Die Linkspartei benötigt SPD und Grüne, um einen Politikwechsel in Deutschland durchzusetzen. Eine hohe Hürde für ein Bündnis könnten die Kampfeinsätze der Bundeswehr sein, die die Linke so rasch wie möglich beenden will, wie ihr Co-Chef Bernd Riexinger sagt.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Linkspartei will die politischen Verhältnisse und besonders die Sozialdemokraten nach links rücken – der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger zeigt sich verärgert, dass die SPD sich bisher nicht drängen lässt.

 
Herr Riexinger, wenn Sie sich im Falle einer Regierungsübernahme ein Ministeramt aussuchen könnten – welches wäre das?
Über diese Option habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Aber wenn Sie mich fragen – am ehesten Arbeit und Soziales oder Wirtschaft.
Welches Ministerium würden Sie auf jeden Fall ablehnen?
Das Innenministerium. Als Gewerkschafter liegt mir am meisten am Herzen, den Arbeitsmarkt zu regulieren, damit dort die Bedingungen für gute Arbeit und gute Renten geschaffen werden. Man sollte das machen, wofür man brennt.
Jetzt ist Wirklichkeitsnähe gefragt: Wie realistisch ist eine rot-rot-grüne Koalition derzeit auf einer Skala von eins bis sechs?
Derzeit maximal drei. Aber es wäre ein großer Fehler, die Wahl schon für gelaufen zu halten. Man hat in den vergangenen Monaten beobachtet, wie schnell sich die Stimmungen verändern können. Und fast die Hälfte der Wähler ist aktuellen Umfragen zufolge noch nicht entschieden. Uns betreffend, weiß im Übrigen schon eine überdurchschnittlich hohe Zahl, dass sie die Linke wählen. So habe ich den Optimismus noch nicht verloren, dass Frau Merkel abgewählt werden kann. Jetzt hängt es stark von der SPD ab: Will sie ein Alternativprogramm zu Merkel formulieren? Die Leute wählen Alternativen, nicht Varianten der gleichen Richtung. Was Schulz und die SPD inszenieren, ist eine Variante von Merkel – keinen Bruch mit der bisherigen Politik.
Wie groß ist der Dissenz in Partei und Fraktion über die Frage des Mitregierens?
Wir sind alle der Meinung: Wenn die Bedingungen stimmen, regieren wir mit. Das bedeutet aber nicht nur kleine Korrekturen an der neoliberalen Politik der letzten 20 Jahre vorzunehmen, sondern den Sozialstaat wiederherzustellen und eine gerechte Steuerpolitik zu machen. Über diese Voraussetzung gibt es einen breiten Konsens.
Manchmal wirkt es so, als sei Fraktionschef Dietmar Bartsch der Einzige aus der ersten Reihe, der wirklich regieren will?
Wir machen keinen Koalitionswahlkampf, sondern werben gemeinsam für eine starke Linke. Und zeigen dabei, wo wir den Unterschied machen. Wir bieten als Einzige das klare Kontrastprogramm zu Merkel, die ausblendet, dass der Aufschwung an 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung vorbeigegangen ist. Wir sagen in viel stärkerem Maße, was wir wollen – weniger, was wir nicht wollen. Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass wir unsere Konzepte in sich schlüssig gemacht und durchgerechnet haben. So können wir beispielsweise sagen: Bei uns bekommt ein Durchschnittsrentner 139 Euro mehr Rente im Monat – und eine Verkäuferin bekommt bei der Steuer 130 Euro mehr raus, ein Facharbeiter 210 Euro mehr. Das können die anderen Parteien nicht. Bei den Grünen wissen wir immer noch nicht, wie hoch die Vermögensteuer sein soll.
Müssten Sie nicht mehr Kompromissfähigkeit in Richtung SPD dokumentieren, um koalitionsfähig zu sein?
Ich weiß gar nicht, wo wir nicht kompromissfähig sind. Vieles was wir in der Sozialpolitik fordern, wie etwa eine gerechte Steuerpolitik oder gute Arbeit, von der alle vernünftig leben können, waren mal Selbstverständlichkeiten in unserem Land. Und es war über 40 Jahre lang Konsens, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Unsere Positionen sind keine überwindbaren hohen Hindernisse für eine andere Politik.
Sie haben nur eine Machtoption: Warum arbeitet sich die Linke derart an der SPD ab?
Die Hauptkritik geht in Richtung Merkel und an die große Koalition.
Der Eindruck ist aber, dass die SPD der Hauptfeind zu sein scheint?
Unsinn. Sollen wir nicht kritisieren, dass die SPD den Schuss nicht gehört hat? Man hat mit dem Schulz-Hype gesehen, dass es ein Bedürfnis gibt nach einer Politik der sozialen Gerechtigkeit und nach einer Resozialdemokratisierung der SPD. Und dann haben sie diese Chance irgendwie vergeigt. Besser wäre es gewesen, sie hätten von Anfang an für einen Politikwechsel gekämpft. Dies geht nur mit uns.