Mit seiner Liebe zum Bargeld ist Raman nicht allein. In einer Mitte März veröffentlichten Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov geben 69 Prozent der hierzulande rund 2000 Befragten an, Bargeld besonders häufig zu verwenden. Das passt zum oft zitierten Spruch „Nur Bares ist Wahres“, der in Deutschland wie ein Mantra wiederholt wird. Raman erklärt, was der Satz für ihn bedeutet: „Für viele Menschen, mich eingeschlossen, ist die Möglichkeit, mit Bargeld zu zahlen, nicht nur eine Frage der Bequemlichkeit, sondern auch eine des persönlichen Datenschutzes und der finanziellen Selbstbestimmung.“
Lidl versichert: Bargeld wird nicht abgeschafft
Wer mit der Karte zahle, hinterlasse Daten, die Einzelhändler, Banken und, ja, am Ende auch der Staat für wer weiß was nutzen können. „Die schrittweise Verdrängung von Bargeld führt langfristig zu einer zunehmenden Überwachung des Kaufverhaltens, was von vielen Menschen als Eingriff in ihre persönlichen Rechte empfunden wird“, glaubt Raman. Doch um Kosten zu sparen und weil Barzahlungen leicht rückläufig seien, verzichten Händler an SB-Kassen immer häufiger darauf, Barzahlungen anzubieten, wie Frank Horst vom Kölner Handelsforschungsinstituts EHI Retail Institut sagt. Als die SB-Kassen eingeführt wurden, war die Möglichkeit der Barzahlung an den Terminals noch weit verbreitet. 2023 boten laut einer EHI-Studie hingegen nur noch rund 45 Prozent der Lebensmittel- und Baumärkte SB-Kassen mit Barzahlung an.
Eine Lidl-Sprecherin versichert: „Grundsätzlich werden Selbstbedienungskassen herkömmliche Kassen nicht ersetzen.“ In Filialen mit SB-Kassen stünden immer auch Kassen mit Personal zur Verfügung, an denen Barzahlung möglich sei. „Wir überlassen unseren Kunden die Wahl, welches Kassensystem sie nutzen möchten“, sagt sie. Nicht nur die Kundschaft profitiere, auch das Personal könne Kapazitäten so umverteilen und die Kunden näher beraten. „Durch die Selbstbedienungskasse ändert sich die Filialbesetzung nicht“, betont die Sprecherin des Discounters.
Lidl-Kunde: „Verbraucher werden zu Kartenzahlung gedrängt“
In der betroffenen Bad Cannstatter Lidl-Filiale in der Wildunger Straße stehen den Kunden vier herkömmliche und acht Selbstbedienungskassen zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es eine weitere Kasse im Selbstbedienungsbereich, die in Stoßzeiten von einem Kassierer bedient werden kann, der Bargeld entgegen nimmt. Discounter-Kunde Raman sieht darin allerdings nur eine Notlösung: „Dies zeigt, dass Lidl durchaus erkennt, dass die Nachfrage nach Bargeldzahlung weiterhin hoch ist – aber anstatt eine nachhaltige Lösung mit ausreichend besetzten Kassen anzubieten, wird versucht, das Problem durch improvisierte Maßnahmen abzufedern.“
Besonders problematisch sei die Lage in den Mittagsstunden, wenn viele Angestellte aus den umliegenden Unternehmen ihre Einkäufe tätigen. „Die wenigen geöffneten Kassen für Bargeld führen regelmäßig zu langen Warteschlangen, während die SB-Kassen, die nur Kartenzahlungen ermöglichen, kaum genutzt werden“, beobachtet Raman. „Dies zeigt deutlich, dass eine große Anzahl der Kunden weiterhin Bargeld bevorzugt.“ Dennoch werde ihnen durch die Reduzierung der Kassen mit Personal faktisch die Möglichkeit genommen, einfach und ohne lange Wartezeiten mit Bargeld zu zahlen. „Diese Entwicklung hat zur Folge, dass Kunden, die mit Bargeld bezahlen möchten, bewusst benachteiligt werden“, beklagt Raman.
Dürfen Händler wie Lidl Bargeldzahlung ablehnen?
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein Händler die Bezahlung mit Scheinen und Münzen überhaupt ablehnen darf? In Deutschland gilt die sogenannte Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass ein Händler selbst festlegen darf, ob er nur Kartenzahlung, nur Barzahlung oder eben beides akzeptiert. „Nach unserer Ansicht ist Bargeld ein gesetzliches Zahlungsmittel und sollte angenommen werden“, sagt Heike Silber von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
„Im Lebensmittelhandel gehen Verbraucher derzeit davon aus, dass sowohl mit Karte als auch bar bezahlt werden kann, deshalb sollte in diesen Geschäften beides möglich sein“, betont die Verbraucherschützerin. Der Kölner Handelsforscher Frank Horst teilt diese Auffassung: Wenn an Selbstscannerkassen nur mit Karte bezahlt werden könne, dann müsse es die die Möglichkeit geben, zumindest an einer Bedienkasse bar zu bezahlen.