Das Regal, vor dem Siegfried Schäuble steht, wirkt, als hätte er die Ware beiseitegeräumt, um zu renovieren. Tatsächlich fehlt es ihm an Ware, die er darbieten könnte. Denn Kuba kann nicht liefern. Jedenfalls bei Weitem nicht genug. Seit vier Jahrzehnten verkauft Schäuble exquisite Tabakwaren. Ebenso lange schon ist er auf kubanische Zigarren spezialisiert. Die Kubaner haben sein Geschäft, das Tabacum im Stuttgarter Westen, mit dem Label „La Casa del Habano“ ausgezeichnet. Das bedeutet bevorzugte Belieferung. Nur rund 140 solcher Casas gibt es weltweit – und nur diese eine in Baden-Württemberg. Dennoch herrscht auch bei ihm nun Mangel. „Meine Kunden kaufen, was sie bekommen können. Wir haben uns vor Monaten entschlossen, jeweils nur noch kleine Mengen kubanischer Zigarren abzugeben, um niemanden mit leeren Händen wegschicken zu müssen“, erklärt Schäuble.
Es fehlt an Material für Banderolen, Kisten oder Tubos
Der Grund für die Verknappung, besonders der großen Formate, liegt in einer Verkettung ungünstiger Umstände. „Die Pandemie spielte eine Rolle“, sagt Christoph Puszkar, Marketingchef der 5th Avenue Products Trading GmbH aus Waldshut-Tiengen. „Krankenstände in den kubanischen Zigarrenfabriken führten zu Produktionsausfällen. Zugleich ist der Tourismus zum Erliegen gekommen. Devisenausfälle erschwerten es dem kubanischen Staat, Produktionsmittel wie etwa Dünger bereitzustellen. Die Lieferanten bestehen auf harte Währung. Wo aber Zigarren gefertigt wurden, da fehlt es dann an Material für Banderolen, Kisten oder Tubos (Zigarrenröhren)“, führt Puszkar aus.
Doch auch das Klima wurde zum Problem. „Immer häufiger spülen Tropenstürme junge Tabakpflanzen fort. Setzt man neue, fehlt ihnen Zeit, in einem Maß heranzuwachsen, dass sich ihre Blätter zur Herstellung großer Zigarrenformate eignen“, sagt der Marketingchef. Zu all dem ist die Nachfrage gestiegen. „Mit wachsendem Wohlstand haben die Asiaten Geschmack an kubanischen Zigarren gefunden. Dazu kauften asiatische Händler in Europa kistenweise Zigarren zum Ladenpreis ein, um sie zu Hause für ein Vielfaches weiterzuverkaufen“, sagt Puszkar.
David Klett, Vorstand der Ernst Klett AG in Stuttgart und großer Zigarrenliebhaber, bleibt gelassen. Er bevorzuge Klassiker: „Die Partagas Serie D Nr. 4 oder auch die Hoyo de Monterrey Epicure Nr. 2. Damit bin ich von der Preisentwicklung weniger betroffen“, sagt Klett. Trinidad und Cohiba rauche er schon auch, wenn er sie geschenkt bekomme. Aber der Hype befremde ihn. Väterlicherseits vorbelastet kam er schon in früher Jugend auf die Zigarre. „Eine gut abgelagerte günstigere ist mir lieber als eine hochpreisige, die kaum ein Jahr alt ist.“ Tatsächlich kommen aufgrund der Verwerfungen auf dem Zigarrenmarkt immer jüngere und teils viel zu junge Zigarren in den Verkauf.
Aufgrund der Verwerfungen explodieren die Preise
Habanos spricht von einer „weltweiten Homogenisierung im höchsten Segment der Preispyramide“. Was das konkret heißt, verrät ein Blick auf die Produktliste. „Cohiba Siglo I“: vorher 12,90 Euro, jetzt 31 Euro. „Cohiba Robusto“: vorher 24,60 Euro, jetzt 68 Euro. „Trinidad Vigia“: vorher 15,80 Euro, jetzt 50 Euro. „Trinidad Reyes“: vorher 9,60 Euro, jetzt 32 Euro. Die Preissteigerung anderer kubanischen Brands liegt bei zehn bis 25 Prozent.
Bei diesen Preisen geht Jens Oelkrug, Chef und Inhaber der Gastronomie im Jazzclub Bix, nicht mit. „Niemand bestreitet die Qualität der kubanischen Premium-Brands. Aber die Preisentwicklung ist vollkommen absurd. Wir haben Trinidad und Cohiba deshalb ausgelistet. Es gibt andere fantastische Marken“, sagt Oelkrug.
Jens Oelkrugs Club verfügt über die wahrscheinlich größte Raucher-Lounge in Stuttgart – rund 70 Quadratmeter groß. Im Monat verkauft er für 2000 bis 3000 Euro Zigarren. Für einen Laden wie das Bix vielleicht nicht der alles entscheidende Umsatzfaktor, aber eben doch ein nicht wegzudenkender Dienst an den Zigarrenliebhabern unter den Gästen. Fortan allerdings ohne die Premium-Kubaner.
Weltweite Verflechtungen
Staatsbetrieb
Die 1962 im Zuge postrevolutionärer Verstaatlichung entstandene Empresa Cubana del Tabaco, besser bekannt als Cubatabaco, kontrolliert die kubanische Zigarrenproduktion. Für den globalen Vertrieb initiierte Kuba eine Reihe von Joint Ventures, an denen stets die Habanos S. A., eine Tochter der Cubatabaco, und ein Vertriebsunternehmen des jeweiligen Importlandes beteiligt sind. Das Joint Venture für Deutschland, Österreich und Polen ist die 5th Avenue Products Trading GmbH, an der die Habanos S. A. und die Villiger Söhne GmbH, ebenfalls aus Waldshut-Tiengen (Tochter der Villiger Söhne Holding AG mit Sitz in Pfäffikon in der Schweiz) zu je gleichen Teilen beteiligt sind.
Ausverkauf
Im Jahr 2000 veräußerte der kubanische Staat knapp die Hälfte von Habanos an den spanisch-französischen Tabakkonzern Altadis S. A., den wiederum im Jahr 2008 der britische Konzern Imperial Brands PLC (damals Imperial Tobacco Group PLC) übernahm. 2020 verkaufte Imperial Brands die Zigarrensparte in zwei Teilen. Der eine der beiden, der als Filetstück die Beteiligung an Habanos enthielt, ging für 1,04 Milliarden Euro an ein Investmentkonsortium namens Allied Cigar Corporation S. L. mit Hauptsitz in Hongkong. Unter dessen Einfluss wurden nun weltweit die Preise der Premiummarken Cohiba und Trinidad sowie der limitierten Sondereditionen auf das Niveau Hongkongs, also auf teilweise mehr als das Dreifache, angehoben. Wer hinter dem Konsortium steht, ist nicht bekannt. mae