Anna Frahm hortet im weitgereisten Gepäck des Großonkels ihre Vergangenheit und in gewisser Weise auch ihre Zukunft.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Die Rettung kam äußerst knapp. Anna Frahm erwischte ihre Oma Hedwig, wie sie im Keller auf dem Überseekoffer stand und mit der Axt gerade ausholen wollte. Das alte Ding sollte endlich weg. Damals war Anna Frahm zwölf, und das schwarze Ungetüm hatte schon immer eine besondere Anziehungskraft auf sie ausgeübt. Also hinderte sie die Oma daran, Kleinholz aus dem stattlichen Stück zu machen, und sorgte dafür, dass er in ihr Zimmer kam. „Meine Eltern waren alles andere als begeistert, dass der modrig riechende Koffer jetzt bei mir stand“, erzählt sie.

 

Wünsche gehen in Erfüllung

Aber dort wurde aus dem lederbezogenen Gepäckstück genau das, was die junge Besitzerin immer in ihn hineingeheimnisst hatte: Er mutierte zur Schatzkiste. Das ist er bis heute. „Da ist mein Leben drin – und meine Zukunft“, sagt sie. Briefe, Fotos und kleine Geschenke lagern in ihm, und immer an Neujahr legt sie einen Brief mit ihrem Wunsch für das kommende Jahr dazu. „Meistens geht er in Erfüllung“, freut sie sich. Jener aus dem Jahr 2016 ging besonders lebhaft in Erfüllung, heißt Skipper und ist ein junger Terrier, der jetzt als Produkttester in ihrem Geschäft für Haustierbedarf tätig ist.

Einmal USA und zurück

An die Zeit, als der Koffer noch als Reisegepäck genutzt wurde, erinnern Aufkleber der Hamburg-Transatlantik-Linie und die Initialen R. K. – Robert Kosik, er war Anna Frahms Großonkel. 1930 wanderte er mit seiner Frau nach New York aus. Nach dem Krieg kamen sie wieder. Ob das Paar frühzeitig vor den Nationalsozialisten geflohen war, hat sie nie herausgefunden. Aber sie kann sich noch an den Großonkel erinnern: „Er trug immer Hut, Anzug und Schlips.“