Die Kabarettistin Lisa Eckhart tritt derzeit in verschiedenen Rollen auf: als Gott-sei bei-uns der politischen Korrektheit, als Märtyrerin moralischer Zensur und als Romanautorin. An diesem Montag erscheint ihr Debüt „Omama“. Wie gehört das alles zusammen?

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Tutteln, Zumpferln, Popscherln sind die eigentlichen Helden dieser Geschichte. Meistens geht es darum, dass irgendein gamsiger Lotter sein Zumpferl in die Ritze irgendeiner Dorfmatratze schieben möchte, die gerade zu safteln angefangen hat. Und wenn man einmal kurzzeitig den Faden verliert, weil die ein oder andere Pointe erst mühsam aufgebaut werden will, dauert es meistens nicht lange, bis wieder ein Flitscherl von irgendeinem Deppen ausgegriffen wird – und schon ist das Zumpferl wieder im Spiel.

 

Es ist, gelinde gesagt, ein überschaubares Motivationsgeflecht, das die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart in ihrem Romandebüt „Omama“ entwirft. Nimmt man noch eine Neigung zur Trunksucht, ein großes Interesse für das Leistungsvermögen des menschlichen Verdauungsapparats sowie eine beachtliche Tendenz zu Bösartigkeit und Niedertracht, dann hat man eigentlich die Elemente der robusten Anthropologie schon beisammen, die die 27-jährige Autorin nicht müde wird, in immer neue sprachliche Gewänder zu kleiden.

Es ist eine alte Geschichte, deren kürzeste Fassung lautet: Der Mensch ist doch ein rechtes Tier. Und wäre da nicht jener andere aktuelle Vorfall – wer weiß, ob man der literarischen Debütantin auf knapp 400 Seiten durch das Leben ihrer Großmutter gefolgt wäre, um sich an ihrem Beispiel die Welt erklären zu lassen. Jene andere Geschichte handelt von dem Streit, der im Vorfeld des Erscheinens von „Omama“ entbrannt ist. Denn als Welterklärerin ist Lisa Eckhart auch auf ihrem bisherigen Kerngebiet des Kabaretts in Verruf geraten, weil ihre satirische Indienstnahme sexistischer, antisemitischer oder homophober Klischees bisweilen Sexismus, Antisemitismus und Homophobie zum Verwechseln ähnlich sehen.

Moralisch mobilisierter Mob

Mit ihrem Roman war sie für den Debütpreis des Hamburger Harbourfront Festivals nominiert. Nach angeblich „linksextremen Drohungen“ wurde sie in der vergangenen Woche wieder ausgeladen. Die angekündigten Proteste entpuppten sich bei näherer Betrachtung als voreilige Warnungen besorgter Nachbarn. Die Schriftstellervereinigung PEN übte Kritik. Die Ausladung wurde zurückgezogen. Doch irgendwann stieß auch die brachiale Humorbereitschaft Lisa Eckharts an ihre Grenzen. Sie lehnte ihre Teilnahme ab.

Seitdem wird heiß über eine sogenannte „Cancel Culture“ diskutiert: ob ein moralisch mobilisierter Mob dabei sei, ihm unliebsame Stimmen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Dem Roman wurde damit eine Publizität zuteil, mit der es ein noch so wohlbeleumundeter Debüt-Preis nie hätte aufnehmen können.

Schießbudenfiguren im Aufklärungsunterricht

Die Geschichte beginnt mit einer kolossalen Verstopfung des Säuglings, der später zu der kabarettistischen Kunstfigur heranwachsen wird, deren penibles Styling in sprechendem Kontrast zu den verwilderten Anstößigkeiten steht, die sie in blasiertem Austro-Singsang serviert.

Zwei Großmütter ringen zunächst um die Enkelin. Eine wird schon rasch bei einem Fahrradunfall aus dem Rennen geboxt. Alle Enkel berichten von zwei Großmüttern, schreibt Lisa Eckhart, einer guten und einer bösen: „Ich werde niemals wissen, welche von beiden am Straßenrand starb.“ Doch nicht nur wegen solcher Unentschiedenheit zögert man, den Roman für eine Hommage an diejenige zu halten, bei der die Autorin die ersten Jahre ihrer Kindheit verbracht hat.

Denn es sind vor allem Schießbudenfiguren, auf die Lisa Eckhart ihren Aufklärungsunterricht anlegt. Da ist der Russe, vor dem Großmutter Helgas schöne Schwester Inge unter dem Bett versteckt werden muss. In Wirklichkeit hat er jedoch ein viel größeres Interesse an dem selbstgebrannten Marillenschnaps des Urgroßvaters. Der Russe eben. Später verdingen sich die Mädchen als Hausmädchen, „Helga passt auf die Kinder auf und die Inge, dass sie keins kriegt.“ Jene vergreift sich am Parfüm, diese am Professor, der es vor allem liebt, in Inges Wissenslücken zu stoßen. Das Flitscherl eben.

Lose halten zwischen Altklugheit und Regression flackernde Scherze die Fragmente der großmütterlichen Biografie zusammen. Manchmal klingt das wie Elfriede Jelinek im Sonderangebot, manchmal wie Werner Schwab für Snobs. Doch wo es in den Werken jener um Entlarvung geht, geht es Lisa Eckhart um Einkleidung. Jede Niedrigkeit brezelt sie auf zur schrillen Pointe. All dies ist noch kein Verbrechen – sondern schlimmstenfalls ein misslungenes Debüt.