Zuletzt war die Arztpraxis in Lichtenwald nur noch für wenige Stunden pro Woche geöffnet. Inzwischen ist sie geschlossen. Das sind die Gründe.

Region: Corinna Meinke (com)

Die langjährige Hausarztpraxis in Lichtenwald ist geschlossen worden. Damit ist unklar, wie es mit der ärztlichen Versorgung in der Schurwaldgemeinde weitergehen kann. Während der Bürgermeister erklärt, ihm sei die hausärztliche Versorgung wichtig und die kurzfristig erfolgte Schließung der Praxis habe ihn sehr getroffen, gibt es auch Kritik am Vorgehen der Verwaltung.

 

„Leider konnten keine neuen barrierefreien Räumlichkeiten in Lichtenwald gefunden werden. Somit ziehen wir ab dem 1. Oktober 2025 in die barrierefreien und behindertengerechten Räumlichkeiten in der Arnold-Galerie Schorndorf.“ Mit dieser Nachricht informiert der Mediziner Jan Herbst seine Patientinnen und Patienten auf der Homepage über seinen Wegzug.

Die Praxis wurde nur noch als Zweigstelle auf dem Schurwald geführt

Die Praxis befand sich bislang in der Thomashardter Straße 37 im Lichtenwalder Ortsteil Hegenlohe und war bereits geraume Zeit nur noch als Außenstelle der besagten Schorndorfer Praxis mit lediglich neun Stunden die Woche betrieben worden.

Eine Arztpraxis sollte barrierefrei sein

„Wir haben viel versucht und das schon seit zwei Jahren, aber leider nicht erfolgreich“, kommentiert Jan Herbst die Bemühungen, da „Barrierefreiheit elementar für die Patienten einer Arztpraxis ist. In Lichtenwald konnten bereits viele Patienten die Praxis nicht mehr erreichen und haben schon vor Schließung nach Schorndorf gewechselt.“

Der Weg zur Arztpraxis ist für manche Menschen beschwerlich. Foto: picture alliance/dpa

Die Bemühungen, die Lichtenwalder Praxis seitens der Gemeinde barrierefrei zu gestalten wie beispielsweise mit einem Außenaufzug, sei aus Kostengründen von der Gemeinde nicht weiter verfolgt worden und der Vermieter habe auch kein Interesse gezeigt, dies finanziell mit zu tragen.

Das Angebot der Gemeinde, einen Treppenlift einzubauen, habe seinerseits Mediziner Herbst als Notlösung bezeichnet, kontert der Bürgermeister Ferdinand Rentschler.

Eine neue Praxis zu errichten, war für den Mediziner nicht möglich

Und die Suche nach neuen und barrierefreien Räumen verlief erfolglos. Der Mediziner schildert seine Sicht der Lage so: „Eine komplett neue Praxis alleine zu errichten ist für eine Außenstelle für uns nicht machbar gewesen. In gestellte Räume der Gemeinde wären wir eingezogen und hätten die Praxis weitergeführt, das wusste Herr Rentschler seit knapp zwei Jahren. Hier kam jedoch wenig Unterstützung, so dass die jetzige Entscheidung gefällt wurde.“

Das Pflegeheim Forsthausareal ist noch nicht bezugsfertig

Der Bürgermeister hält dagegen, dass „ein Bauherr ausfindig gemacht werden konnte, der eine Wohnung im Bau hatte, die größentechnisch und von den Mietkosten gepasst hätte und barrierefrei war. Hierzu gab es dann auch eine Besprechung in meinen Diensträumen zwischen dem Bauherrn, dessen Architekt und Herrn Dr. Herbst.“

Leider sei es final zu keinem Vertragsschluss zwischen potenziellem Mieter und potenziellem Vermieter gekommen. Und die Fertigstellung anderer geeigneter Objekte wie beispielsweise im Pflegeheim und der Wohnanlage Forsthausareal sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen und diese Räume seien auch bis heute nicht bezugsfertig.

