Die Papp-Mappe für die Theatertexte ist immer dabei, wenn Christine Bossert an den Bühnen quer durch Deutschland inszeniert. „Mit ihr habe ich gleich noch eine Schreibunterlage, denn wir Regisseure ändern ja dauernd irgendetwas“, sagt die Besitzerin.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Im Fachjargon wird Christine Bosserts kleines Heiligtum ganz profan „Klemmbinder“ genannt. Die Regisseurin selbst nennt es Kladde. „Meine Schauspiellehrer hatten alle so eine, und ich war davon sehr beeindruckt“, erzählt sie. Nach erfolgreich bestandener Bühnenreifeprüfung in München fühlte sie sich würdig, nun auch so eine Klemm-Kladde für die Theatertexte zu besitzen. „Ich bin in ein Geschäft gegangen und habe sie mir für 23 Mark gekauft.“ Das war vor 20 Jahren und seither ist die schwarz-rote Pappmappe immer dabei, wenn Christine Bossert an den Bühnen und Clubs quer durch Deutschland inszeniert. Sie war in Berlin, Kassel, Esslingen, Würzburg, Neustrelitz, selbst im Freilufttheater hat sie durchgehalten und hielt den Regen vom Manuskript fern. „Mit ihr habe ich auch gleich eine Schreibunterlage, denn wir Regisseure ändern ja dauernd etwas.“

 

Kontrapunkt zur Technik

Ihr bewegtes Leben sieht man der Kladde deutlich an: Der ehemals rote Rücken, in den die Blätter eingespannt werden, ist speckig und die Buchdeckel lösen sich an den Ecken auf. So zeigen sie ihr Innenleben aus vielen Papierschichten. „Da sieht man, dass gearbeitet wird.“ Christine Bossert schätzt dieses ramponierte Aussehen. „Ich mag den Kontrapunkt zu dem ganzen Virtuellen und Technischen um mich herum“, überlegt sie. Und wenn es offiziell wird, zum Beispiel bei Lesungen, nimmt sie ihre neue, schwarze Kladde. Aber die ist eben nur ein Halter für das Manuskript. Die Erste ist viel mehr: ein Talisman.