Wolfgang Schorlau liest im Rahmen der „Lesezeit in LE“ aus seinem Buch „Rebellen“. Darin schlüpft Schorlau in die Rolle einer Frau, schildert aus ihrer Perspektive die Begegnung mit zwei 68er-Revoluzzern in Freiburg.

Oberaichen - In einem Buch zu lesen, ist meist eine recht einsame Angelegenheit. Die „Lesezeit in LE“ macht jedoch aus Literatur ein gesellschaftliches Erlebnis. Texte werden mit Musik verknüpft, Autoren kommen in Schulen oder – wie am Donnerstagabend der Schriftsteller Wolfgang Schorlau – in Säle wie den Pavillon in Oberaichen.

 

In einer Kooperation der Stadtbücherei und der VHS sowie der Buchhandlung Seiffert und der evangelischen Kirchengemeinde stellte er sein jüngstes Werk vor. Keinen Dengler-Krimi, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Verquickung von Macht und Machenschaften eine breite Fangemeinde haben. Nein: Im Gepäck hatte er „Rebellen“, sein jüngstes, im Frühjahr erschienenes Buch.

Eine Geschichte über die Ideale der Jugend

Darin schlüpft Schorlau in die Rolle einer Frau, schildert aus ihrer Perspektive die Begegnung mit zwei 68er-Revoluzzern in Freiburg. Alexander kommt aus einem spießigen und wohlhabenden Elternhaus und fühlt sich in der heimischen Villa eingeengt. Der arme Paul lebt im Waisenhaus und wird von älteren Mitbewohnern misshandelt. Beide trennt eine Buchsbaumhecke, beide eint der Gedanke, dass der jeweils andere die Freiheit genießt, die man selbst gerne hätte. Und dann noch die Vorliebe für die Rolling Stones, wobei Alexander den Plattenspieler hat, aber diese Schallplatten mit „Negermusik“ zuhause verpönt sind, während Paul die Platten hat, aber keinen Plattenspieler. Aus dieser Konstellation entwickelt Schorlau eine Geschichte über die Ideale der Jugend und führt diese bis in die Gegenwart.

Bei den knapp 90 Zuhörern stieß diese Geschichte auf großes Interesse, animierte sie zu zahlreichen Fragen. Erfahrung oder Recherche? „Ich habe beides einfließen lassen“, so Schorlau, der sich an eine Zeit erinnerte, in der es den Kuppelparagrafen gab und die Verpflichtung der Frau, sich eine Arbeitsstelle vom Ehemann erlauben zu lassen. „Nie mehr standen sich Generationen so erbittert gegenüber wie Ende der 1960er- und 70er-Jahre“, so seine Einschätzung. Dass er die Geschichte aus einer weiblichen Ich-Perspektive heraus erzählte, sei für ihn eine große schriftstellerische Herausforderung gewesen, sagte er. „Ich habe ja auch schon aus der Sicht eines Verbrechers geschrieben“, schmunzelte der Autor.

Dialog mit den Autoren bringt Menschen die Bücher näher

Gerade dieser Dialog mit den Autoren ist es, der den Menschen die Bücher näher bringt. „Bei den Veranstaltungen in den Schulen stellen die Kinder viele Fragen und sind sehr interessiert“, so die Erfahrung der Bibliotheksleiterin Dorothea Veith, die von einer Lesung in einer Schule mit Maja Nielsen schwärmt, die zum Untergang der Titanic recherchiert hatte. „Das war bei den Kindern zuhause ein Thema, denn anschließend sind die Mütter gekommen und wollten sich das Buch ausleihen“, so Veith. „Mit solchen Veranstaltungen“, sagt die Büchereileiterin, „steigern wir das Interesse an der Literatur“. Die „Lesezeit in LE“, so Veith, sei für viele in der Stadt inzwischen ein fester Begriff geworden.