvin.

Will man aber auf ein Millionstel Kelvin hinunter (Mikrokelvin), dann muss es Laserkühlung sein. Materiewellen sind dann etwa so groß wie Lichtwellen; man kann sie sichtbar machen. Mit einer nachgeschalteten „Verdampfungskühlung“ erreicht man sogar Nanokelvin. Der Trick besteht im Wesentlichen darin, einem fliegenden Teilchen mit einem Laser entgegenzuschießen und es so zu bremsen.

In diesem Kältezustand können Materiewellen sich überlagern und Interferenzen bilden, wie Wellen im Wasser, die sich begegnen und teilweise verstärken, teilweise auslöschen. Solche Überlagerungen, sagte Pfau, seien „die Basis für alle Innovationen, die aus der Quantenmechanik hervorgehen“ – so zum Beispiel der Quantencomputer oder auch Experimente in Pfaus Institut mit neuartigen chemischen Bindungen unter exotischen Atomen.