Mit einem 16,5 Meter-Gefährt rückwärts an die Laderampe. Für einen LKW-Fahrer Routine, für einen Laien eine Herausforderung. Ein Selbstversuch in Besigheim (Kreis Ludwigsburg).

Ludwigsburg: Sandra Lesacher (sl)

Wenn eine ansonsten kleinwagenfahrende Redakteurin ankündigt, mit einem großen Lastwagen auf Fahrt zu gehen, bleiben gute Ratschläge nicht aus. Und nicht selten kommt der Satz: „Machst halt nix kaputt.“ Wer solche Kollegen hat, braucht keine Feinde. Aber es war ja augenzwinkernd gemeint. Auch der Hinweis: „Wir halten die Polizeimeldungen dann mal im Blick.“

 

Keine Angst. Ich wurde nicht auf den Straßenverkehr losgelassen. Geht ja auch nicht ohne LKW-Führerschein. Ort des Geschehens ist Terminal 3 der Firma Müller - Die Lila Logistik in Besigheim. Dort werden die Lastwagen der Spedition beladen und starten auf ihre Touren. Auch der Truck, mit dem ich an diesem Montagnachmittag fahren darf: ein ehemaliger Diesel-Volvo, der zum E-Truck umgebaut wurde. Vier Meter hoch, 16,5 Meter lang, 610 PS stark, 23 Tonnen schwer.

Beim Schlüsselumdrehen bleibt das Brummen aus

So weit die Zahlen. Eine weitere Zahl fehlt in meinen Aufschrieben: Die Anzahl der Rangier-Züge bei meinem ersten Versuch, dieses Gerät rückwärts an eine Laderampe zu steuern. Ich hätte eine lange Strichliste machen können, allerdings war ich zu beschäftigt. Aber, so viel sei verraten: Es hat am Ende geklappt.

Doch von vorn. So ein Lastwagen ist ganz schön mächtig, wenn man direkt davor steht und es nicht gewohnt ist. Allein die Reifen gehen mir knapp bis zur Hüfte. Nadine Lahouel, die Fuhrparkleiterin, ist davon deutlich weniger beeindruckt. Kein Wunder, sie arbeitet seit 28 Jahren mit den LKW bei Lila Logistik.

Nadine Lahouel (hinten) gibt Sandra Lesacher gute Tipps beim Rangieren. Foto: Andreas Essig

Routiniert lenkt sie den Truck rückwärts unter den Trailer, auch Auflieger genannt, bis der Königszapfen, also die Verbindung, einrastet. Dann schließt sie die Schläuche für Luft, Bremsen, ABS und Strom an. Noch schnell ein Blick in den Trailer: Er hat nur Leergut geladen, also leere Boxen und Gestelle. Die wiegen etwa sechs Tonnen. Plus Truck plus Trailer sind es also „nur“ 23 von 40 möglichen Tonnen, die ich gleich bewegen darf.

Aber erst einmal einsteigen. Der Weg nach oben erinnert mich irgendwie an die Stockbetten im Schullandheim anno dazumal. Nach der kleinen Kletterpartie oben angekommen ist es aber eigentlich ganz gemütlich. Fahrer- und Beifahrersitz sowie dahinter eine Liegefläche für die Pausen.

Ich nehme auf dem Fahrersitz Platz. Das fühlt sich soweit auch nicht viel anders an als in einem Auto. Die Aussicht ist allerdings deutlich besser. Schlüssel umdrehen und – nichts. Das erwartete Brummen bleibt aus, es ist ja einer der vier batteriebetriebenen Lastwagen aus dem Fuhrpark. Weil es ein E-Truck ist und auch die meisten Diesel-LKW heute ein Automatikgetriebe haben, muss ich mich auch nicht mit einer komplizierten Schaltung herumschlagen. Also nur: Gas geben, lenken, bremsen.

Die ersten Meter zeigen, dass das ganz gut geht. Fährt sich eigentlich ganz nett. Meine einzige Sorge ist, dass ich irgendwo nicht durchkomme oder der Auflieger in der Kurve hängen bleibt. Aber da hat Nadine Lahouel auf dem Beifahrersitz ein Auge drauf. Und überhaupt, sagt sie, herrschen auf diesem Areal geradezu paradiesische Zustände, was den Platz angeht. Anderswo gehe es an den Rampen deutlich enger zu. „Da sind überall LKW, Trailer, Poller...“.

Also alles ganz einfach in der Theorie. Für Profis auch in der Praxis. Einer von Nadine Lahouels Kollegen macht es mir auch gleich vor. Während ich mit meinem 16,5-Meter-LKW etwas verloren und schief zwischen Rampe und Durchfahrt stehe, schlängelt er sich fröhlich winkend vorbei. Dann parkt er routiniert rückwärts an die Rampe ein. Zack – fertig.

Links, rechts, vor, zurück: das dauert

Bei mir läuft das etwas anders. Mein Kopf muss umdenken. Denn will ich mit dem Auflieger rückwärts linksrrum, muss ich rechtsrum lenken. Aber nur ein bisschen, denn was am Lenkrad ein paar Zentimeter sind, sind 16 Meter hinter mir schnell mal ein paar Meter. Die Fuhrparkleiterin neben mir gibt geduldig Anweisungen.

Und so rangiere ich; ein bisschen links, ein bisschen rechts, zu weit, wieder vor, wieder zurück. Immer im Blick: den linken Außenspiegel, in dem ich im besten Fall auch das Ende des Trailers, die Rampe und Nadine Lahouels Kollegen Bernd Claus sehe. Er hat eine gelbe Warnweste an und lotst mich ebenfalls geduldig Richtung Rampe.

Wenn ich über den Außenspiegel die Lage gar nicht einschätzen kann, drehe ich den Kopf nach hinten aus dem Fenster. Das macht die Sache zwar einfacher, aber am nächsten Tag auch ein bisschen Muskelkater im Nacken. Irgendwann ist es dann auch geschafft: Der Truck steht sauber an der Rampe. Zum Glück hat keiner die Zeit gestoppt. Und ich habe auch nichts kaputt gemacht.

E-Mobilität aus Besigheim

Das Unternehmen
Rund 70 Lastwagen hat Lila Logistik derzeit insgesamt. 60 Prozent davon fahren mit Diesel aus Bioabfällen (HVO100). Sukzessive soll sich der Anteil an Zugmaschinen, die noch mit klassischen Dieselantrieben laufen, immer weiter verringern, heißt es seitens des Unternehmens.

Die E-Trucks
Das Logistikunternehmen hatte bereits Anfang 2024 in zwei 18-Tonner mit Elektroantrieb investiert. Ein halbes Jahr später folgte ein noch größerer batteriebetriebener Lowliner. Vor einigen Wochen dann E-LKW Nummer vier.