Nach bisher drei Verfilmungen von „Die Tribute von Panem“ kämpft Jennifer Lawrence nun ein letztes Mal gegen die Diktatur. Leider enthüllen viele Momente des Films, dass Lawrence mit der Figur der Katniss längst durch ist.

Stuttgart - Menschen brauchen Helden. Figuren mit klaren Werten, voll Mut, Durchsetzungskraft und Integrität, Vorbilder also, denen man vertrauen kann. Wem aber vertrauen die Helden, wenn ihre Werte und Kenntnisse nicht mehr ausreichen , die Welt eindeutig zu erklären, wenn sie nicht sicher sind, wie sie handeln sollen?

 

Diese recht erwachsene Frage erhob sich immer deutlicher in den bislang drei Verfilmungen der Jugendbuchreihe „Die Tribute von Panem“. Zunächst ging es ums persönliche Überleben der Heldin, dann ums Motivieren anderer zum Widerstand. Zuletzt stand die Frage im Raum, wie viel Opfer eine gute Sache fordern darf, bevor sie so gut nicht mehr ist.

Die Spiele der Diktatur

Die junge Heldin Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) lebt in einer bedrückenden Zukunftsgesellschaft. Nach dem Untergang des amerikanischen Imperiums hat sich auf seinem Boden eine Diktatur herausgebildet. Präsident Snow (Donald Sutherland) regelt alle Dinge, und wenn sich Menschen nicht regeln lassen wollen, vernichtet er ganze Landstriche. Kleine Schrecken, um das große Chaos zu verhindern, wie er meint.

Jährlich gibt es Arenaspiele um die aggressiven Spannungen aus der Gesellschaft zu nehmen – oder, so eine andere Lesart, um allen seine Macht über Leben und Tod zu demonstrieren. Ausgewählte Jugendliche treten in einer Kampfbahn voll mörderischer Todesfallen gegeneinander an, allgegenwärtige Kameras machen das Töte-oder-verrecke-Ringen zum ultimativen Reality-Show-Event. Katniss Everdeen wird die Siegerin solcher Spiele.

Einschüchterung der Neulinge

All das wird denen nicht erklärt, die sich nun „Die Tribute von Panem: Mockingjay, Teil 2“ anschaut. Der Titel ist nicht umsonst so charmelos umständlich, die Produzenten bieten wirklich die zweite Hälfte des letzten Teils einer Trilogie. Es gibt keine Einführung, keine Zusammenfassung, keine hilfreichen Rückblenden. So hat sich das eingebürgert bei mehrteiligen Großproduktionen. Der Neuling soll nicht an der Hand genommen, sondern eingeschüchtert werden. Alle anderen, wird ihm vermittelt, seien bestens vertraut mit der jeweiligen fiktionalen Welt, nur er habe sie verpennt. Ein Urteil dürfe er sich also nicht erlauben, er habe gefälligst schleunigst per DVD die vorigen Filme nachzusitzen.

Das größte Problem dieser Fortsetzungen ist aber nicht das mangelnde Orientierungsangebot für Neueinsteiger. Es ist ihr Anspruch, als Einzelfunktion eines größeren Erzählgetriebes auf die klassische Dramaturgie verzichten zu können. Der in bleichen, kühlen, die Erschöpfung von Katniss nach außen kehrenden Bildern erzählte „Mockingjay“ will Charaktere und Konflikte weder vorstellen noch entfalten, sondern nur noch mit Karacho an ihr Ende führen.

Skrupel wegen des großen Metzelns

Dabei gäbe es doch noch so viel zu erkunden. Katniss wurde nicht nur selbst zur Rebellin. Sie hat eine gut gerüstete Rebellenprovinz entdeckt, die einen von den Medien totgeschwiegenen Kampf gegen das Regime führt. Die Heldin der Arena-Show hat dabei das Patt beendet, das keine Seite gewinnen ließ.

Everdeen, von der Rebellenpropaganda clever genutzt, wurde zur Jeanne d‘Arc der Bewegung, lockte die Unterdrückten zum Aufstand. Das bringt nun die Herrschaft von Snow ins Wanken. Es fordert auch eine Unmenge Menschenleben. Rebellentruppen, Zivilisten, Regierungstreue werden hingemetzelt.

Noch ein Fallen-Parcours

Zu Beginn von „Mockingjay, Teil 2“ ist sich Katniss nicht mehr sicher, ob der Umsturz des Systems diesen Blutzoll wert ist. Sie traut auch der von Julianne Moore gespielten Rebellenführerin nicht mehr unbedingt. Doch den schlichten Ausweg aus dem moralischen Dilemma bietet hier die Kommandoaktion, Präsident Snow so schnell wie möglich mit einem kleinen Elitetrupp zu eliminieren. Der Einsatz wird zu einer Variante der Arenakämpfe, weil die Regierung die Stadtstraßen in einen Fallenparcours verwandelt hat.

Logistischer Aufwand und militärischer Ertrag der absurden Hinterhalte stehen in keinerlei Verhältnis zueinander. Aber diese Unlogik der Schauwerte wird übertrumpft von der Maskenhaftigkeit, die Jennifer Lawrence hier an den Tag legt. Mit ihrem wachsenden Starruhm haben die „Panem“-Filme die 1990 in Kentucky Geborene mehr und mehr als Ikone inszeniert. Doch wie im vorigen Teil gibt es wieder viele Nahaufnahmen, die enthüllen, dass Lawrence mit der Figur längst durch ist, dass sie nur noch eine Pflichtaufgabe absolviert.

Die gezähmte Frau

Dass nach dem Tod von Philip Seymour Hoffman eine wichtige Figur für Schlüsselszenen nicht mehr zur Verfügung stand, merkt man dem Film zwar an. Ärgerlicher ist aber, wie sparsam und letztlich desinteressiert er etablierte, interessante Nebenfiguren einsetzt, den von Stanley Tucci gespielten Starmoderator des Regierungsfernsehens etwa oder einen von Woody Harrelson gespielten Rebellen.

Auch dieser Makel aber verblasst vor den Schlussbildern, in denen die taffe Kämpferin in ein vormodernes Mutterschaftsidyll eingebunden wird. Dieses Schlussbild der wieder gezähmten Frau bedeutet die Rücknahme von vielem, was zuvor erzählt wurde, eine tiefe Verbeugung vor den neuen Ultrakonservativen in den USA.

Die Tribute von Panem: Mockingjay, Teil 2. USA 2015. Regie: Francis Lawrence. Mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Julianne Moore. 137 Minuten. Ab 12 Jahren.