Er redet schlecht über seine Ex? Sie spielt gern Spielchen? „Red Flags“ werden Verhaltensweisen genannt, die auf toxische Beziehung hindeuten können. Welche neun Warnzeichen wir auf keinen Fall übersehen sollten. Eine Anleitung.
Hollywood-Filme haben unser Bild von der wahren, echten großen Liebe etwas versaut. Sie vermitteln uns, dass wir erst durch ein riesengroßes Drama gehen müssen, durch eine Achterbahn der Gefühle, bis wir mit dem anderen endlich zusammenfinden und auf immer im gemeinsam im Glück schwelgen. Viele glauben, je größer das Drama, desto größer ist die Liebe.
Dabei ist echte, erwachsene Liebe ziemlich langweilig. Weil wir uns aber oft falsche Illusionen darüber machen, wie eine Beziehung anzufangen hat, übersehen wir oft Warnsignale, wie sie eben nicht anfangen sollte. Denn zufriedene, gesunde Beziehungen fangen eher leise an – ohne Drama.
Viele glauben tatsächlich auch, Spielchen zu spielen, gehört eben am Anfang dazu – was nicht stimmt. „Ich-melde-mich-ich-melde-mich-nicht“-Spielchen deuten eher auf ein unsicheres Bindungsverhalten hin. Sicher gebundene Menschen brauchen Spielchen nicht, sie fühlen sich in engen Beziehungen wohl und haben Vertrauen. Unsicher-ängstlich gebundene Menschen wiederum klammern sich stark an den Partner und lassen sich schon von Beginn an viel gefallen. Sie ignorieren ihre eigenen Grenzen. Gerade dieser Gruppe passiert es beim Dating oft, dass sie deutliche Warnzeichen übersehen oder ignorieren. Während in ihrem Freundeskreis schon sämtliche Alarmglocken angehen, glauben sie selbst noch an das große Glück – das sicher bald kommt.
Im Internet und in der Paarberatung hat sich für diese deutlichen Warnzeichen, die es beim Dating gibt, der Begriff „Red Flags“ etabliert. Diese Rote Fahnen sind sogenannte „No Go’s“ beim Dating, weil sie schon auf eine kommende toxische oder dysfunktionale Beziehung hindeuten – also eine Beziehung, die nicht gesund ist und wohl auch nicht glücklich wird.
Die Partnervermittlung Parship hat in diesem Jahr 10.000 Userinnen und User zu ihren Red Flags befragt. Am häufigsten störte die Befragten, wenn der oder die Zukünftige eine negative Einstellung zum Leben hatte, in der vergangenen Beziehung untreu oder noch nicht über sie hinweg war.
Nun ist das auch immer von Person zu Person verschieden, was der eine noch nicht schlimm findet, ist für den anderen schon untragbar. „Red Flags kann man als individuelle Trigger bezeichnen, die sich auf früher erlebte oder miterlebte Verhaltensweisen beziehen“, sagt der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann. „Jede Beziehungserfahrung kann also auch für neue Red Flags sorgen.“
Mit der steigenden Anzahl an Beziehungen, die wir heute führen, würden die Schutzstrategien häufig zunehmen, weil wir uns selbst vor weiteren Verletzungen schützen wollen. So erweitert sich leider unsere persönliche Liste an Red Flags mit jeder Beziehung – weshalb es hilfreich ist, diese Verletzungen aufzuarbeiten und in Zukunft genauer hinzuschauen und sich zu fragen: Was will ich eigentlich? Und was tut mir wirklich gut?
Wer immer wieder in unglücklichen Beziehungen landet, halbgare Verhältnisse führt und sich vor allem am Ende immer wieder verlassen fühlt („Mich will niemand“/ „Ich habe immer Pech in der Liebe“/ „Alle meine Expartner:innen sind verrückt“) tut gut daran, sein Beziehungsverhalten zu hinterfragen – und seine eigenen Standards zu definieren. Denn, je mehr wir unseren Wert kennen, desto weniger werden wir am Ende enttäuscht.
Dazu kann man sich fragen: Was sind meine Grenzen? Und was meine Werte? Und was meine Standards in Beziehungen? An diesen festzuhalten, hilft uns immens, nicht von einem Unglück ins nächste zu schlittern. Wenn wir selbst zum Beispiel Treue für unerlässlich halten, werden wir mit einem notorischen Fremdgänger niemals glücklich.
