Linke Liste Grummeln unter der Decke der Harmonie
Überraschend ziehen die Linken nicht mit einem Spitzenduo sondern mit einem Trio in den Landtagswahlkampf. Teile der Partei reden von einem Machtkampf.
Überraschend ziehen die Linken nicht mit einem Spitzenduo sondern mit einem Trio in den Landtagswahlkampf. Teile der Partei reden von einem Machtkampf.
Dass Parteien ihr Spitzenpersonal kurz vor der Zielgerade noch einmal auswechseln, das kommt auch nicht alle Tage vor. Bei der Linken in Baden-Württemberg ist das nun passiert. Ende Juli hatte der Landesvorstand beschlossen, mit Ellena Schumacher-Kölsch und Amelie Vollmer als Doppelspitze in den Landtagswahlkampf zu ziehen. Dieser Vorschlag hatte an diesem Wochenende keinen Bestand mehr, als knapp 200 Delegierte zur finalen Abstimmung schritten.
Statt Doppelspitze gibt es ein Spitzentrio mit der Heidelbergerin Kim Bohnen auf Platz eins. Die Landesvorsitzende Sahra Mirow lässt nichts unversucht, um zu erklären, wie „gemeinschaftlich und einvernehmlich“ diese Entscheidung gefallen sei. Dass Bohnen nach einer kämpferischen Rede mit 88 Prozent der Stimmen auf Platz eins gewählt wurde scheint der offiziellen Sprachregelung Recht zu geben. Doch unter der Decke der Harmonie grummelt es.
Vertreter des Kreisverbandes Hohenlohe Schwäbisch Hall, dem auch Schumacher-Kölsch angehört, zeigen sich überrascht und enttäuscht gleichermaßen. „Machtkämpfe wie in jeder Partei“ will Kreissprecherin Silvia Ofori in der Partei ausgemacht haben, und erklärt, dass es wohl kein Zufall sei, dass die neue Spitzenkandidatin sowohl im Heidelberger Landkreisbüro als auch im Berliner Bundestag zu den Mitarbeitern der Landesvorsitzenden gehört – und natürlich, ebenfalls wie Mirow, aus dem Kreisverband in Heidelberg stamme. Im Saal ist zudem von einem verunglückten Interview zu hören, das Schumacher-Kölsch einem Radiosender gegeben haben soll.
Mirow hingegen sieht „rein inhaltliche Gründe“ für die Personalrochade. Man habe sowohl bei der Vorbereitung zur Wahl im Land als auch bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen bemerkt, dass das Thema Wohnen von überragender Bedeutung für die Linke sei – und sich daraufhin entschlossen, das Spitzentrio thematisch zu besetzen. Kim Bohnen stehe für Wohnen, Amelie Vollmer für Gesundheit, Mersedeh Ghazaei für Bildung. Sander Frank auf Rang vier solle sich um Verkehrsfragen kümmern. Ellena Schumacher-Kölsch war für Rang fünf vorgesehen, wurde da aber nicht gewählt.
Es ist das erste Mal, dass ein Listenparteitag für die Linke im Land wirklich von Bedeutung ist. Bisher galt die Partei in Baden-Württemberg als chancenlos, das hat sich geändert. Prognosen sehen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde als wahrscheinlich an, am Rednerpult schwärmen die Kandidatinnen davon, dass es zehn Prozent werden könnten. Das führt denn auch dazu, dass das Interesse an den guten Plätzen steigt. Der Vorschlag der Landesspitze wurde nicht widerspruchsfrei abgesegnet. Schon ab Listenplatz drei gibt es Gegenkandidaten, wenn auch am Ende ohne Erfolg.
Inhaltlich geben sich die Linken ebenso optimistisch wie kämpferisch. Wohlstand für alle, ein Ende für die Kriegswirtschaft, öffentlicher Nahverkehr auch auf dem Land heißen die Schlagworte. „Wohnen ist ein Menschenrecht“ sagt Kim Bohnen, und dass das Exportland Baden-Württemberg nun Gerechtigkeit exportieren soll. Vollmer wehrt sich, dass „Gesundheit zur Ware“ werde und Mersedeh Ghazaei kündigt an, dass es im Landtag „parlamentarische Anfragen regnen“ werde, wenn die Linke dort erst einmal auf den Plenarstühlen Platz genommen habe.