US-Satiriker Stephen Colbert hat beim TV-Sender CBS mit seiner Late-Night-Show die Nachfolge von David Letterman angetreten. Die erste Ausgabe seiner Sendung ist noch ein bisschen unentschlossen gewesen. Aber der Mann hat Talent.

New York - Beinahe hat man in den USA in den vergangenen Wochen vergessen können, dass das Fernsehen in Zeiten zerbröselnder Geschäftsmodelle und zerplatzender Kabelpakete immer mehr an Bedeutung verliert. So voll von Spekulationen über das TV-Event des Herbstes waren die Blogs und Magazine, als handele es sich um die finale Debatte zweier Präsidentschaftskandidaten, die letzte Episode von „Mad Men“ oder um das Superbowl-Finale.

 

Das Ereignis, das all dieses Rauschen verursachte, war die Wachablösung bei der Late-Night-Show aller Late-Night-Shows. Stephen Colbert, der Ex-Partner von Jon Stewart, übernahm am Dienstagabend den Staffelstab von David Letterman, jenem Mann, der das Format und den Fernsehhumor über die vergangenen drei Jahrzehnte geprägt hatte wie kein anderer.

Kein leichtes Erbe also für Colbert, dessen Satire Sendung auf dem Spaß-Sender Comedy Central ein sehr spezielles, auf seine Persönlichkeit und seinen Humor zugeschnittenes Format, war. Die Bühne im legendären Ed Sullivan Theater an der 57th Street von Manhattan, wo die Letterman Show jeden Nachmittag aufgezeichnet wird, ist doch trotz Colberts Popularität um so vieles größer.

Ein Balanceakt für den Neuen

Für Colbert war es ein Balanceakt, einerseits waren die vertrauten Regeln des Genres zu beachten, die dem Late-Night-Talk in den traditionellen Netzwerken noch immer die stärksten Quoten bringen. Zum anderen musste der Mann, der in seiner eigenen Sendung bissig einen konservativen Nachrichtenmoderator parodierte, schauen, wie er dem Format seine persönliche Note verleiht.

Das Ergebnis, um es vorweg zu nehmen, war noch etwas unentschlossen, obwohl, wie Colbert selbst witzelte, er „neun Monate Zeit hatte um 45 Minuten Fernsehen zu produzieren.“ Der neue Late-Night-Talk mit Colbert mäanderte irgendwo zwischen dem Colbert Report und der Letterman Show hin und her.

Von Comedy Central und der Jon Stewart Schule mitgebracht hat Stephen Colbert den Meta-Humor, der mittlerweile zum Standard der Fernseh-Comedy geworden ist. So machte er sich über die Obsession der US-Medien mit Donald Trump lustig, die er mit einer unwiderstehlichen Sucht nach billigem Zuckergebäck verglich – freilich nicht ohne selbst auch ein wenig davon zu naschen.

Scherze über sich selbst

Auch über seine eigene Rolle, das große Medienthema während des Sommerlochs, witzelte Colbert. „Ich war früher ein narzisstischer konservativer Sprücheklopfer“, sagte er, „jetzt bin ich nur noch ein Narzisst.“ Damit thematisierte er die große Frage, welche die Medienbeobachter beschäftigt hatte – wie Colbert wohl agiert, wenn er die Rolle des konservativen Talkmasters fallen lässt, die ihm auf Comedy Central Schutz geboten hatte. „Die Suche nach dem echten Colbert hat begonnen“, sagte er. „Ich hoffe nur, dass ich ihn nicht auf Ashley Madison finde.“

Der vermeintliche authentische Colbert, so stellte sich heraus, war gar nicht so anders, als der „Colbert“ aus dem gleichnamigen Report. Insbesondere in den Prominenten-Interviews, dem Kern des von Letterman definierten Genres, blitzte er immer wieder auf.

Das Letterman-hafte, seichte Geplänkel, das war gleich zu spüren, ist nicht Colberts Ding. In seinem ersten Austausch mit George Clooney versuchte er sich daran – der Dialog fiel erwartbar flach aus. Das seichte herumwitzeln, das Letterman zu Meisterschaft perfektioniert hatte, ist nicht Colberts Stärke.

Ein neuer Ton

In seinem zweiten Interview mit Präsidentschaftskandidat Jeb Bush blitze jedoch der schlagfertige, scharfzüngige Colbert durch, der auf Comedy Central selbst um Mitternacht noch die Massen vor die Bildschirme gebracht hat. Er entlockte Bush einen schnippischen Kommentar zu seinem Bruder und stellte gnadenlos seine Rhetorik der Entpolarisierung des politischen Diskurses bloß.

Für das Late Night Format, wo gewöhnlich Entertainment-Größen über ihr letztes Wochenende scherzen um dann einen Film oder eine neue CD zu bewerben, war das ungewohnt schwerer Stoff. Aber es war auch der Vorbote eines möglichen neuen Tons auf dem Sendeplatz.

Somit könnte Colbert zu einem echten Alternativprogramm zu seinem Konkurrenten Jimmy Fallon werden, der beim Konkurrenzsender NBC Jay Lenos abgestandene Stand-Up Nummer durch ein frisches junge Revue-Format ersetzt hat. So zeichnet sich, wenn Colbert seine Stimme und seinen Tritt findet, eine neue Vielfalt im Late Night ab. Und das kann dem immer stärker ums Überleben ringenden klassischen Fernseh-Medium nur gut tun.