Seine Lomo Kompaktkamera kaufte der Dokumentarfilmer Wilhelm Reschl 1989 während Dreharbeiten für einen Film in Ungarn. Heute erinnert sie daran, dass die Revolution in der Luft lag.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Die zierliche russische Kompaktkamera ist mehr als ein Fotoapparat, auch wenn sie im Hause Reschl heute ihr Dasein in der Originalschachtel mit transparentem Deckel fristet und nicht mehr benutzt wird: Die Lomo LC-A symbolisiert ein Stück deutsch-deutscher Geschichte. 1989 hat der Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer Wilhelm Reschl die Kamera in Ungarn für umgerechnet 54 Mark gekauft. Er war damals fünf Wochen am Balaton, um für die ARD einen Film über Familien aus Ost und West zu drehen, die sich im Sommer regelmäßig an dem See trafen, weil die ostdeutschen Angehörigen legal dorthin reisen durften. Damals war die Aufbruchstimmung dort zu deutlich zu spüren. „Ich hatte zuvor schon häufig in der DDR gedreht, aber in diesem Sommer war es auffallend, dass die Ostdeutschen nur Negatives über ihre Republik erzählten“, erinnert sich Reschl. „Die Revolution lag irgendwie in der Luft.“

 

Der Wert stieg um das Zehnfache

Der Hotelportier fragte ihn eines Tages, ob er von einem Ungarn eine Lomo-Kamera kaufen wolle. Das ließ sich der Fernsehmann nicht zweimal sagen. „Die war damals schon eine Kultkamera.“ Eine Studentin, die im Hotel jobbte, übersetzte die russische Gebrauchsanweisung. „Unser Kameramann hat zwar gleich abgewunken und sagte, sie sei keine gute Kamera.“ Heute gibt es Kopien der Lomo zu kaufen, und wer damit Bilder macht, fotografiert nicht einfach, er lomografiert. „Der Wert meiner Lomo hat sich verzehnfacht“, rechnet Reschl vor. Aber darauf kommt es nicht an: „Sie und der Film sind das Einzige, was von dem Sommer 1989 am Balaton übrig blieb.“