Paarberater:innen definieren dennoch einige allgemeingültige Warnzeichen, die wir auf keinen Fall beim Dating übersehen und folglich jemand auch nicht durchgehen lassen sollten. „Trotz aller Verliebtheit, hilft es, auf bestimmte Dinge zu achten“, sagt die psychologische Beraterin Stefanie Scharaweger aus Wien, die gemeinsam mit Lila Sauerschnig den Podcast „Pudelnackert“ macht. Sie arbeiten gemeinsam in Wien als Liebes- und Beziehungs-Coaches für Single-Frauen („Love Sisters“).
Red Flag 1: Du fühlst dich ständig unsicher und weißt nicht, woran du bist.
Ist es eine Beziehung? Wird eine daraus? Was empfindet der oder die andere für dich? Du weißt es nach einigen Wochen immer noch nicht? „Wenn jemand nicht das Gefühl vermittelt, dass ihr in die gleiche Richtung schaut und zeigt, was er für dich empfindet, passt es einfach nicht“, sagt Lila Sauerschnig.
Oft zeige sich das auch schon in einer mangelnden Kommunikationsfähigkeit, ergänzt ihre Kollegin Stefanie Scharaweger. „Er ist sehr lasch, meldet sich wenig oder nur kurzangebunden, hat er vermutlich einfach kein Interesse, aber gesteht es sich und uns nicht ein.“
„Bröselverteiler“ nennen die beiden Psychologischen Beraterinnen in ihrem Podcast solche Menschen. Sie werfen ihrem Gegenüber gelegentlich ein paar Brösel hin, um denjenigen bei Stange zu halten – aber ein echtes Interesse haben sie nicht. Vermutlich wird dieses Interesse auch nicht mehr kommen. Warten lohnt sich also nicht. „Viele warten dann aber trotzdem auf jedes Zeichen von der Person und antworten dann auch noch immer wieder – und dann kommt wieder nichts“, sagt Lila Sauerschnig. Da sei es wichtig, seinen eigenen Wert zu kennen. „Ein Mann, der Interesse hat, der kommt und zeigt es dir“, ergänzt Stefanie Scharaweger.
Andernfalls bekommen wir auf Dauer das Gefühl, nicht gut genug zu sein, versuchen uns vielleicht sogar noch mehr anzustrengen, um dem Gegenüber zu zeigen, wie toll, wie cool und wie liebenswert wir doch sind, weil er es vielleicht einfach noch gar nicht bemerkt hat. „Geh einen Schritt zurück, da ist schon Alarm drin“, sagt Stefanie Scharaweger. Denn: „Wir müssen uns für niemanden erst qualifizieren.“
Red Flag 2: Mein Gegenüber spricht nur von sich
Er erzählt beim ersten Treffen den ganzen Abend nur von sich, was er alles Tolles gemacht hat und wie cool er allgemein ist? Nach einem ersten Date kann man das vielleicht noch auf eine gewisse Unsicherheit zurückführen. Redet jemand aber ständig nur von sich und zeigt kein Interesse, was eigentlich sein Gegenüber so macht und wie es demjenigen so geht, haben wir es mit jemandem zu tun, der wenig Zugang zu anderen hat und sich vermutlich emotional auch nicht öffnen kann. Will man mit so jemandem eine Beziehung führen?
Red Flag 3: Mein Gegenüber spricht schlecht über frühere Partner:innen
Die Exfreundin war verrückt, der Ex-Freund ein Riesenidiot – im ersten Moment gibt uns das kurz die Hoffnung, dass Vergangenes tatsächlich vergangen ist. Aber: Wer ständig negativ über vergangene Beziehungen oder Verhältnisse redet, hat sie zum einen vermutlich noch nicht abgehakt und zum anderen wird derjenige das dann auch immer wieder tun. Vorsicht also vor allem bei denjenigen, die an allen ihren Expartner:innen kein gutes Haar lassen.
Wir haben immer 100 Prozent Anteil an einer Beziehung – schiebt jemand die Schuld immer nur auf den anderen, kann er keine Verantwortung übernehmen. Frühere Beziehungen sagen sehr viel über das Bindungsverhalten eines Menschen aus – wer also immer eine schlechte Wahl getroffen zu haben scheint, ist auch mit sich selbst nicht im Reinen. Denn: Wir suchen unsere Partner:innen immer selbst aus. Wer also im Nachhinein alle schlecht macht, deutet damit auch ziemlich stark an, dass er offensichtlich keine gute Wahl treffen kann. Und wollen wir eine schlechte Wahl sein?
