Lisa Stansfield ist zurück. Am 6. April erscheint „Deeper“, das neue Album der britischen Sängerin. Ein Gespräch, bei dem gelacht, gewütet und auch geweint wird.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Berlin - Eine sehr enge Lederjacke umschließt den schmalen Oberkörper. Lisa Stansfield, 51 Jahre alt, macht wieder Musik, die klingt, als wären die neunziger Jahre erst gestern gewesen. Sie klingt sehr nach Lisa Stansfield, nach Soulmusik, nach Zeitlosigkeit und nach Satinbettwäsche. Lisa Stansfield hat ein so dunkles, dreckiges Lachen, das von einem Bauarbeiter stammen könnte, der anzügliche Witze erzählt und Bier mit den Zähnen aufmachen kann. Ein Gespräch, bei dem gelacht, gewütet und auch geweint wird.

 
Ms. Stansfield, Ihr neues Album heißt „Deeper“. Warum das?
Es geht um mein Leben jetzt. Ich lebe, reise, mache viel. Alles wird anders, wenn man älter wird. Und es wird eben tiefer. So hat sich auch die Beziehung zu meinem Ehemann entwickelt. Die Liebe verändert sich, sie wird stärker.
Sie sind seit 30 Jahren mit Ihrem Mann zusammen.
Und seit 20 Jahren verheiratet.
Wie verändert sich die Liebe im Laufe der Zeit?
Unsere Liebe hat sich verändert, wir haben viel miteinander durchgemacht. Noch dazu arbeiten wir zusammen. Wir sind beste Freunde, wie Verbündete. Das ist großartig. Man muss aber auch ungezogen sein, sonst funktioniert es nicht. Wir verhalten uns manchmal wie Kinder.
Ihr Mann hat auch wieder an dem neuen Album mitgearbeitet, das ganz nach Lisa Stansfield klingt.
Mit dieser Platte habe ich mal wieder meinen Stil gefunden. Auch wenn das nicht heißt, dass ich wieder dasselbe Album wie vor vielen Jahre machte.
In dem Lied „Twisted“ gibt es einen Popvers, einen Northern-Soul-Teil und auch lateinamerikanische Elemente. Sie sind in der Nähe von Manchester aufgewachsen. Hat Sie Northern Soul geprägt?
Für Northern-Soul-Clubs war ich noch etwas zu jung. Ich habe meinen ersten Kuss zu einem Northern-Soul-Song bekommen. Das war „Needle in a Haystack“. Der Kuss war nicht so gut, da bin ich weggerannt. Northern Soul ist eine Einstellung. Die Musik kam aus Detroit in die englischen Städte, in denen es einfach nichts gab. Gute Musik entsteht immer in solchen Orten. An Orten, wo es furchtbar langweilig ist. Musik entsteht aus einer Frustration heraus. Man versucht damit, aus diesem Ort herauszukommen. In Northern-Soul-Musik lag viel Hoffnung. Sie wurde nur Northern Soul genannt, weil sie im Norden Englands entstand. Amerikaner haben es nicht als Northern Soul bezeichnet.
Welche Musik hat Ihnen Hoffnung gegeben?
Ich wuchs mit der Plattensammlung meiner Mutter auf. Das war Motown, Diana Ross, Barry White. Da war ich noch sehr jung und wir beobachteten die Eltern, wie sie zum Friseur gingen und sich für Partys stylen ließen.
Auch ein Thema, von dem Sie singen.
Auf meinem Album gibt es die perfekte Musik, um Make-up aufzutragen und sich für die Nacht fertig zu machen.
Sie sprechen von „Love of My Life“.
Genau. In dem Song geht es um eine ganz besondere Freitagnacht, eine Nacht, in der man alles auf eine Karte setzt. In der man vielleicht die Lotterie gewinnen kann. Die Zukunft sieht rosig aus, man findet diese Nacht die bestimmte Person. Manchmal klappt das ja.
Warum ist dieses Gefühl bei Ihnen so präsent? Sie haben ja die Liebe Ihres Lebens schon lange gefunden.
Ja, und das vergesse ich eben nie. Wenn man etwas Wunderbares hat, sollte man es nie als gegeben betrachten. Es ist sehr einfach, alles zu verlieren. Es geht immer um den gegenseitigen Respekt.
