Eine Serie von Brandanschlägen in Berlin zielt auf Knotenpunkte. Die Ermittlungen bleiben zunächst erfolglos.  

Berlin - Die Angst fährt mit: Die Bahn sieht sich in Berlin einer beispiellosen Serie von Brandanschlägen ausgesetzt. Gerade noch rechtzeitig haben am Dienstag Bahn-Mitarbeiter erneut an mehreren Stellen im Streckennetz Brandsätze entdeckt. Wieder war der Hauptbahnhof ein Ziel der Attacken. Dort wurden an einem Tunnel mehrere Brandsätze gefunden.

 

Kurz zuvor hatten die Täter versucht, einen Knotenpunkt im Südosten der Stadt lahmzulegen. Dort wurden drei Brandsätze entdeckt, wie die Polizei mitteilte. Diese sollten nach Erkenntnissen der Ermittler Versorgungsleitungen treffen. Die Strecken wurden gesperrt, dutzende Züge wurden umgeleitet, es kam zu Verspätungen. Ein neues Bekennerschreiben tauchte am Dienstag nicht auf.

Bereits am Montag war ein möglicherweise folgenschwerer Brandanschlag auf den Hauptbahnhof verhindert worden - dort hatten die Täter an einem Tunnel mehrere Brandsätze deponiert, die aber nicht zündeten. Die Strecke Berlin-Hamburg ist seit einem Anschlag auf einen Kabelschacht am Montag früh lahmgelegt. Die Brandsätze - Eineinhalbliterflaschen mit brennbarer Flüssigkeit und Zeitzünder - ähneln sich ersten Ermittlungen zufolge in allen Fällen. Ein Bahn-Sprecher sagte, eine vergleichbare Serie von Anschlägen habe es bisher noch nie gegeben. Am Nachmittag wurden Streifen entlang der sensiblen Streckenabschnitte eingesetzt, die Polizei überwachte die Situation mit Hubschraubern aus der Luft.

Angriffe in Berlin werden immer agressiver

Die Behörden sehen Täter aus dem linksextremistischen Spektrum am Werk. Sie haben aber offensichtlich bis jetzt keine weiteren Erkenntnisse. Berlins Innensenator Ehrhart Körting sagte der Stuttgarter Zeitung, die Anschläge hätten eine neue Qualität erreicht, die man sehr ernst nehmen müsse. Berlin hat ein wachsendes Problem mit dem gewalttätigen Linksextremismus - die Zahl der Taten im ersten Halbjahr 2011 stieg bereits deutlich an.

Und die Angriffe werden aggressiver und kompromissloser. Es gab schon in der Vergangenheit Anschläge auf die sensible Technik der Bahn und auf Kabelschächte, in denen auch Mobilfunkanbieter ihre Netze verlegt haben. Extremisten schleuderten Gaskartuschen zum Beispiel auf das Haus der Wirtschaft und Brandbomben gegen Polizeiwachen und Arbeitsämter.

Vermummte warfen im Frühjahr Brandsätze auf eine Polizeiwache, als sich die Tür öffnete - damals entkam ein Gebäudereiniger, der sich im Flur aufhielt, nur mit Glück. Wenn bekannte Figuren wie die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett - wie auf einer Konferenz im Januar - zum "Abfackeln" von Bundeswehrgerät aufrufen, dann können sie mit Beifall rechnen.

Motiv der Linksextremen war unter anderem der Bundeswehreinsatz in Afghanistan

Wie viele der schon rituell angezündeten Autos auf Berlins Straßen auf das Konto von Linksextremisten gehen, ist allerdings fraglich. Die Ermittler gehen von einer Mischung aus politischen Motiven, Vandalismus und Versicherungsbetrug aus. Die Szene ist unstrukturiert und zersplittert. Die Gruppe, die sich am Montag zu den Anschlägen bekannt hat, ist bis dato nicht in Erscheinung getreten. Sie nennt sich nach einem isländischen Vulkan "Hekla - Initiative für gesellschaftliche Eruptionen". Der Name nimmt bewusst Bezug auf eine Gruppe, die im Frühjahr ein Kabelverteilzentrum am Ostbahnhof in Brand gesetzt hatte und sich nach dem Vulkan Eyjafjallajökull benannt hatte.

Als Motiv geben die Täter in einem langen, teils verworrenen Schreiben unter anderem den Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan und Rüstungsexporte an. Die Sabotage solle die Hauptstadt "in den Pausenmodus" zwingen. Menschen sollten nicht gefährdet werden, so die Verfasser.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit verurteilte die Anschläge scharf: "Keine noch so krude Ideologie rechtfertigt kriminelle Aktionen, mit denen die Täter neben massiver Sachbeschädigung auch Leib und Leben einer großen Zahl von Menschen gefährdet haben." Wowereit appellierte an die Bevölkerung, wachsam zu sein.