Spirituelles Zentrum und musikalisches Zentrum spielen in Zukunft im Westen einen Doppelpass. Vor dem Umbau greift Kirchenmusiker Tobias Wittmann noch einmal groß in die Tasten.

Stuttgart - Klänge lassen die Seele strömen. Und damit ist für Tobias Wittmann, den Kirchenmusiker von St. Fidelis, völlig klar: Spiritualität und Musik gehören zusammen. Das sieht der katholische Stadtdekan Christian Hermes genauso. Deshalb wird in etwas über einem Jahr im Westen Doppelpass gespielt. Dann soll St. Fidelis das neue spirituelle Zentrum beheimaten und eines von drei musikalischen Zentren in der Stadt bleiben. Doch bis es soweit ist, wird man von St. Fidelis nicht mehr viel hören. Nach den Sommerferien rücken die Bauarbeiter an.

 

Allerdings verabschiedet sich Tobias Wittmann mit einem großen Wurf in die Pause. Er hat eine Reihe von drei Konzerten konzipiert, die interdisziplinäre Akzente setzen. Dieses Konzept setzt er seit 2012 erfolgreich um. Mal ist es die Erweiterung der Musik durch Licht, mal durch Dichtung oder Tanz.

„Ich versuche, den klassischen Kirchenmusikbegriff zu weiten, sodass es in die Stadtgesellschaft hineinwirkt. Ich will einen Erfahrungs- und Erlebnisraum schaffen“, sagt er vor seinem neusten Projekt. Es nennt sich „KlangRaum Elemente“ und beginnt am Samstag, 9. Juni, 19 Uhr, mit Improvisationen zu den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft. Nach der Vier-Elemente-Lehre, die auf die Philosophen der Antike zurückgeht, basiert alles Sein auf diesen vier Grundbausteinen des Lebens. Der hochdekorierte Organist David Franke wird zu den Elementen improvisieren. Der Clou dabei ist: Zehn Minuten vor Konzertbeginn können die Zuhörer Wünsche vorbringen, die der Virtuose dann umsetzt. „Man kann Begriffe, Bilder oder ein Thema einbringen“, erklärt Wittmann.

Orgelimprovisationen zum Film Deep Blue

Beim zweiten Konzert der Reihe am Samstag, 23. Juni, 19 Uhr, schickt Wittmann zusammen mit Angelika Luz (Vokal) und Organist Jürgen Essel die Zuhörer auf eine Reise in die Tiefe. „Der Film Deep Blue wird ohne Tonspur abgespielt. Wir improvisieren dann live zum Film“, sagt Wittmann. Ursprünglich sollte Willibald Bezler an der Orgel zu dem Dokumentarfilm der BBC über die Tiefen der Weltmeere improvisieren, doch der Kirchenmusiker ist kürzlich gestorben.

Im dritten und letzten Akt, am Samstag, 7. Juli, 19 Uhr, rückt die Sonne im Zentrum von St. Fidelis. „Ihr wollen wir uns mit allen Sinnen nähern“, sagt Wittmann, „wir hören ausgewählte thematische Texte sowie Orgelwerke und erkunden kulinarisch den Sonnenlauf von Ost nach West mit landestypischen Speisen verschiedenster Regionen der Erde.“ Für die 40 Plätze des kulinarisch- literarisch-musikalischen Menüs gibt es allerdings nur rund 20 Plätze zum Preis von je 25 Euro, die telefonisch unter 0711/90713636 zu bestellen sind.

„Nachdem dann der letzte Klang in St. Fidelis verhallt ist, herrscht erst mal Ruhe“, meint der Kirchenmusiker und kommt so unweigerlich auf die Zukunft zu sprechen. Denn da wird es stark um Stille gehen – einem der wichtigsten Elemente der Kontemplation. Diese Stille ist für Tobias Wittmann so etwas wie ein Brückenschlag zur Musik und deren Rolle im neuen spirituellen Zentrum: „Wir wollen dann Musik anbieten, die aus der Stille kommt und wieder in die Stille hineinführt.“ So sollen Klänge ihre ganze geistige Kraft entfalten können und zur inneren Mitte führen.

Um diese Seelenreisen musikalisch besser begleiten zu können, wird auch die Vleugels-Orgel aus dem Jahr 2005 erweitert. „Wir wollen dem Instrument im Hinblick auf ihren Einsatz im spirituellen Zentrum neue Klangwelten schenken“, erklärt Wittmann. So soll nach dem Umbau ein Röhrenglockenspiel in die Orgel eingebaut werden oder eine Marimba elektronisch integriert werden. „So etwas gibt es bisher nur in Kyoto oder Düsseldorf“, weiß der Kirchenmusiker, „damit lassen sich viele Sphärenklänge erzeugen, die sich am Rande der Töne bewegen.“

30 000 Euro Spende werden benötigt

Wie bei dem ganzen Projekt St. Fidelis kommt es auch auf weltliche Zwischentöne an. Damit die Orgel mit dem voluminösen Klang des Röhrenglockenspiels und der Marimba erweitert werden kann, muss die Gemeinde 30 000 Euro über Spenden aufbringen. Aber die Sache sei es Wert, so Tobias Wittmann: „Solche Klänge mit der Anmutung prachtvoller Carrillons entstehen sonst nur in den Türmen der großen Kathedralen.“