Sein neuer Roman heißt „Der Gelbe Hund“ und wurde jetzt im Muse-O in Gablenberg vorgestellt.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Gablenberg Auch Gott spielt mit. Er hat zwar nur eine Nebenrolle, aber dafür steht er als Metapher Pate für den Titel des achten Romans von Udo Oskar Rabsch: „Der gelbe Hund“. Das Thema des Arztes mit seiner Praxis in Gablenberg, das ihn Zeit seines Lebens bewegt, ist das Dritte Reich. Vor allem aber dessen Nachwirkungen, die er bis heute aufzufinden glaubt, und sei es auch nur in kleinen sprachlichen Andeutungen. „Die Nachkriegszeit dauert bis heute an“, sagt er. So ist auch der „Gelbe Hund“ eine weitere Auseinandersetzung mit dem „Nazi der Welt“, wie Rabsch, Jahrgang 1944, seine Sicht der Dinge charakterisiert. Am Freitagabend hat er in der Muse-O Reihe „Text und Extra“ das neue Werk vorgestellt, auch eines seiner Theaterstücke in einer filmischen Bearbeitung von Vaclav Reischl war zu sehen.

 

Die Geschichte spielt in den 1950er Jahren auf der Insel La Palma, wo Rabsch selbst ein Haus besitzt. „Dorthin wollte ich auswandern, habe aber bemerkt, dass die Spanier genauso schlimm sind“, berichtet er. La Palma war während der Franco-Diktatur ein beliebter Fluchtpunkt für Nationalsozialisten. Dennoch bleibt Rabsch der Insel verbunden und kennt sich dort bestens aus. „Sie können mit dem Buch in der Hand rumgehen und die Geschichte nachspielen“, verrät er den zahlreich erschienenen Zuhörern. Als Autor setzt er auf Authentizität, wenn er die Orte mit Präzision, in fast wissenschaftlicher Sprache beschreibt. Das gilt auch für seine Protagonisten. „Es gibt keine fiktiven Figuren, alle existieren in Wirklichkeit.“ Dafür aber beschreibt er geradezu surreal, wie die jungen Frauen der Insel sich zum Tanz schön machen und nächtens durch die Berge und über die Klippen huschen.

Opfer und Täter nähern sich

Die Hauptpersonen, die auf der heutigen Ferieninsel aufeinandertreffen, sind zunächst der angebliche Amerikaner A.D. Adams. Er hat sein Gedächtnis verloren und war in Wirklichkeit stellvertretender Direktor der Euthanasieanstalt Grafeneck im Lautertal. Ihm gegenüber steht die Zigeunerin Nike Herzsieg, deren Schwestern in Grafeneck ermordet wurden und die Adams in der Nazikolonie auf La Palma wiedererkennt und töten will. Doch je länger Nike Herzsieg als Symbolfigur der Opfer den Vertreter der Täter beobachtet, desto stärker entwickelt sich zwischen beiden eine Beziehung.

„Es ist eine Erkenntnis aus der Psychologie, dass oft durch die intensive Beobachtung des Feindes Bindungen zu ihm entstehen, so wie bei Nike Herzsieg. Und wie Adams können sich in allen meinen Romanen die Protagonisten nicht an die Nazizeit erinnern. Sie verlieren aufgrund ihrer Erlebnisse sozusagen ihre geistige Zurechnungsfähigkeit.“ Rabsch schiebt zwischen die Episoden seiner Lesung immer wieder Erklärungen über sein literarisches Arbeiten und seine Beweggründe, die ihn dazu bringen, immer wieder die gleiche Thematik zu beleuchten. Von Verarbeitung jedoch kann bei dem 68-Jährigen keine Rede sein. Zu groß sind seine Kindheitstraumata, die er bei der Flucht der Familie aus der sowjetisch besetzten Zone auf die Filder erlebt hat, zu übermächtig ist der lebenslange Konflikt mit seinem Vater.

„Bei uns auf der Terrasse in Neuhausen haben sich in den 50er Jahren die Nazis getroffen und Bowle getrunken“, empört sich Rabsch. Und damals sah er in der Schule erstmals einen Film über deren Gräueltaten. „Ihr seid die Mörder“, hatte er seinem Vater zugerufen. Den sieht er heute als Repräsentant eines Staates, der sich nie offiziell entschuldigt habe: „Bis heute sagt niemand, das deutsche Volk hat gemordet.“