Um Literatur im Fernsehen zu präsentieren, braucht man keine aufregenden Settings, keine wunderhübschen Moderatoren und auch keine Wackelkameras, die Schriftsteller angeblich ganz privat aufnehmen. Man kann schlicht über die Bücher reden – und der Zuschauer hat Gewinn.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Die wichtigste Erkenntnis des ersten „Literarischen Quartetts“ neuer Zeitrechnung im ZDF: Auch nach fast dreißig Jahren seit seiner Erfindung funktioniert das Konzept im Grundsatz immer noch. Mehr: es ist geradezu erholsam, endlich mal wieder eine Fernsehsendung zu sehen, in der etwas geschieht, was zuvor nicht von Dutzenden rivalisierender TV-Redakteure bis ins kleinste Detail vorgeplant wurde.

 

Das ist nämlich auch in Zukunft alles: Vier Bücher-Fexe reden über vier Bücher, reihum muss jeder anfangs eine kleine Inhaltsangabe machen, dann geht’s unkontrolliert ins Detail. Diese Details kann der normale Zuschauer selbst gar nicht beurteilen, weil er die Bücher selbst vermutlich nicht gelesen hat. Und trotzdem ist es interessant, zuzusehen und zuzuhören. Herrlich, die Erkenntnis: um Literatur im Fernsehen zu präsentieren, braucht man keine aufregenden Settings, keine wunderhübschen Moderatoren und auch keine Wackelkameras, die Schriftsteller angeblich ganz privat aufnehmen. Man kann schlicht über die Bücher reden – und der Zuschauer hat Gewinn. Dafür schon mal Dank.

Es gibt auch etwas zu meckern

Ansonsten lässt sich an der Premiere vom späten Freitagabend mit Volker Weidermann, Maxim Biller, Christine Westermann und (als Gastkritikerin) Juli Zeh natürlich manches herummäkeln. Man versteht nicht, warum die Sendung nur 45 Minuten lang ist, obwohl sie für vier Bücher auch gut eine Stunde vertragen könnte; um Mitternacht tut das nun wirklich keinem Krimi- oder Fußballfreund mehr weh. Grundsätzlich müssten zudem die Herren Weidermann und Biller noch mal klären, ob sie Frauen generell für fähig halten, angemessen und interessant über Bücher zu reden; wenn ja, dann sollten sie diesen vielleicht nicht mehr ständig dazwischen quatschen.

Und noch grundsätzlicher müssen alle (da nun wiederum auch in der Redaktion) darüber nachdenken, welche Rolle Christine Westermann in dieser Runde spielen soll. Wir befürchten, mit den beiden Hirn-Hengsten an ihrer Seite wird sie es grundsätzlich schwer haben; ihre Stärke als Buch-Vermittlerin liegt im Solistischen. Aber wenn sie in der Sendung bleiben soll, wird man ihr künftig einen größeren Redeanteil zugestehen müssen. Notfalls muss sie die Möglichkeit bekommen, Biller mit einem Schwachstrom-Elektroschocker zeitweise auszuschalten.

Leerer Stuhl für Hellmuth Karasek

Alles Fragen, die man nun hinter den Kulissen schön erörtern kann. Vor den Kulissen erfuhr der Zuschauer jedenfalls manches über die neuen Romane von Chigozie Obiama („Der dunkle Fluss“, fanden zwei gut und zwei schlecht), Ilija Trojanow („Macht und Widerstand“, fanden drei schlecht), Karl Ove Krausgaard („Träumen“, fanden alle gut außer Westermann) und Peter Gardos („Fieber am Morgen“, fand nur Westermann gut).

Der leere Stuhl für Hellmuth Karasek war überflüssig; wenn er ernst gemeint gewesen wäre, dann hätte man ihn auf die Bühne stellen müssen. Der Witz von Maxim Biller über den gerade Verstorbenen „Quartett“-Mitbegründen war typisch Biller-blöd („Sein letzter Gag: Er guckt die Sendung nicht mehr an“); wir hatten ihn zuvor auch schon in der Zeitung gelesen. Karasek dann zum Schluss mit einem Einspieler die ganze Sendung zu widmen (Zitat: „Der Kritiker präsentiert sich selbst in der Kritik“), war dagegen ein würdiger Abschluss.

In diesem Sinne: weiterlesen. Das größte Ärgernis am „Quartett“-Rebirthing war seine zehnminütige Verspätung. So musste man leider noch miterleben, wie in der „Heute-Show“ zuvor der seit Jahr und Tag von Kritikern hochgejubelte Oliver Welke seinem Studiogast Gregor Gysi ausgiebig Zeit zur Selbstdarstellung und zum Weihrauchschwenken gab. Huh! So satirisch sind also die ZDF-Satire-Sendungen, das ist ja total toll mutig! Dann doch lieber lesen.