Die neue Führung der Linkspartei öffnet sich gegenüber der SPD – ein rot-rot-grünes Bündnis unter bestimmten Bedingungen inklusive. Oskar Lafontaine zieht mit.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - Inhaltlich steckt kein radikaler Kurswechsel hinter dem neunseitigen Strategiepapier der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger – doch die Tonlage ist freundlicher geworden. Mit Blick auf die Bundestagswahlen 2013 will die Linke die SPD nicht mehr nur attackieren, sondern auch die Gemeinsamkeiten herauskehren. Und wer könnte das Bemühen um eine konstruktivere Atmosphäre besser flankieren als Oskar Lafontaine, der Erzfeind vieler Sozialdemokraten?

 

Er habe „nicht das geringste Verständnis“ für die Abgrenzung der SPD von seiner Person, sagt der Saarländer dem Deutschlandradio. „Denn Politik ist kein Kindergarten.“ Er habe selbst Vorbehalte gegenüber sozialdemokratischen Führungspersonen. „Ich würde aber jederzeit solche kindischen Befindlichkeiten zurückstellen, wenn es darum geht, den Mindestlohn durchzusetzen oder die Rentenformel wieder zu verbessern“, sagt Lafontaine.

Doppelstrategie gegenüber der SPD

Raus aus der Isolation: dass sich die Linke nicht mehr als die Eine-gegen-alle-Partei darstellen und das Gros der Wähler abschrecken will, heben Riexinger und Kipping deutlich hervor: „Grundsätzlich wird der Wahlkampf in einer zuhörenden, einbindenden, einladenden Tonalität angelegt sein“, heißt es in dem der StZ vorliegenden internen Schriftstück, das auf der Parteivorstandsklausur am 8. und 9. September erörtert werden soll. Gegenüber der SPD empfehlen die Vorsitzenden eine Doppelstrategie: einerseits eine klare Kritik der Positionen zum Fiskalpakt, zur Eurokrise, zur Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte oder zu Militäreinsätzen. „Anderseits sollten Vorschläge, die in die richtige Richtung gehen, positiv aufgegriffen und mit dem konkreten parlamentarischen Verhalten abgeglichen werden.“

Konkret bedeutet das: Durch immer neue Anträge im Bundestag will die Linke die SPD auf die Probe stellen und „die Möglichkeiten gesellschaftlicher Mehrheiten für eine andere Politik deutlich machen“. Dies wird nun als Hinwendung zu den Sozialdemokraten interpretiert, entspricht aber dem, was Riexinger und Kipping zuletzt mehrfach gesagt haben. Denn das Diskussionspapier ist auch ein Resultat der Sommertour durch Niedersachsen und Ostdeutschland. In den neuen Ländern war der Vorsitzende aus Stuttgart von reformorientierten Kommunal- und Landespolitikern oft gemahnt worden, dass die Linkspartei nur mit einer pragmatischen Politik erfolgreich sein könne. Die alte Führung, so wurde an der Basis bemängelt, hätte zu stark auf Fundamentalopposition und außerparlamentarische Gruppen gesetzt. Dies gab Riexinger offenbar zu denken.

Drei Bedingungen für eine Koalition

So beschreibt die Doppelspitze offensiver als je zuvor ein rot-rot-grünes Bündnis als Ziel für 2013 – auch vor dem Hintergrund, dass „Rot-Grün allein weiter weg ist von der Mehrheit als die Erde vom Mond“, wie Riexinger sagt. Aufbauend auf den „roten Haltelinien“ werde sich die Partei an einer Linksregierung beteiligen, die erstens für eine friedliche Außenpolitik stehe, wozu ein sofortiger Stopp von Rüstungsexporten und die Ablehnung von Militäreinsätzen im Ausland gehöre. Zweitens dürfe kein Mensch unter 1000 Euro im Monat fallen, was eine Mindestrente, eine sanktionsfreie Mindestsicherung und ein Mindestlohn sicherstellen sollen. Drittens soll „Reichtum couragiert besteuert“ werden.

Die Forderung nach Auflösung der Nato oder einem Austritt aus dessen militärischen Strukturen – wie es im Grundsatzprogramm steht – findet sich nicht wieder. Die Hürden bleiben jedoch hoch: Wenig überraschend reagieren SPD und Grüne ablehnend auf die Avancen. Für die SPD komme die Linke als Koalitionspartner nicht in Betracht, sagt Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Und die Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke versichert, ihre Partei strebe „definitiv“ keine rot-rot-grüne Bundesregierung an.