Lewis Hamilton krönt sich in der Türkei zum Formel-1-Weltmeister – auf dem Istanbul-Race-Park unter tückischen Bedingungen zeichnet sich der Mercedes-Pilot durch Leidenschaft, Beharrlichkeit, Geduld und fahrerischem Können aus.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Istanbul/Stuttgart - Es war eine Botschaft an die Kinder dieser Erde, die den Motorsport lieben, die die Fahrer vergöttern, die von einer Karriere träumen, von der Formel 1 und von einem WM-Titel. „Ich möchte all den Kids sagen: Träumt das Unmögliche. Gebt niemals auf, dann könnt ihr es schaffen“, sagte Lewis Hamilton, kurz nachdem er den Großen Preis der Türkei gewonnen hatte – und zum siebten Mal Champion der Formel 1 geworden war. Irgendwie erzählte der Brite mit diesen Worten von seinem Lebensweg: Als kleiner Junge hatte er sich gegen alle Widerstände nach vorn gekämpft bis in die Formel 1, und dort ist er mit 35 Jahren auf dem Olymp angekommen, indem er Motorsport-Geschichte geschrieben hat. Rekordweltmeister, sieben Titel, auf Augenhöhe mit Legende Michael Schumacher.

 

Hamilton verwaltet seinen Vorsprung nicht

Lewis Hamilton hat auf der Piste des Istanbul-Racing-Parks nicht als nüchterner Verwalter seinen siebten Triumph in den Büchern notiert; er hätte auf Ankommen fahren können, er hätte lediglich vor Teamkollege Valtteri Bottas ins Ziel kommen müssen, was an diesem Sonntag so einfach war, wie einen Boxenstopp innerhalb von zehn Sekunden hinzulegen. Der Finne lieferte ein völlig verkorkstes Rennen und wurde trauriger 14. – sein Mercedes war nach einem Dreher in Runde eins beschädigt. Hamilton trat in der Türkei im Stile eines großen Champions auf. Er raste mit der Leidenschaft eines echten Racers zu einem souveränen Sieg unter verzwickten Bedingungen und zu Titel Nummer sieben. Und er bedankte sich bei seinem Team, nachdem er sich die Tränen der Rührung vom Gesicht gewischt hatte. „Vielen Dank an alle im Rennstall und zu Hause im Werk“, sagte er, „ich bin stolz darauf, dass ihr all die Jahre so gut mit mir gearbeitet habt.“

Dieser Sieg am Bosporus war eine Blaupause auf die Worte des Weltmeisters an die Jugend, niemals aufzugeben. Genau das hat der Mercedes-Pilot an diesem Wochenende vorgelebt. Als die Reifen der Silberpfeile am Samstag im Qualifying wegen der niedrigen Temperaturen partout keine Bodenhaftung liefern wollten und Hamilton nur auf Platz sechs landete, standen einige Fragezeichen auf seiner Stirn – doch er versicherte für den Grand Prix: „Ich werde trotzdem alles geben. Ich will das hinkriegen.“ Und als er im Großen Preis hinter Sebastian Vettel feststeckte wie ein Sportwagenfahrer hinter einem Brummi auf der Landstraße bei Gegenverkehr, schaltete er nicht in den Verwaltungsgang. „Ich fühlte, wie mir das Rennen zwischen den Fingern zerrinnt“, erzählte er, „dann entwickelte sich alles zum Positiven.“ Vettel war zur Box abgebogen, die Strecke war frei, die Reifen spielten wunderbar mit, und bald stand hinter seinem Namen „P1“. „Dann hatte ich alles unter Kontrolle“, sagte der Dauer-Weltmeister.

Wolff verrät die Stärken von Hamilton

Die Kombination Mercedes/Hamilton ist eine schwer schlagbare, was mit dem Reifeprozess des Weltmeisters und seiner Erfahrung zusammenhängt. „Seine Fähigkeit, sich selbst stets zu hinterfragen, macht Lewis so stark. Er gibt sich nie zufrieden“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der es sich nicht nehmen ließ, in diesem historischen Moment als Vertreter des siegreichen Rennstalles auf dem Podium zu stehen. Die Fähigkeit Hamiltons, die gesamte Mannschaft zu motivieren und ihr die nötige Wertschätzung entgegenzubringen, ist der zweite Trumpf dieser Liaison. Und der dritte? Niemals aufgeben. „Ich erinnere mich, als Michael Schumacher seine Titel gewonnen hat“, sagte Hamilton: „Ich habe davon geträumt, als ich jung war. Das übertrifft meine Träume.“ Selbst ein achter Titel scheint nicht ausgeschlossen.