Red Flag 4: Mein Gegenüber war in vergangenen Beziehungen untreu und schaut ständig anderen hinterher
Der Berliner Paartherapeut Eric Hegmann sagt, für die meisten Menschen sei Untreue die häufigste Red Flag. Tatsächlich müssen wir uns auch bewusst machen, dass eine Person, die zur Untreue neigt, dies vermutlich nicht bei uns ablegen wird. In der Verliebtheitsphase machen wir uns oft arge Illusionen darüber, dass wir jemand ändern können. Besonders Frauen neigen zu dem hehren Wunschtraum, dass sie nun die einzige und erste sind, die ihn auf den rechten Weg bringen. Das ist leider ein Irrtum. Wir ändern eine Person nicht – und Therapeut:in müssen wir für jemand anderen auch nicht sein. Das heißt: Wenn jemand mit sich selbst hadert, weil er immer untreu war, muss er daran arbeiten – nicht der/die Partner:in.
Hegmann wiederum betont aber auch, dass es auf die Perspektive ankomme. Denn, wer selbst schon einmal fremdgegangen ist, sei in dem Punkt vielleicht nicht so streng und sehe über dieses Alarmsignal hinweg.
Auch wenn dein Gegenüber ständig anderen Frauen oder Männer hinterherschaut, mit allem und jedem flirtet, wird er das in Zukunft nicht ablegen. „Das geht definitiv nicht, nein“, sagt auch Stefanie Scharaweger.
Red Flag 5: Mein Gegenüber ist respektlos, herablassend und macht sich über mich lustig
Manche finden es witzig, über die Figur, die Kleidung oder die Meinung ihres Gegenübers Witze zu machen – tatsächlich ist dies schlicht herablassend, vor allem, wenn man sich gerade erst kennengelernt hat. Er oder sie behandelt deine Ansichten herablassend oder versucht dir die Welt zu erklären? Viele würden dies dann im Nachhinein als Scherz abtun oder einen selbst als empfindlich, sensibel oder anstrengend hinstellen. „Ein guter Mann macht solche Scherze nicht“, sagt Lila Sauerschnig. Und das heißt konkret: „Dann ist er es einfach nicht“, ergänzt sie.
Ein sicheres Zeichen, ob jemand gute Umgangsformen hat, zeigt sich auch darin, wie er eben mit anderen umgeht, die er oder sie gerade nicht beeindrucken möchte. Wie behandelt mein Gegenüber die den Kellner oder den Taxifahrer?
Red Flag 6: Mein Gegenüber überstürzt alles
Er macht uns tolle Komplimente, möchte nach drei Treffen schon, dass wir bei ihm einziehen und wenn wir krank sind, steht er mit selbstgekochter Hühnersuppe vor der Tür? Das klingt im ersten Moment verlockend – aber nur, wenn es auch unser eigenes Tempo ist. „Der richtige akzeptiert dein Tempo“, sagt Lila Sauerschnig. Wenn das Gegenüber einen immer wieder überrennt und sehr früh mit Gefühlsbekundungen überflutet, wird uns das recht schnell zu viel – und das ist auch völlig normal.
Eine gute, gesunde Beziehung muss wachsen. Durch Schnelligkeit können wir nicht einfach ein paar wichtige Entwicklungsschritte überspringen. Oft zeigt dies nur, dass der andere sehr dringend auf der Suche ist – und etwas bedürftig. „Wenn jemand unsere Grenzen nicht respektiert, schlägt unser Bauchgefühl Alarm“, sagt Lila Sauerschnig. „Hör darauf!“
Red Flag 7: Mein Gegenüber ist schon in einer anderen Beziehung
Mein:e Datingpartner:in ist verheiratet, hat eine:n Partner:in oder trifft auch noch sieben andere, dann ist sie oder er vermutlich ebenfalls nicht der/die Richtige. Natürlich kann es mal vorkommen, dass wir jemanden kennenlernen, der noch in einer Beziehung steckt und wir uns trotzdem ineinander verlieben. „Die Ausnahme der Ausnahme gibt es aber eben selten“, sagt Lila Sauerschnig. „Er oder sie muss frei sein“, ergänzt Stefanie Scharaweger. „Sonst bleiben wir unter Umständen monatelang die Affäre.“
Heißt also, wenn wir uns in jemanden verlieben, der noch gebunden ist, heißt es erst einmal abwarten, ob derjenige wirklich zu einer Trennung bereit ist – und dann können wir immer noch wieder anknüpfen. Ziehen wir uns zurück und derjenige trennt sich nicht, hatte er dies wohl auch nie vor. Oder: „Schnell die Reißleine ziehen und sich jemand anderes suchen, der frei ist“, sagt Scharaweger.
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Und auch direkt nach einem Beziehungsaus ist Vorsicht geboten, denn man landet sonst schnell in der Position des Lückenbüßers. „Unser Gegenüber muss erst mal sein Leben regeln und dies im Griff haben – vorher geht gar nichts“, betont Stefanie Scharaweger. Denn, und das wäre schon fast wieder eine eigene Red Flag, Menschen die eine Beziehung mit der nächsten ablösen, also Serientäter:innen sind, können in erster Linie nicht mit sich alleine sein. Im Zweifelsfall erfüllt man also nur eine Funktion im Leben des anderen, um einen selbst geht es dabei eher weniger.
