Hannah Zenger und Sarah Wendler präsentieren ihre ausgefallenen Techniken auf der Desing-Messe. 250 Aussteller aus Deutschland und dem benachbarten Ausland zeigen Neuheiten und Extravagantes.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Das Atelier von Hannah Zenger wirkt wie das Labor eines Zahntechnikers und nicht wie die Werkstatt einer Keramikerin. Darüber kann auch die Töpferscheibe nicht hinwegtäuschen. Statt Lehmkrusten am Mobiliar stehen auf weißen Borden an der weißen Wand unzählige Schraubdeckelgläser mit Pülverchen in unterschiedlichen Farben. Sie sind das Ergebnis harter Arbeit, denn es handelt sich um zermahlene Steine. Wohin auch immer die Architektin reist, bringt sie Steine mit – aus Flüssen, von Feldern, vom Wegesrand: Granite mit ihren unterschiedlichen Färbungen, Glimmer, Hämatit, Gneis, Lapislazuli – alles findet sich in Hannah Zengers Gläsern. „Früher habe ich sie selbst mit dem Hammer kleingeklopft und gesiebt. Das ist mir zu viel geworden. Ich schicke sie in eine Steinmühle ins Allgäu“, erklärt sie.

 

Porzellan ist flüssiges Gold

Die Steinpulver geben ihren zarten Porzellanbechern und Vasen die besondere Färbung und Struktur. Nach geheimer Spezialrezeptur mischt sie dem flüssigen Porzellan das Pulver in der gewünschten Farbe bei. Nach dem Brennen glasiert sie die Gefäße farblos, außen fühlt man die winzigen Steinkörnchen. „Porzellan wird auch flüssiges Gold genannt“, sagt die Keramikerin, und sie veredelt dieses Gold außer mit zerriebenen Steinen noch mit anderen Methoden: Für ihre Zen-Serie hat sie weißes Porzellan mit schwarz gefärbtem Porzellan betupft. Gebrannt wird in ihrem Labor bei stattlichen 1250 Grad Celsius. Die Gefäße sind so filigran, dass sie im Ofen die Form verändern: „Wenn ich einen Becher angefasst habe, erinnert er sich beim Brennen an die Druckstellen und verformt sich je nach den Druckstellen“ – dieses Phänomen gibt der Gestaltung einen durchaus gewollten Effekt. Jedes Gefäß hat so eine individuelle Form.

Design mit Omas Strickmaschine

Ihre ausgefallenen Stücke präsentiert Hannah Zenger zum zweiten Mal auf der Messe Blickfang. Wie das Atelier mit Ladengeschäft in der Vogelsangstraße im Stuttgarter Westen, teilt sie auch den Messestand mit der Textildesignerin Sarah Wendler. „Editru“ heißt das Label der gelernten Schneiderin. Der Name ist eine Hommage an die Familientradition, denn Oma und Großtante – Edith und Trude – haben in den 1950er Jahren in Heimarbeit Strickwaren hergestellt, und mit deren stattlicher Strickmaschine hat Sarah Wendler ihr ganz eigenes, aufwendiges Verfahren für feinste Maschen entwickelt. Jedes Kleidungsstück ist von der Färbung der Wolle bis zum letzten Stich Handarbeit.

Färbetechnik ist Betriebsgeheimnis

Die nähgarnfeine Merinowolle färbt sie mit selbst gemischten Naturfarben und zwar abschnittsweise mit der Pipette, so dass sich beim Stricken ein von ihr festgelegter Farbverlauf ergibt. Wie das geht? „Das ist mein Betriebsgeheimnis“, schmunzelt sie. Vor eineinhalb Jahren, nach der Geburt ihres Sohns, begann sie mit der Entwicklung ihrer speziellen Färbetechnik. Mittlerweile hat sie eine ganze Kollektion und verbindet Familie und Werkstatt miteinander. Wenn das Kleinkind müde ist, schläft es im Tragetuch auf dem Rücken und Mama Sarah Wendler kann an der Editru-Strickmaschine weiterarbeiten. Die dünnen Strickgespinste, die sie so herstellt, verarbeitet sie als Applikationen für Seidenkleider oder edle Jacken aus Georgette-Stoff.

Computer verfremdet Maschenbild

Sie verbindet bei ihrer Technik nicht nur Handwerk mit technischer Raffinesse, sondern sie verarbeitet ihre Strickprodukte auch digital weiter. Am Computer verfremdet sie die abfotografierten Maschenbilder und gewinnt so Motive für den Stoffdruck. „Manchmal kann man die Strickstruktur noch erkennen“ – sie präsentiert die Hightechversion als Muster auf einem Seidentuch. Gerade die kleinen Accessoires haben es Sarah Wendler und Hannah Zenger ebenfalls angetan und so produzieren beide in ihren jeweiligen Ateliers auch eine Schmuckkollektion: Porzellanrohringe und Halsketten aus Strick.