Der Ex-Parteichef Oskar Lafontaine wollte den Preis für seine Rückkehr an die Spitze diktieren – und hat sich dabei verkalkuliert. Jetzt muss es die zerstrittene Partei ohne ihre Lichtgestalt richten.

Berlin - Es ist ein schwerer Schlag für die Linke. Oskar Lafontaine, der frühere Parteichef und Hoffnungsträger der Linken, kündigte seine Bereitschaft auf, wieder als Parteivorsitzender und Spitzenkandidat der Partei anzutreten. Viele in der Partei hatten gehofft, dass die Lichtgestalt ein weiteres Mal die zerstrittenen Lager zusammenzwingen würde. Aber Lafontaine konnte den Preis für seine Rückkehr in die Bundespolitik nicht diktieren. Also macht er es nicht. Und die Partei muss es ohne ihn richten.

 

Um 17 Uhr ging die Mail mit jener Erklärung ein, die wohl das endgültige Ende der bundespolitischen Ambitionen Lafontaines bedeutet. Er habe die Partei in einer für sie „sehr schwierigen Situation nicht im Stich“ lassen wollen und deshalb seine Bereitschaft erklärt. Er habe aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass daraufhin „die Konflikte weiter eskaliert sind“. Dies aber sei „kein Umfeld, in dem ich mich in der Lage sehe dazu beizutragen, dass die Linke wieder eine starke politische Kraft wird.“ Doch Lafontaine will nicht allein abtreten. Jedenfalls deutete er an, dass er auch von seinem Kontrahenten, Fraktionsvize Dietmar Bartsch, einen Rückzug erwarte. Nur „ein passender Neuanfang jenseits der bisherigen Konfrontationslinien“ könne die „derzeitige festgefahrene Situation überwinden“. Soll heißen: auch Bartsch soll seine Sachen packen. Der Machtkampf ist noch nicht zu Ende. Denn ein Lafontaine will nicht allein verlieren.

Eigentlich wollte die Linke an diesem Nachmittag von den Griechen das Siegen lernen. Die dortige Schwesterpartei Syriza war bei den Parlamentswahlen Anfang Mai als zweitstärkste Kraft hervor gegangen. Demoskopen sagen dem Bündnis der radikalen Linken bei der Neuauflage der Wahl Mitte Juni 28 Prozent voraus. Werte sind das, von denen die Linke hierzulande nur träumen kann. Deshalb war es Parteichef Klaus Ernst und Fraktionschef Gregor Gysi ein Anliegen, Syriza-Chef Alexis Tsipras in Berlin willkommen zu heißen. Aber Lafontaine ließ das Treffen, mit dem die Linke mal wieder inhaltlich Präsenz zeigen wollte, zur Randnotiz verkommen.

Viele Gespräche – aber ein Konsens ist nicht zu finden

Lafontaine muss sich zuletzt isoliert gefühlt haben. Mehrere Gesprächsrunden, zuletzt eine mit ihm, Ernst und Bartsch am Sonntagabend, hatten zu keinem Ergebnis geführt. Gysi, zunächst noch ein Befürworter einer Kandidatur Lafontaines als Parteichef, setzte die Hartleibigkeit des Saarländers derart zu, dass er am Montag überraschend die Fronten wechselte. Er hatte den Saarländer dazu bewegen wollen, Bartsch als Bundesgeschäftsführer zu akzeptieren. Lafontaine lehnte dies aber kategorisch ab. Zugleich schloss Lafontaine aber auch eine Kampfkandidatur gegen Bartsch aus.

Gysi hatte nach der gescheiterten Schlichtung eine Presseerklärung veröffentlicht, die einer Abkehr von Lafontaine gleich kommt. „Da Oskar Lafontaine Dietmar Bartsch als Bundesgeschäftsführer nicht akzeptiert, entfiel für Dietmar Bartsch die Überlegung, seine Kandidatur als Parteivorsitzender zurückzuziehen. Niemand kann jetzt Dietmar Bartsch verübeln, seine Kandidatur aufrecht zu erhalten“. Auch Lafontaines ehemaliger Co-Vorsitzender Lothar Bisky hatte sich klar für Bartsch ausgesprochen. Ernst hingegen hielt bis zuletzt weiter zu seinem Förderer Lafontaine und ließ offen, ob er bei einer Kandidatur Bartschs an Lafontaines Stelle eine Kampfkandidatur wagen wird.

Und so war bei dem gemeinsamen Auftritt von Tsipras mit Ernst und Gysi nur der Mann aus dem Krisenland bester Dinge. Zu seiner Linken und zu seiner Rechten saßen dagegen mit Gysi und Ernst zwei zerknirschte Kontrahenten, denen die Zügel entglitten sind, die sich nicht anders zu helfen wissen, als eine innerparteiliche Solidarität zu beschwören, die in der Linken zuletzt so selten anzutreffen war wie eine Sanddüne am Südpol. Gysi wirkte so, als habe er resigniert. Er habe ja nichts dagegen, dass hinter den Personen, die um die Macht buhlen auch unterschiedliche politische Konzepte stünden, sagte er. Aber seine Vorstellung sei immer gewesen, dass sich diese Ansätze ergänzen und gegenseitig stärken, statt dass sie sich bekämpfen.

Seit gestern sind die um die Macht raufenden Männer bei den Linken immerhin nicht mehr unter sich. Die Partei wählt laut Satzung zwei Vorsitzende, eine Frau und einen Mann. Jetzt haben zwei Frauen ihre Kandidatur in Aussicht gestellt, die keiner auf der Rechnung hatte. Die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann warf ihren Hut in den Ring. Ihr Manko: kaum jemand kennt sie. Auch Katharina Schwabedissen erwägt eine Kandidatur, will dies aber noch mit ihrem Landesvorstand und ihren Söhnen besprechen. Ihr Manko: sie hat eben erst als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen eine herbe Niederlage hinnehmen müssen.