„Der Euro funktioniert einfach nicht“. Sahra Wagenknecht rüttelt an der europäischen Gemeinschaftswährung und liegt damit über Kreuz mit ihrer Partei. Gregor Gysi und Bernd Riexinger üben zwar auch Kritik, halten aber am Euro fest.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - In der deutschen Linken hat es wie in ihren europäischen Schwesterparteien große Hoffnungen ausgelöst, als die griechische Syriza-Partei im Januar die Wahlen gewann. Seither ist nicht nur der jetzt zurückgetretene Ministerpräsident Alexis Tsipras zur Heldenfigur aufgestiegen. Wenn Tsipras in der Rebellion gegen die verhasste europäische „Austeritätspolitik“ siegen und die EU samt der Troika in die Knie zwingen würde, so das Kalkül, dann würden linke Politikansätze von Athen ausgehend einen Siegeszug durch die Hauptstädte der EU antreten. Hoffnungsfroh blickte man auf Spanien, Italien und Frankreich. In diesen Ländern rechnete man sich Chancen aus, dass linke Parteien bei der nächsten Wahl an die Macht kommen und ganz Europa – einschließlich Deutschlands – eine andere, eine sozialistische Prägung aufdrücken könnten. Solche Erwartungen waren nicht zuletzt beim Parteitag in Bielefeld zu hören.

 

„Der Euro funktioniert einfach nicht“

Doch die Geschichte sich anders entwickelt. Alexis Tsipras hat das ungeliebte, 86 Milliarden Euro schwere EU-Rettungspaket als die bessere Alternative gegen die eigenen Partei-Linken durchgedrückt und sogar Neuwahlen riskiert, um seinen neuen Kurs besser durchsetzen zu können. Nun müssen sich wohl auch die Linken in Deutschland neu sortieren. Dabei macht Sahra Wagenknecht, die als eine von künftig zwei Fraktionschefs als Nachfolgerin von Amtsinhaber Gregor Gysi auserkoren ist, einen prominenten Aufschlag. Sie hält den Euro für gescheitert, und will diskutieren, „ob wir dieses Währungssystem nicht generell in Frage stellen müssen“.

Auf Parteilinie liegt Sahra Wagenknecht damit nicht. „Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt“, hat sie gegenüber der „Welt“ erklärt. Deshalb debattiere die Linke zurecht darüber, „welchen Spielraum eine Politik jenseits des neoliberalen Mainstreams im Rahmen des Euro überhaupt hat“.

Macht der Euro der nationalen Souveränität den Garaus?

Das Euro-Rettungspapier von EU-Kommission, Europäischem Rat, EZB und Euro-Gruppe beinhalte immer mehr Integrationsschritte und weniger Spielraum für Demokratie, meint Wagenknecht. „Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben“. Innerhalb des Euro, so befürchtet sie, wird sich „ jede nationale Souveränität erledigen“. Auch Frankreichs Präsident François Hollande habe seine sozialen Wahlversprechen vergessen und kopiere nur noch Schröders Agenda 2010. Ähnlich sei es in Italien. „Die Währungsunion verengt die Spielräume der einzelnen Regierungen bis zur Handlungsunfähigkeit, das ist eine europaweite Abschaffung der Demokratie durch die Hintertür.“

Nun hat Sahra Wagenknecht – wie ihr Ehemann Oskar Lafontaine, der den Euro vor vier Wochen im „Spiegel“ für gescheitert erklärt hat – nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die Rettungspolitik für grundfalsch und den „Grexit“ für die wahrscheinlich bessere Lösung hält. Als sie Anfang Juli bei dem Thema schon einmal mit ihrer Fraktion in Konflikt geriet, erklärte der Fraktionsvize Axel Troost spitz, es handele sich dabei nicht um die Haltung der Partei, sondern nur um „Gedankenspiele eines Ehepaars aus dem Saarland“.

Gysi und Riexinger widersprechen

Gregory Gysi setzt sich jetzt von Wagenknecht ab, und betont gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“, dass es „ein Zurück zu den alten Nationalstaaten in Europa, auch zum alten deutschen Nationalstaat mit der Linken nicht geben“ dürfe. Parteichef Bernd Riexinger sieht zwar keinen Dissens mit Wagenknecht, hebt gegenüber der StZ aber hervor, dass die Linke trotz struktureller Defizite der Währungsunion „nicht die Schlussfolgerung zieht: Raus aus dem Euro“. Er plädiert für einen stärkeren wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich innerhalb des Euro. Im übrigen unterstützen Gysi, Riexinger und Co-Parteichefin Katja Kipping Alexis Tsipras „mit allen Kräften dabei, erneut eine Mehrheit für eine linke Regierung zu erringen“. Zur radikal-linken Abspaltung von Syriza sagen sie nichts.