Am Dienstag ist der Tag der Linkshänder. Noch immer haben sie mit Problemen im Alltag zu kämpfen. Viele Linkshänder wurden früher auf rechts umgepolt – mit teils fatalen Folgen. Warum es in einer rechtslastigen Welt Linkshänder gibt, ist ein Rätsel.

Stuttgart - Der Mensch an sich ist rechtslastig. Das merkt man nicht nur daran, dass neun von zehn Menschen mit der rechten Hand nach dem Stift oder der Kaffeetasse greifen. Ganz einfache Versuche machen deutlich, dass auch andere Körperteile auf rechts getrimmt sind: Man zielt beim Schießen mit einem Gewehr oder beim Blick ins Mikroskop mit dem rechten Auge. Versucht man mit nackten Füßen ein Papier zu krallen, werden es die meisten Menschen spontan mit den rechten Zehen versuchen. Das ist auf allen Kontinenten und in allen Kulturkreisen so. Und schon seit Urzeiten. Auch der Neandertaler bevorzugte die rechte Hand: Bereits vor einer halben Million Jahre kamen neun Rechtshänder auf einen Linkshänder, berichtete vor zwei Jahren die Fachzeitschrift „Laterality“.

 

Linkshänder haben weder Nachteile noch Vorteile

Interessanterweise jedoch hält sich die Zahl der Linkshänder seit Menschengedenken auf gleichbleibend niedrigem Niveau – obwohl sie weder einen evolutionären Nachteil noch Vorteil haben. Erklären lässt sich das evolutionsbiologisch nicht. Man hat sich geeinigt auf eine „Spielart der Natur“, so wie es beispielsweise auch gleichbleibend viele rothaarige Menschen gibt. Auch Genetiker können bei der Spurensuche nicht wirklich weiterhelfen. Zwar glaubte man vor einigen Jahren zumindest ein Stück Erbgut gefunden zu haben, das für die Präferenz der linken Hand stehen könnte. Doch ruderten die Fachleute schnell wieder zurück, da sogar eineiige Zwillinge ihre Hände unterschiedlich einsetzen, der eine schwört auf rechts, der andere auf links. Allerdings ist auffällig, dass Kinder, deren Vater und Mutter die linke Hand bevorzugen, meist auch Linkshänder sind.

Befragt man die Hirnforschung, so stößt man bei der Spurensuche auch hier auf Rätsel. Die beiden Hirnhälften steuern jeweils die gegenüber liegenden Organe. Die linke Gehirnhälfte kontrolliert die rechte Seite des Körpers. Gleichzeitig liegt hier auch das Sprachzentrum. Aufgrund dieser räumlichen Nähe besteht, so argumentieren manche Forscher, eine direkte Verbindung zwischen Sprache, Schreiben, Lesen und der Rechtshändigkeit. Dagegen spricht jedoch eindeutig, dass Linkshänder ihr Sprachzentrum ebenfalls in der linken Hirnhälfte haben – bis auf sehr wenige Ausnahmen.

Früher wollte man Linkshänder auf rechts umpolen

Bei der Spurensuche nach dem Ursprung der Links- oder Rechtshändigkeit können Wissenschaftler also nicht weiterhelfen, wohl aber beim Umgang damit. Noch vor etwa fünfzig Jahren war man überzeugt davon, dass Linkshändigkeit abtrainiert werden muss. Man wollte Linkshänder umpolen: Den Kindern wurde der linke Arm auf den Rücken gebunden oder gar eingegipst. In der Schule wurde ihnen beim Griff zum Füller mit dem Rohrstock auf die linken Finger die Wahl der Hand ausgetrieben. Mit teilweise fatalen Folgen, sowohl für die körperliche als auch die psychische Gesundheit. Denn eine Umpolung findet nicht statt, das haben neurologische Untersuchungen ergeben.

Die Schriftführung von links nach rechts birgt Probleme

Bei Linkshändern werden Bewegungen von der rechten Gehirnhälfte gesteuert. Wenn sie jedoch mit rechts schreiben gelernt haben, wechselt die Kontrolle auf die andere Seite des Hirns, stellten Forscher bei einer Untersuchung von umgelernten Linkshändern im Kernspintomografen fest. Das Planungszentrum für alle Handlungen bleibt jedoch in der rechten Hirnhälfte. Je besser die Linkshänder umgepolt worden waren, umso aktiver war dieses Planungszentrum. Die Forscher folgerten daraus, dass das Gehirn selbst einfache Handbewegungen – im Experiment mussten die Versuchspersonen lediglich auf Tasten drücken – zeitlebens mit der dominanten Hirnhälfte vorbereitet. Gleichzeitig bedeutet die höhere Aktivität im rechten Bewegungszentrum, dass umgelernte Linkshänder mehr Aufmerksamkeit und Konzentration für ihre Koordination brauchen. Und damit vielleicht beim Schreiben anfälliger für Fehler werden.

Schreiben ist eine der feinsten Koordinationsleistungen des Menschen, für Linkshänder ganz besonders. Die deutsche Schrift führt von links nach rechts und von oben nach unten. Daher müssen linkshändige Kinder eine ganz andere Schreibhaltung einnehmen als ihre rechtshändigen Schulfreunde. Meist knicken sie die Hand in der sogenannten Hakenhaltung ein. Damit schreiben sie gewissermaßen von hinten um die Zeile herum, so dass sie das Geschriebene sehen können und nicht verwischen. Das kann zu Verspannungen führen, die zu ernsten Haltungsproblemen werden können, und dies nicht erst als Erwachsene.

Stifte und Füller für Linkshänder helfen

Daher sollten Eltern von Linkshändern früh auf die richtige Schreibhaltung für Linkshänder achten, rät Johanna Barbara Sattler, Leiterin der Beratungsstelle für Linkshänder. Die abgewinkelte Hakenhaltung der Hand sei als Jugendlicher oder Erwachsener nur noch schwer zu korrigieren. Vor der Einschulung sollten Linkshänder schon einmal Schreibübungen machen. Dabei hilft der richtige Stift oder Füller und eine Schreibunterlage eigens für Linkshänder. Die Unterlage gibt vor, wie das Blatt liegen muss, damit das Geschriebene sichtbar bleibt und nicht verschmiert.

Zwar wird in Deutschland kein Kind mehr offiziell gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben, dennoch gibt es sicher ein ganze Menge Kinder, die sich selbst umpolen. Kleinkinder lernen vor allem, indem sie ihre Umwelt beobachten und nachahmen. Weil die meisten Menschen die Spielsachen oder das Fläschchen mit rechts greifen, nehmen Linkshänder-Kinder dies an. Sie greifen den Bauklotz mit links, geben ihn nach rechts und greifen ihn schließlich mit rechts.