Der Liederkranz kann die Veranstaltung nicht mehr stemmen. Vor allem fehlt es an Ehrenamtlichen, die noch fit genug sind, um bei den Vorbereitungen tatkräftig mit anzupacken. Doch vielleicht gibt es noch einmal einen Neuanfang.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Es hat zum Liederkranz dazu gehört. Seit mehr als 110 Jahren hat der Verein das Möhringer Kinderfest ausgerichtet. „Auf dieses große ehrenamtliche Engagement blicken wir mit Stolz zurück“, schreibt der Verein in einer Pressemitteilung. Er sei dankbar für alle erhaltene Unterstützung. Doch schon seit Jahren komme der Verein bei dem Fest mit seinem immensen Aufwand, den stetig steigenden Kosten und den ständigen Verschärfungen der Auflagen an seine Belastungsgrenze. „Der Vorstand des Liederkranzes hat intensiv beraten, verschiedene Optionen diskutiert und zahlreiche Gespräche geführt, um das Fest nachhaltig weiterzuführen. Leider ohne Erfolg“, steht in der Pressemitteilung. Das Fazit: Die Mitglieder des Vereins haben auf ihrer Hauptversammlung am 24. März beschlossen, dass der Liederkranz 2017 und in den Folgejahren kein Kinderfest mehr veranstaltet.

 

Dem vorausgegangenen sei ein monatelanger Prozess, sagt der Vereinsvorsitzende Xaver Beck. Der Vorstand habe eine Umfrage unter den Mitgliedern gemacht. „Das Ergebnis sah zunächst gut aus“, sagt Beck. Alle seien sich einig gewesen, dass das Kinderfest für den Verein und den Stadtteil wichtig sei. Doch im Verlauf der Diskussion habe sich abgezeichnet, dass viele Vereinsmitglieder nicht mehr so anpacken können, wie sie wollen. Am Ende sei es bei der Hauptversammlung ein fast einstimmiges Votum gewesen.

Die Mitglieder des Liederkranzes haben immer alles selbst gemacht

„Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Uns blutet das Herz, und es hat auch Tränen gegeben“, sagt Beck. Doch die Mitglieder seien an einem Punkt angekommen, an dem es für sie nicht mehr weitergehe. Beck spricht von den „Key Playern“, und meint damit die Menschen, die bei der Organisation des Kinderfestes ihren eigenen Verantwortungsbereich hatten und dort viel Erfahrung und Kompetenz einbringen konnten. „Einige von ihnen haben gesagt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weitermachen können“, sagt Beck. Die Vereinsmitglieder seien teilweise über 80. „Es wäre unverantwortlich gewesen, wenn sie es noch einmal gemacht hätten und über ihre Kräfte hinaus gegangenen wären.“ Der Verein habe nach Alternativen gesucht, doch er könne die entstandene Lücke nicht mehr füllen.

Der Liederkranz hätte Arbeiten an professionelle Anbieter vergeben müssen. Das kann er aber nicht, denn dafür fehlt das Geld. Die Satzung lässt es nicht zu, dass der Verein mit einer „wirtschaftlichen Veranstaltung“ wie dem Kinderfest in die roten Zahlen gerät. Das gibt Probleme mit dem Finanzamt; dem Verein kann die Gemeinnützigkeit aberkannt werden. Darum hat der Liederkranz immer alles selbst gemacht. Beck schätzt, dass etwa 100 Mitglieder insgesamt 2400 Arbeitsstunden investiert haben. Pro Arbeitsstunde habe der Verein im Durchschnitt etwa einen Euro verdient. Das sei nicht viel, habe sich aber doch gelohnt, sagt Beck.

Viel Verständnis und ein paar aufgeregte Privatmeinungen

Der Personalmangel sei der Hauptgrund dafür, dass es kein Kinderfest mehr gebe, sagt Beck. Hinzu komme aber auch, dass die Rahmenbedingungen immer schwieriger geworden seien. Die Auflagen der Stadt in Sachen Hygiene und Verkehrssicherung seien immer strenger geworden, die Ansprechpartner wechselten oft. „Wir musten die Dinge immer wieder neu regeln. Das stresst zusätzlich“, sagt Beck. Gleichzeitig sei der Zuspruch geringer geworden. Die Zahl der Mädchen und Jungen, die beim Kinderfest mitgemacht haben, sei in den vergangenen Jahren von 850 auf 500 gesunken. „Die Bereitschaft, sich einzubringen und die Affinität zum Stadtbezirk haben abgenommen“, sagt der Vereinsvorsitzende.

Im Stadtbezirk ist schon hier und da durchgesickert, dass der Liederkranz kein Kinderfest mehr organisiert. Die Reaktionen darauf seien unterschiedlich, sagt Beck. Die meisten seien verständnisvoll. „Viele haben sich bei uns für das, was war, bedankt“, sagt der Vorsitzende. Es gebe aber auch ein paar einzelne „aufgeregte Privatmeinungen“.

Es gibt die Chance auf einen Neuanfang

Auch die Möhringer Bezirksvorsteherin Evelyn Weis bedauert, dass es 2017 kein Kinderfest gibt. „Das ist sehr schade, doch ich verstehe die Gründe“, sagt sie. Für sie ist es aber noch nicht der Endpunkt. Das Bezirksamt, der Liederkranz, der Gewerbe- und Handelsverein und der Bürgerverein seien im Gespräch. „Es gibt bereits viele kreative Köpfe und einige gute Ideen“, sagt Weis. Beck steht dem aufgeschlossen gegenüber. So heißt es auch in der Pressemitteilung: „Falls sich eine Konstellation ergibt, in der das Fest in geeigneter Form weitergeführt oder wiederbelebt werden kann, wird der Liederkranz dieses – sofern gewünscht – gerne mit Rat und Tat unterstützen.“