Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Wie viel Nationalismus gibt es in der Linken?
Wir sind definitiv keine nationalistische Partei, sondern internationalistisch ausgerichtet. Aber natürlich gibt es überall ein unterschiedliches Verhältnis zum Nationalstaat. Wir wollen auf nationaler Ebene den Sozialstaat wiederherstellen. Viele Fragen können nicht in den Grenzen des Nationalstaats gelöst werden. Eine vernünftige Entwicklungspolitik, gerechter Handel und Friedenspolitik gehen weit über dessen Grenzen hinaus. Wir nehmen klar die ganze Welt in den Blick.
SPD-Fraktionschef Oppermann sagt, dass Sahra Wagenknecht den US-Präsidenten schont, weil sie selbst für eine nationalistische Wirtschaftspolitik eintritt?
Das ist völliger Quatsch. Niemand hat klarer Kante gezeigt gegen Donald Trump als wir. Als er gewählt wurde, sind 400 überwiegend junge Leute in die Linke eingetreten, weil wir ein klares Programm gegen rechts haben. Wir halten Trump in hohem Maße für gefährlich. Er verkörpert den direkten Einzug des Großkapitals in die Regierung – ein Kabinett der Milliardäre, das nur die eigenen Interessen vertritt und gleichzeitig populistisch vorgibt, die Arbeiter und Mittelschicht zu vertreten. Die Sündenböcke werden hinterher die Migranten und Minderheiten sein.
Fällt es der Linken schwerer, sich von autokratischen Regierungen zu distanzieren, wenn diese sozialistisch oder kommunistisch ausgerichtet sind wie Venezuela oder Russland?
In Russland herrscht ein Oligarchen-Kapitalismus. Wer das in irgendeiner Form mit linker Politik verwechselt, ist nicht in der Linkspartei. Im Verhältnis zu Russland geht es nicht darum, Putin in Schutz zu nehmen. Sondern es geht darum, dass wir Friedenspolitik in Europa nur in Partnerschaft mit Russland machen können. Das hat auch die SPD mal offensiv vertreten, wenn man nur an die Ostpolitik denkt. Wir müssen eine Politik der guten Nachbarschaft machen, nicht der Konfrontation und des Säbelrasselns.
Finden Sie auch wie Sahra Wagenknecht, dass es Zeit für eine Revision gegenüber Russland ist – mit einer Anerkennung der Krim als Provisorium unter russischer Verwaltung?
Wir haben auch gesagt, dass die Annexion völkerrechtswidrig ist. Dazu gibt es einen Vorstandsbeschluss der Partei. Aber die Sanktionen haben wir immer kritisiert. Sie haben nichts bewegt. Es ist eine Illusion, dass man eine Großmacht wie Russland durch Sanktionen politisch zu einem anderen Kurs zwingen kann. Und jetzt sehen wir, wo sie am stärksten vertreten werden: in den USA. Sie wollen die Erdöl- und Gasgeschäfte mit Russland torpedieren, um ihre eigene Fracking- und Erdölindustrie aufzuwerten und Geschäfte zu machen. Da sagen wir, dass die Bundesregierung nicht eine Politik machen sollte, die sich den USA andient, sondern die Interessen der Bevölkerung hier vertreten.
Soll die Nato über eine Veränderung der deutschen Rolle geschwächt werden, um eine Kooperation mit Russland zu vertiefen?
Die Nato ist ein Relikt des Kalten Kriegs. Inzwischen fungiert die Nato hauptsächlich als Interventionsarmee mit verheerenden Folgen für die jeweiligen Regionen. Die Situation in Afghanistan zum Beispiel ist heute deutlich schlechter. Im Nahen Osten gäbe es den Islamischen Staat nicht. Die Filetierung von Libyen und der Bürgerkrieg in Syrien haben chaotische Zustände hinterlassen. Die Realität bestätigt also die Politik der Linken. Wir sagen aber nicht: raus aus der Nato, sondern wir wollen ein System der Sicherheitspartnerschaft aufbauen unter Einbeziehung von Russland. Wir wollen SPD und Grüne auf einen vernünftigen friedenspolitischen Kurs zurückbringen, wofür sie uns auch dankbar sein können.
Ist dies die größte Hürde für eine rot-rot-grüne Koalition?
Unsere rote Linie ist: keine Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland. Das steht so im Grundsatzprogramm und jetzt auch wieder im Wahlprogramm.
Also konkret: raus aus Afghanistan, Mali und dem Anti-IS-Einsatz vor allem?
Ja, sobald die derzeitigen Verträge ausgelaufen sind. Wir dürfen Trumps Kurs der weiteren Eskalation nicht mitmachen. Die Realität zeigt: Nirgendwo war eine friedlichere und demokratischere Politik das Resultat der Einsätze. Wir sehen keinen Sinn darin, weitere Milliarden auszugeben und das Leben unserer Soldaten zu riskieren in Einsätzen, die ihre Ziele nicht erreichen.