Die Praxisräume sollen landesweit beworben werden

Der Mediziner glaubt, „dass der Gemeinderat und die hier Vorsitzende ganz andere Bemühungen in die Wege geleitet hätten, wenn Sie Bescheid gewusst hätten.“ Sein primärer Kontakt sei jedoch der Bürgermeister gewesen. Ähnlich sieht das auch Constanze Pfaff von der Liste LBL, die nun beantragt hat, das Thema „Hausärztliche Versorgung in Lichtenwald“ auf die Tagesordnung der Sitzung des Gemeinderats am 14. Oktober zu setzen.

Die Raumfrage sei im Gemeinderat nur andiskutiert worden und der Bürgermeister habe gesagt, das laufe schon, erklärt die vom Wegzug der Praxis überraschte Kommunalpolitikerin. „Die Dramatik der Lage war uns Räten nicht bewusst“, ergänzt Pfaff, die sich fragt: „Wie kann man einen Hausarzt gehen lassen?“ Sie habe sich inzwischen bei Mediziner Jan Herbst entschuldigt und hofft, dass das Gremium doch noch eine Lösung findet.

Bürgermeister Rentschler erklärt dagegen, er habe über die Bemühungen und das Ergebnis rund um die Suche nach einer barrierefreien Alternative „den Gemeinderat bereits im Januar 2024 in einer nichtöffentlichen Sitzung umfänglich informiert“.

Die Praxisräume sollen nun in der Praxisbörse der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom Eigentümer, dem früher dort tätigen Allgemeinmediziner Werner Schips, zur Anmietung ausgeschrieben werden, kündigte der Bürgermeister an.

Im Kreis Esslingen gibt es eine neue Genossenschaft als Träger eines MVZ

Unabhängig von der Frage nach geeigneten Praxisräumen habe Lichtenwald gemeinsam mit den Gemeinden Reichenbach und Hochdorf und Lichtenwald zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) auf Genossenschaftsbasis gegründet, bei der sich Ärzte beteiligen und ihre Praxen und Personal einbringen.

Der operative Betrieb soll am 1. Juli 2026 starten. „Über das MVZ wurde mit mir gar nicht gesprochen. Ich hatte über die Zeitung von dieser Planung erfahren“, erklärte dazu Jan Herbst. Er habe das MVZ als Organisationsform zur Entbürokratisierung verstanden, zumal „neue Räume oder Erweiterungen der bestehenden Praxen in Reichenbach und Hochdorf“ zunächst nicht geplant seien, da ärztliche Kollegen, welche sich anstellen lassen, seines Wissens nach fehlten.

Da aber die Außenstelle Lichtenwald zur Hauptpraxis Schorndorf gehört, „wäre eine Beteiligung an dem MVZ für uns organisatorisch eher schwierig gewesen“.

Genossenschaftlich statt renditegetrieben

Gründung
Die Gemeinden Hochdorf, Lichtenwald und Reichenbach wollen bis Frühjahr 2026 ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) aufbauen. Dazu wurde eine Genossenschaft gegründet. Im MVZ sollen angestellte Ärzte genauso arbeiten wie so genannte Vertragsärzte, die von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur Behandlung von gesetzlich versicherten Menschen eine Zulassung haben. Das MVZ zielt auf Synergien durch gemeinsame Abrechnung und andere Verwaltungsaufgaben durch eine Zentrale.

Beteiligte
An der nicht renditeorientierten Genossenschaft, deren Grundkapital der Landkreis mit 50 000 Euro bezuschussen will, beteiligen sich die Mediziner Ulrich Bayer und Claudia Riethmüller aus Reichenbach sowie Stefan Greiner aus Hochdorf. Die Geschäftsanteile für die Gemeinden betragen jeweils 5000 Euro und für die Ärzte je 1000 Euro.