Gregor Gysi will nicht mehr für das Amt des Linken-Fraktionschefs kandidieren. Seine Partei berauscht sich in Bielefeld an radikalen Reden – und verspielt damit die Chance, breitere Wählerschichten zu erreichen, kommentiert StZ-Redakteurin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - So aggressiv wie in Bielefeld hat die Linkspartei ihre Entschlossenheit zur Weltverbesserung schon lange nicht mehr präsentiert. Egal ob man Katja Kipping, Sahra Wagenknecht, Bernd Riexinger oder den allermeisten Debattenrednern zuhörte: sie wollen nicht nur wieder über Sozialismus und die Eigentumsfrage als Zukunftsprojekt reden, sie grenzen sich geradezu stacheldraht-bewehrt von allen konkurrierenden politischen Kräften ab, gießen Verachtung kübelweise über die demokratischen Kräfte in Deutschland, über die EU und die USA. Die Häme trifft besonders die SPD, auf die der scheidende Fraktionschef Gregor Gysi doch eigentlich Koalitionsanbahnungskurs nehmen wollte.

 

Die Ankündigung seines Rückzugs passt ins Bild, das die Linke bei diesem Parteitag von sich abgibt. Wenn Wagenknecht Gabriel einen Lügner schimpft, Kipping der SPD die Entkernung von allen sozialdemokratischen Idealen vorwirft und Riexinger der Partei die „moralische Integrität einer Schwingtür“ attestiert, wird Erde verbrannt, über die man gehen müsste, wollte man in absehbarer Zeit zusammenkommen. Mitten in der Legislaturperiode mag die Linke sich an solcher Radikalität berauschen. Aber wer allein der griechischen Syriza-Regierung mit ihrem antieuropäischen Kurs Respekt zollt, hat keine Chance, breitere Wählerschichten zu erreichen.