Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, buhlt um die Parteien SPD und Grüne – mit immer wieder neuen Vorschläge für gemeinsame Initiativen, bevor die neue Regierung steht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Kaum ein Tag vergeht seit der Wahl, ohne dass die Linkspartei einen Vorschlag für Initiativen mit SPD und Grünen macht. Erst sollen die linken Parteien mit ihrer rechnerischen Mandatsmehrheit im Bundestag einen gesetzlichen Mindestlohn beschließen, dann einen Mitgliederentscheid über ein rot-rot-grünes Bündnis abhalten. Doch die Adressaten winken ab. „Offensichtlich sind wir die Einzigen, die wirklich Ernst machen wollen“, sagt Linken-Chef Bernd Riexinger der StZ.

 

Der Stuttgarter stellt weitere Vorstöße in Aussicht: „Es gibt einige Dinge, die sofort gemacht werden können und für Millionen Menschen unmittelbar zur Verbesserung der Lebensverhältnisse führen würden.“ So ließe sich mit Hilfe der Mindestrente und einer günstigeren Rentenformel massenhafte Altersarmut verhindern. Auch „banale Dinge“ wie die Rücknahme des Betreuungsgeldes oder die Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses für Hartz-IV-Empfänger ließen sich rasch umsetzen. Er sei „überzeugt davon, dass die Mitglieder der SPD sehr einverstanden wären mit so einer Vorgehensweise“, sagt er. „Die erhoffen sich einen wirklichen Politikwechsel und werden tief enttäuscht sein, wenn ihre Partei wieder in die Große Koalition geht.“

Tabu: rot-rot-grüne Projekt

Dass SPD und Grüne bislang keine Neigung zeigen, sich bezirzen zu lassen, findet der Parteichef gerade in Hessen unverständlich, weil dort die Kontroversen zur Außen- und Europapolitik gar keine Rolle spielten. „Offensichtlich hat die SPD-Führung eine grundsätzliche, unverständliche Blockade“, betont Riexinger. „Es fehlt ihr der Mut, den sie einst bei Rot-Grün auch mal aufbringen musste.“ Damals sei das Bündnis von SPD und Grünen ähnlich umstritten gewesen. Nunmehr sei „in der SPD-Führung niemand, der ein bisschen Courage aufbringt“, stichelt er.

So versucht die Linke, die SPD vor sich herzutreiben und das tabuisierte rot-rot-grüne Projekt im Gespräch zu halten. Im Falle einer Großen Koalition wäre die Linke stärkste Oppositionspartei – ihrem Aushängeschild Gregor Gysi wäre als Oppositionsführer viel Aufmerksamkeit sicher. Als nachteilig könnte sich hingegen erweisen, dass die Geschäftsordnung des Parlaments den kleinen Parteien Linke und Grüne mit insgesamt 127 Sitzen wenig Entfaltungsmöglichkeiten lässt. Union und SPD wären mit ihren 503 Sitzen übermächtig.

Gleichberechtigung im Parlament gefordert

Daher kündigt Riexinger für diesen Fall Initiativen zur Senkung der Quoren an – etwa zur Einführung von Untersuchungsausschüssen. „Es kann nicht sein, dass dieses Mittel völlig verwirkt wäre, nur weil wir zusammen keine 25 Prozent aufbrächten“, sagt er. „Wir müssten dafür sorgen, dass die Opposition im Bundestag gleichberechtigt ist mit den Regierungsparteien.“ Schon während der Großen Koalition von 2005 bis 2009 waren die Quoren von einem Drittel gesenkt worden, um FDP, Grünen und Linken die Minderheitenrechte zu sichern.

Mit den 8,6 Prozent der Stimmen vom Sonntag sieht Riexinger gute Perspektiven für seine Partei. „Wir dürfen uns nur keine Fehler erlauben und müssen ein hohes Maß an Geschlossenheit zeigen“, mahnt er. Das beginnt schon beim Konflikt über die Fraktionsspitze: Bleibt Gysi alleiniger Chef, oder bekommt er Sahra Wagenknecht an die Seite gestellt? „Wir sind gerade dabei, mit dem Fraktionsvorsitzenden und unter Einbeziehung aller Akteure, die dafür gehandelt werden, einen Vorschlag auszuarbeiten, der hoffentlich auf breiten Konsens stößt“, sagt Riexinger. Am 8./9. Oktober hat die Fraktion ihre Klausur. Bis dahin müsse die Sache in trockenen Tüchern sein. „Natürlich stoßen da unterschiedliche Interessen aufeinander“, ergänzt der Parteichef. „Aber wir haben die Voraussetzungen, eine Lösung zu finden, die nicht in einer Kampfabstimmung enden wird.“