„Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“ – so lautet der zentrale Satz des Vorstandsbeschlusses von diesem Samstag. Das Tischtuch ist endgültig zerschnitten.

Das Tischtuch zwischen der Führung der Linkspartei und Sahra Wagenknecht ist endgültig zerrissen. Den Bruch zwischen Partei und ihrer prominentesten Politikerin dokumentiert ein Vorstandsbeschluss, der unserer Zeitung vorliegt. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“ – so lautet der Schlüsselsatz eines am Samstagnachmittag vom Parteivorstand verabschiedeten Beschlusses, der anschließend von den beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan öffentlich gemacht wurde.

 

In der verabschiedeten Erklärung werden der populären Abgeordneten „Erpressungsversuche“ vorgeworfen. So sei es zu bezeichnen, „wenn einzelne sich systematisch über Mehrheiten hinwegsetzen und versuchen, der Linken durch öffentliche Einlassungen über die Medien sowie durch die Drohung mit der Gründung einer konkurrierenden Partei, einen anderen Kurs aufzuzwingen“, heißt es in dem Beschluss.

Mit der Entschließung der Parteiführung erreicht der Dauerkonflikt mit Wagenknecht den Höhepunkt. Seit Jahren hatte Wagenknecht vor allem in der Asylpolitik Positionen vertreten, für die sie auf Parteitagen keine Mehrheit mobilisieren konnte. Auch das Bemühen der alten Parteiführung um den Stuttgarter Bernd Riexinger und Katja Kipping, die Partei für neue Wählermilieus – etwa in großstädtischen akademischen Kreisen – zu gewinnen, wurde von Wagenkecht scharf kritisiert. Sie sprach verächtlich von der neuen „Lifestyle-Linken“. Auch Wagenknechts Russland-freundliche Haltung zum Ukraine-Krieg war in der Partei nicht unumstritten geblieben.

Zuletzt hatte es immer neue Gerüchte um Pläne Wagenknechts gegeben, eine eigene Partei zu gründen. Entsprechende Absichten hatte die Politikerin nie eindeutig dementiert. Dagegen hatte sie sich bereits festgelegt, nicht mehr als Kandidatin der Linken für den nächsten Deutschen Bundestag zu kandidieren. Letzter Anlass für den offenen Bruch ist nach Recherchen unserer Zeitung ein unversöhnlich verlaufenes Gespräch des geschäftsführenden Parteivorstands mit Wagenknecht in der letzten Maiwoche.

Wagenknecht soll das Bundestagsmandat zurückgeben

Formal ist der Beschluss des linken Parteivorstands kein Parteiausschluss, gegen den Wagenknecht sich in einem womöglich langen parteigerichtlichen Verfahren wehren könnte. Aber die Parteispitze drängt Wagenknecht nun zur Rückgabe ihres Bundestagsmandats. „Es ist ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben“, heißt es in der Erklärung vom Samstag. Es sei „nicht akzeptabel, dass Ressourcen aus für Die Linke gewonnenen Mandaten für den Aufbau eines Konkurrenzprojektes genutzt werden“. Tatsächlich war Wagenknecht in der Bundestagfraktion in dieser Wahlperiode kaum anwesend.

Die Parteiführung sieht sich offenbar nach für sie akzeptablen Landtagswahlergebnissen in den Stadtstaaten Berlin und Bremen stark genug, um nun den offenen Bruch zu vollziehen. In aktuellen Meinungsumfragen liegt Die Linke wieder oberhalb der 5-Prozent-Marke. Eine Parteigründung durch Wagenknecht wäre allerdings eine erhebliche Bedrohung für die Zukunft der Linkspartei. Meinungsforscher geben einer Wagenknecht-Partei gute Chancen, durch die Übernahme populistischer Positionen ein erhebliches Reservoir an Proteststimmen zu sammeln.

Die große Frage: Wagt sie den Sprung?

Die Frage ist nun, ob Wagenknecht diesen Sprung wagt. Sie hatte selbst eingeräumt, dass sie nicht die Kraft und das Talent habe, selbst eine tragfähige Parteiorganisation aufzubauen. Sie bräuchte also politikerfahrene Organisatoren als Mitstreiter. Seit Langem sondiert das Wagenknecht-Lager, ob die zu finden sind. In der Partei wird durchaus damit gerechnet, dass Wagenknecht schließlich den Versuch starten wird.