Wer sich immer nur in bereits vergebende Menschen verliebt oder welche, die sich nie 100-prozentig für uns entscheiden, sollte sich auch mit seinen eigenen Bindungsmustern auseinandersetzen. Bin ich selbst wirklich bereit für eine Beziehung? Eventuell haben wir dann oft alte Wunden noch nicht verarbeitet oder leiden unter Angst vor echter Nähe – dann nämlich suchen wir uns oft ein Gegenüber, das gar nicht bereit für uns ist – und sorgen unbewusst dafür, dass uns tatsächlich auch wirklich ja niemand zu nahekommt.
Red Flag 8: Dein Gegenüber ist krankhaft eifersüchtig
Bei dem Thema muss man natürlich differenzieren. Eine gewisse Eifersucht ist schon wichtig, damit die Beziehung lebendig bleibt. Wer seinem Gegenüber komplett vermittelt, er ist egal, kann eine Beziehung auch kaputt machen. Aber: „Sehr besitzergreifende Menschen sehe ich eher kritisch“, sagt die Münchner Psychologin und Hypnotherapeutin Stella Schultner. Dies betreffe aber vor allem Menschen, die grundsätzlich eifersüchtig sind und zwar bei jedem:r Partner:in. Dann habe dies nichts mit dem Verhalten des Partners oder der Partnerin zu tun, sondern schlicht mit eigenen Ängsten. „Der Partner:in ist damit ja auch austauschbar“, sagt Schultner.
Wer also nicht normal mit seinem Partner:in eine Straße entlanglaufen könne, ohne demjenigen zu unterstellen, er oder sie schaue anderen hinterher, sei „extrem toxisch“. Am Ende geht es also darum: Gibt der Partner oder die Partnerin Grund für die Eifersucht? Fühle ich mich in der Beziehung nicht sicher, weil ich unsicher bin oder weil er sich nicht wirklich auf die Bindung einlässt? Betrügt er tatsächlich oder steckt die Angst nur in meinem Kopf, weil es in vorherigen Beziehungen schon vorgekommen ist.
Red Flag 9: Mein Gegenüber verhält sich sehr narzisstisch
Der andere versucht einen ständig zu kontrollieren, ist nicht ehrlich oder versucht dich zu isolieren? Das sind deutliche Anzeichen, dass wir es mit einem Menschen zu tun haben, der starke narzisstische Tendenzen hat. Narzissten wollen die volle Kontrolle über ihren Partner:in haben und alles bestimmen. Das sind oft keine guten Voraussetzungen für eine gesunde Beziehung, weil der nicht-narzisstische Part immer zurückstecken muss und sich an den anderen anpassen muss.
Narzisstische Verhaltensweisen können wir laut dem Psychologieprofessor Reinhard Haller anhand der vier E’s abmachen: Extremer Egozentrik, ein großes Maß an Empfindlichkeit, Mangel an Einfühlungsfähigkeit und letztlich die Entwertung. Die Betonung liegt dabei immer auf der übertriebenen Verhaltensweise, denn wir alle sind ein Stück weit narzisstisch, das brauchen wir auch, um gut durchs Leben zu kommen.
Oft erkennen wir Narzissten nicht sofort. Denn gerade der verdeckte Narzissmus äußert sich laut Stella Schultner oft eher in Depressivität, Bedürftigkeit oder in einer permanenten Opferhaltung. Solche Menschen sind eher zurückhaltend, gleichzeitig aber „nicht weniger arrogant, überheblich und rechthaberisch“. „Auch sie glauben über anderen Menschen zu stehen“, sagt Schultner. Man erkenne sie häufig an ihrer chronischen Unzufriedenheit und daran, dass sie ständig andere kritisierten, wütend oder frustriert seien.
Schultner sagt, sie werde in ihren Coachings sehr, sehr oft gefragt, ob der Partner:in ein:e Narzisst:in sei oder an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leide. Allerdings, so gibt Schultner zu bedenken, gehe es gar nicht um diese Frage oder um eine Diagnose oder ein Label. „Man muss sich ehrlich fragen, warum ich in einer Beziehung bleibe, in der man sich ständig streite, belogen oder betrogen werde, gemeine Worte fallen oder der andere einen respektlose behandelt“, sagt Schultner. Denn dann sei die Beziehung schlicht nicht gut. Und in so einer Beziehung sollte man nicht bleiben.
