Nach dem Umzug nach Zuffenhausen wird im Liktors Hirsch deutlich mehr als Meer geboten. Dazu passt der Wirtshauscharme ohne Chi-Chi.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Fischrestaurants jenseits der Sushi-Schwemme kann man in Stuttgart fast an einem Finger abzählen, auch wenn jeder halbwegs bessere Italiener ein Kenner der Materie ist: Dorade auf den Grill, Kartöffelchen und Spinat dazu - fertig ist die Spezialität. Vereinzelt gibt es noch mehr aus dem Meer, aber wenn man Fisch in der Stadt will, dann kommt man an Josef Liktor nicht vorbei. Eine Dekade lang hat sich der gebürtige Ungar im Wohngebiet von Botnang viele Stammgäste erarbeitet, das Auslaufen des Pachtvertrags hat er nun genutzt, nach Zuffenhausen zu ziehen, wo er seit dreißig Jahren auch wohnt.

 

In der zuletzt wechselhaften Geschichte des Traditionshauses Hirsch im Ortskern ist im März ein neues, ein gutes Kapitel aufgeschlagen worden. Bis auf kleinere Elemente musste im Inneren nicht viel verändert werden: Vor nicht allzu langer Zeit wurde innen renoviert, die Fassade soll noch folgen. Die Dominanz von Eiche rustikal und hellen Bodenkacheln kann man als Wirtshauscharme ohne Chi-Chi bezeichnen - und das passt gut zu Liktors Küche.

Fast ein bisschen zu viel des Guten

Modifiziert hat er sein Angebot dennoch: Hatten früher Fischphobiker kaum Auswahl, so gibt es nun ein Fifty-fifty-Verhältnis, was aber nicht heißt, dass weniger Fisch auf der Karte steht, sondern mehr Fleisch. Wir bestellen beides, weil als Tagesangebot eine Wachtel aus dem Ofen (17,50 Euro) lockt. Es sind dann sogar zwei, die zart und nicht zu trocken sind, was uns nach der Vorspeise und in Gedanken an die Nachspeise fast ein bisschen zu viel des Guten ist, zumal sie nicht nur von Spinat mit einer feinen Muskatnote begleitet werden, sondern auch von Ravioli, die wir noch mehr als kleines Zwischengericht geschätzt hätten, denn die Steinpilzfüllung verdient Aufmerksamkeit genug.

Weniger Eigengeschmack konnte das Antipasti-Gemüse (7,50 Euro) mit arg vielen Extras wie Pinienkernen, Parmesanspänen, Balsamico entfalten. Auch Liktors Klassiker, die Hummerterrine, könnte puristischer und ohne Balsamiconage sein. Der Zander auf Spargelrisotto (18,50 Euro) ist außen kross und innen saftig, die Spargelstücke haben den richtigen Biss, der hohe Parmesananteil macht das Risotto deftig. Fein austariert wird die Fruchtsäure des Cassis-Panacottas (7,50 Euro) mit zweierlei Schokoladensoße.

"Marktküche" heißt bei Liktor: gute Produkte, volle Teller und ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (auch bei den passenden Weinen für 3,80 Euro das Viertele), andere sagen ehrliche Küche dazu. Mit ihren Empfehlungen und ihrer "deutlichen Art" (Liktor) tut die Servicechefin Brigitte Bianco, seit zehn Jahren eine Institution im Haus, das Ihre zum stimmigen Konzept. Leichte Irritationen löste nur die gefürchtete "Weinkralle" aus: Gläser am Kelch anzufassen ist schon im Privaten problematisch, sie aber so durch den ganzen Gastraum zu transportieren? War die einmalige Unbedarftheit einer jungen Aushilfe, wie wir später am Telefon erfahren haben.

Die Bewertung

Küche: ****

Service: ****

Ambiente: ***

*****= herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.

Liktors Hirsch Zuffenhausen, Bottwarstraße 10, Telefon 6743728, www.liktors-hirsch.de.
Geöffnet dienstags bis donnerstags 17.30 bis 23 Uhr, freitags bis sonntags 11.30 bis 14.30 und 17.30 bis 23 Uhr. Der Außenbereich mit 30 Plätzen wird in Kürze fertig.