Nach einer Auszeit ist das Liebstöckel an den Rand des Bohnenviertels umgezogen. Im Restaurant geht es um Geschmack ohne viel Aufhebens.  

Stuttgart - Michael Reinbacher will keinen Anspruch formulieren - auch wenn man deutlich merkt, dass der Herr im Hause Hauptstätter Straße 61 durchaus einen hat: "Für Leib und Seele" ist das Motto, dem er sein Lokal verschrieben hat. Ein Kraut, das zwar gnadenlos wuchert, aber sehr vielseitig ist, gibt den Namen und prägt das Erscheinungsbild: Im Liebstöckel geht es um Bodenständiges, Handgemachtes, um Geschmack ohne viel Aufhebens.

 

Welchen Anspruch Reinbacher hat, merkt man, wenn er über seine Küche redet: Dass er, als wir um halb drei am Nachmittag für ein paar Nachfragen anrufen, noch ein paar Stunden am Herd stehen werde, weil er die Gerichte für den Abend vorbereiten muss. Dass man mit Spezialwünschen ruhig auf den Kellner zukommen solle. Und dass es freitags oft Fisch gebe - "wenn ich auf dem Markt die richtige Qualität kriege".

Die Karte ist übersichtlich. Gerade einmal eine Suppe, vier Salate und ebenso viele Hauptgerichte stehen im normalen Menü. Darüber hinaus weisen Tafeln auf Tagesempfehlungen hin, und es gibt ein wöchentlich wechselndes Menü. So war es auch schon im Liebstöckel I im Stuttgarter Westen, das Reinbacher aufgegeben hatte, um ein paar Monate durch Europas Hauptstädte zu reisen und vor allem um zu surfen. Ende vergangenen Jahres hat er mit Marc Löffler (ehemals Rat Rat) als Partner am Rande des Bohnenviertels neu eröffnet.

Zum Augenverdrehen gut

Was wir aus Reinbachers Töpfen probieren, entspricht samt und sonders dem Anspruch. Das Cremesüppchen von roten Linsen mit frischem Rosmarin und Rotweinschalotten (klein 3,50, groß 4,50 Euro) schmeckt feinaromatisch und erfreulich unbreiig. Ideenreich und genauso, wie er soll, ist der Weißwein-Risotto mit Rucola, Tomaten, Pinienkernen und Parmesan (klein 8,50, groß 12,50 Euro) - gekrönt von zart-knusprigem Rucolastroh.

Perfekt gebraten ist der Zwiebelrostbraten im Rotweinsößle mit handgeschabten Spätzle und Salat (17,50 Euro), der jeden anspruchsvollen Schwaben genauso zufriedenstellen muss wie die Kässpätzle aus dem Ofen (9,50 Euro). Die Krönung sind geschmorte Kalbsbäckchen mit gebratenen Champignons und Bandnudeln (16 Euro) - die Bäckchen sind so zart, dass man wahrlich kein Messer braucht. Zum Augenverdrehen gut. Punktabzug gibt es allerdings für zusammengeklebte Nudeln. Erstaunlich passend dazu ist der empfohlene Rioja (0,2 Liter für 6,50) von der feinen Weinkarte. Handwerklich einwandfrei beendet eine Crème brûlée (5,50 Euro) das Menü.

Wir sitzen leicht erhöht an einem groben Holztisch auf rotsamten bezogenen Stühlen, im Hintergrund läuft erfreulich unplätschrige Musik, und der Service ist fantastisch aufmerksam - bemerkenswert angesichts vieler besetzter Tische. Das Einzige, was stört, sind gelegentliche Qualmschwaden aus dem Raucherzimmer. Dieses Problem aber, so versichert Reinbacher, ist erkannt und steht vor der Lösung. Der Mann hat Anspruch. Gar keine Frage.

Die Bewertung

Küche: ****

Service: *****

Ambiente: ****

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Liebstöckel: Hauptstätter Straße 61, Telefon 51 86 55 70, geöffnet montags bis freitags von 11 bis 14.30 Uhr und ab 17.30 Uhr, samstags nur abends, sonntags Brunch von 10 bis 15 Uhr. Die aktuellen Tages- und Mittagsgerichte gibt es unter www.liebstöckel-stuttgart.de.