Die Stuttgarter Zeitung stellt die Spitzenkandidaten der aussichtsreichen Parteien vor der Landtagswahl in Interviews vor. Der Vormann der Linken, Bernd Riexinger, sieht seine Partei als treibende Kraft im Landtag – wenn sie denn hinein käme.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Da fehlt doch was, plakatieren die Linken im Land: Sie wollen im baden-württembergischen Landtag das soziale Gewissen verkörpern und die anderen Parteien dort herausfordern. Wie, erklärt der Spitzenkandidat Bernd Riexinger im Interview.

 
Herr Riexinger, der Wahlkampf wird bestimmt von den Fragen der Flüchtlingspolitik. Stehen Sie da mit Ihren sozialpolitischen Themen nicht einsam und alleine da?
Die Flüchtlingsfrage und die Frage nach sozialer Gerechtigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir stehen vor einer Zäsur: Welchen Weg soll das Land gehen, eher den von Ungarn oder Polen, oder gehen wir den Weg der Integration? Davon hängt ab, ob wir die soziale Frage lösen. Umverteilung ist keine Hexerei, sondern eine Frage des politischen Willens. In Deutschland besitzen die oberen zehn Prozent fast 52 Prozent des Nettovermögens. Wenn wir verhindern wollen, dass die in Deutschland lebenden Menschen gegen die Flüchtlinge ausgespielt werden, muss es Investitionen ins Soziale geben.
In den Wohnungsbau vor allem, oder?
Wir brauchen dringend 50 000 Wohnungen im Jahr. In Baden-Württemberg sind in den vergangenen 13 Jahren 84 000 Sozialwohnungen weggefallen. Das ist über die Hälfte. 2013 sind gerade mal 90 neue gebaut worden. Das ist das größte Versagen dieser Landesregierung. Wenn wir so weitermachen, brauchen wir 933 Jahre, um den Wohnungsbestand wieder aufzufrischen. Das ist doch Irrsinn.
Steht die Wohnungsfrage in Zusammenhang mit dem aktuellen Flüchtlingsthema?
Nein. Der Kahlschlag im sozialen Wohnungsbau läuft seit Jahren. Den Mangel an bezahlbaren Wohnungen gab es schon, bevor die Flüchtlinge gekommen sind. Da hätte schon längst etwas getan werden müssen. Das ist durch die Zuwanderung verschärft worden. Darum muss jetzt viel schneller gehandelt werden, sonst konkurrieren die einkommensschwächeren Schichten mit den Flüchtlingen um Wohnraum.