Bei der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart ist der Star-Bariton Michael Nagy an romantischen Liedern gescheitert

Stuttgart - Tief beugt er sich über die Tasten. Schaut in die Noten, auf die Finger, ist ganz in der Musik – so sehr, dass sein Körper sichtbar mit den Phrasen des Textes atmet und dass seine Lippen immer wieder dessen Worte formen. In der Einleitung zu Robert Schumanns Lied „Wer sich der Einsamkeit ergibt“, das auf einem der Harfner-Lieder aus Goethes Roman „Wilhelm Meister“ fußt, scheint der Pianist Gerold Huber kaum den Flügel zu berühren: So weich, so zart, so melancholisch klingt bei ihm das traurige Alleinsein eines Menschen. Wem noch nicht klar war, was für ein wissender, poetisch denkender, ja: textvernarrter Liedpianist Huber ist, der konnte es bei diesem Liederabend der Hugo-Wolf-Akademie erleben. Das romantische Naturpanorama, das der erst 17-jährige Hugo Wolf in seinen kompositorisch ineinander verwobenen drei Lenau-Liedern entwarf, erlangte durch Hubers Finger und Gedanken Weite und Konkretion. Es dürfte am Sonntagabend wohl keinen Zuhörer im gut besuchten Vortragssaal der Staatsgalerie gegeben haben, dem die „frohen Akkorde“, mit denen Wolfs letztes Lied schließt, nicht noch lange als bunte Farbtupfer das Gemüt belebten

 

Leider gelangte der gerade erst bei Wagners „Tristan und Isolde“ in Baden-Baden als Kurwenal gefeierte Michael Nagy mit seiner Darbietung nicht zu ähnlichen Superlativen. Zugegeben: der Abend steigerte sich. Bei Arnold Schönbergs zwei Gesängen op. 1 fand der Bariton den Ton des Theaters und die großen Gesten, mit denen er sich wohlfühlt, und bei Tschaikowsky-Liedern hatten sein dunkles Timbre wie auch seine Art der Vokalbehandlung etwas durch und durch Authentisches. Schumann hingegen enttäuschte: wegen vieler Drücker und mühevoll gestemmter Töne, wegen mancher mulmigen Tongebung, Verengungen in der Höhe, vor allem aber wegen oft mangelhafter Tonvorstellung und ungenauer Intonation. Längere Gestaltungsbögen waren kaum je zu hören; stattdessen gab es gereihte akustische Augenblicke, darunter auch schöne. So scheiterte auch dieser Sänger, ein Star der musiktheatralischen Entäußerung, an der intimsten Form musikalischer Verinnerlichung. Dabei ist Michael Nagy immerhin in prominenter Gesellschaft.