Während Marbach die "Prozess"-Romanhandschrift, die Briefe an Milena Jesenská und den berühmten "Brief an den Vater" besitzt, verwahrt Oxford die Manuskripte der Romane "Der Verschollene (Amerika)" und "Das Schloss", vieler Erzählungen, außerdem Tagebücher, Notizbücher und weitere Briefe. Beide Sammlungen werden künftig auf einer gemeinsamen deutsch-britischen Website präsentiert. Aufbewahrungsort der Ottla-Briefe soll Marbach sein, die britischen Miteigentümer können sie jedoch jederzeit nach Oxford ausleihen. In einem am Montag unterzeichneten Vertrag teilen sich beide Institutionen alle Rechte und konservatorischen Pflichten eines Eigentümers. Dass dies über Ländergrenzen hinweg geschehe, sei ein "wissenschaftspolitisches Novum", betonte Raulff, und "ein Modell künftiger internationaler Zusammenarbeit im Bereich der Geisteswissenschaften".

 

Möglich wurde der Ankauf auf deutscher Seite durch Gelder vom Bund, des Landes Baden-Württemberg, der Kulturstiftung der Länder und mehrerer Spender, namentlich der Verlagsgruppe Holtzbrinck mit ihrer britischen Tochter Macmillan Publishers. Die andere Hälfte der Kaufsumme kommt nicht vom britischen Staat, der seine Kulturausgaben gerade drastisch reduziert, sondern von privaten Stiftern aus dem Freundeskreis der Universitätsbibliothek in Oxford.

Die Erben von Kafkas Schwester waren über die gefundene Lösung so froh, dass sie den Deal mit einer unerwarteten Zugabe krönten: Ohne Aufpreis wandern auch 23 Briefe von Kafkas Mutter, drei Briefe seiner letzten Freundin Dora Diamant und neun Briefe seines Arztes Robert Klopstock ins Archiv. Anders als die Ottla-Briefe sind sie unpubliziert und bisher nur von sehr wenigen Kafka-Forschern konsultiert worden. Das wird sich jetzt ändern. Bereits Ende Mai ist eine Ausstellung der Neuzugänge in Marbach geplant.