Würden Sie Ihr neues Album als Comeback bezeichnen?
Es ist eher eine Renaissance. Man hört immer noch, dass es von mir ist, aber es fühlt sich anders an.
Hat sich das Musikbusiness in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Die Logistik hat sich verändert, das Geschäft an sich nicht. Es geht darum, dass die Leute die Musik mögen. Und wenn sie sie mögen, dann rollt der Ball. Das war schon immer so. die Leute glauben, dass sich ach so viel verändert hat, aber eigentlich ist es doch dasselbe. Es geht um den Popsong. Man setzt sich hin, denkt nach und hat eine Idee. Das menschliche Gehirn ist immer noch das Wichtigste. Wer eine lebendige Fantasie hat, ist ein glücklicher Mensch. Ich beobachte ständig Menschen, schreibe die ganze Zeit Geschichten und Songs.
Sie haben auch als Schauspielerin gearbeitet. War das irgendwann eine Option zur Musikkarriere?
Ich mag beides. Aber solange ich Musik machen kann, mache ich Musik. Ich frage mich immer, wie lange das wohl noch geht. Ich fühle mich noch nicht alt, aber auch ich werde älter. Für das Rentenalter wäre Schauspielerei eine Option. Man kann eine alte Frau oder auch ein Alien spielen. Man muss nicht für immer 21 Jahre sein. Als Schauspielerin ist es spannend, auch hässliche Rollen zu spielen.
Heißt das, dass man in der Popmusik jung sein muss?
Bis zu einem gewissen Punkt ja. Popmusik ist eine Jugendkultur. Es wird Tag kommen, an dem ich da nicht mehr rein passe. Aber ich hoffe, dass das noch eine Weile dauert.
Es gibt aber viele alte Männer, die Musik machen.
Das stimmt. Bei den Frauen geht es aber häufiger um das gute Aussehen und um Schönheit. Es ist gut, dass ich keine klassische Schönheit und kein klassischer Popstar bin. Das war ich noch nie. Ich habe mir nie die Brüste machen lassen, bin kein Sexsymbol. Das kommt mir heute zugute. Die Fans finden es okay, dass ich ein paar Falten bekomme.
Sie werden auch immer als politische Künstlerin wahr genommen.
Ich bin nicht politisch, ich habe eben meine Meinung.
Wie ist Ihre Meinung zum Brexit?
Ich kann mich nur dafür entschuldigen, ich habe nicht dafür gestimmt. Ein Haufen Rassisten hat uns diese Lage eingebrockt. Es ist ekelhaft, ich möchte mit diesen Leuten nichts zu tun haben. Ich sehe mich selbst als intelligente Person, bin stolz darauf Britin zu sein, aber das ist ein heilloses Durcheinander. Viele Menschen in England sind wütend und peinlich berührt. Die Leute hören auf, Geld auszugeben, weil sie Angst haben, dass sie bald keines mehr haben.
Was bedeutet Ihnen Geld, was bedeutet Ihnen Luxus?
Luxus ist für mich einen Tag im Schlafanzug mit meinen Hunden und einer DVD-Box im Bett zu liegen. Völlig ungeschminkt. Am Abend vielleicht ein paar Freunde zu treffen.
Bereuen Sie irgendetwas?
Wissen Sie was? Es gibt da etwas. Dazu muss ich etwas ausholen. Mein Mann Ian und ich haben mal Weihnachten mit meinen Eltern in New York verbracht. Wir sind die 5th Avenue hinunter spaziert. Uns kam Cliff Richard entgegen. Ich hatte ihn zuvor schon öfters getroffen, habe in dem Moment aber nicht daran gedacht, dass meine Mutter als junges Mädchen großer Fan von Cliff Richard war. Sie kam aus einer armen Familie und hatte als Teenager, ihr ganzes Geld gespart, um auf ein Konzert von ihm zu gehen. Und in diesem Moment in New York dachte ich nicht daran, die beiden vorzustellen. Inzwischen ist sie tot. Leider kann man die Zeit nicht zurückdrehen.

Lisa Stansfields neues Album „Deeper“ erscheint am 6. April. Die Sängerin tritt am 8. Mai im Stuttgarter Theaterhaus auf. Weitere Informationen unter lisa-stansfield.com