Früher waren im Juni in Portugal die Kinder unterwegs, um für einen besonderen Brauch Geld zu sammeln: Zu Füßen der Schutzheiligen Antonius, Johannes und Petrus bauten sie ein Dorf.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Eine Frau trägt einen Korb mit Hühnern auf dem Kopf, ein Mann hat ein Schwein dabei, ein anderer den traditionellen portugiesischen Stockfisch, und eine Bäuerin schleppt Kürbisse zum Markt. Auf der Wiese weiden die Schafe, und eine Musikkapelle spielt. Ein ganzes Dorf aus bunt bemalten Keramikfiguren hat Jorge Ribeiro aus seiner Kindheit in Portugal aufbewahrt. „Die sind alle über 40 Jahre alt“, sagt er. Mit den Figürchen hat es eine besondere Bewandtnis. Ab 10. Juni postieren sich die Kinder am Straßenrand und beginnen den Juni über die Figuren zu sammeln. „Am Anfang wird ein Hügel aus Erde aufgetürmt. Wenn man am Anfang noch nichts hat, nimmt eben man Steine statt Figuren“, erklärt der Inhaber einer kleinen Gebäudereinigungsfirma. „Immer, wenn jemand vorbeikommt, fordert man ihn auf, einen Tostão, einen Groschen, zu geben“, erklärt er.

 

Schutzheilige auf dem Hügel

Die Erwachsenen steigen gerne in das Spiel ein. Wenn ein paar Groschen zusammen sind, rennt eines der Kinder in den nächsten Laden, um ein Figürchen zu kaufen. Am wichtigsten sind die Schutzheiligen Johannes, Petrus und Antonius. Letzterer ist in Ribeiros Sammlung abhandengekommen, aber die beiden anderen stehen oben auf dem Hügel und wachen über das Treiben im Ort. „Einmal habe ich als Junge auf der Baustelle gearbeitet. Das Erste, was ich von meinem Geld gekauft habe, waren Figuren“, erzählt er. Den Brauch gibt es in Portugal noch immer. Weil die Straßen heute viel gefährlicher sind, machen jedoch nur noch wenige Kinder mit. Früher waren praktisch alle auf den Beinen.