Ein großes Publikum verabschiedet am Mittwochabend den bisherigen Leiter des Literaturhauses Stuttgart Florian Höllerer. Zu Neujahr wechselt er als Leiter des Literarischen Colloquiums nach Berlin.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Am Mittwochabend tat Florian Höllerer etwas, was er zwölf Jahre lang als Leiter des Stuttgarter Literaturhauses vermutlich noch nie getan hatte: Er nutzte seine kleine Begrüßungsrede kurz nach 20 Uhr nicht nur, um die Gäste im Saal und auf dem Podium zu begrüßen, sondern auch für einige Bemerkungen in eigener Sache. Schließlich war es seine letzte offizielle Begrüßung an diesem Ort, sein Abschiedsabend in Stuttgart. Zu Neujahr wechselt er als Leiter des Literarischen Colloquiums nach Berlin.

 

Höllerer bedankte sich für das Vertrauen seiner Auftraggeber im Literaturhaus-Verein und in der Stadt, vor allem aber für die nicht nachlassende Begeisterungsfähigkeit des Publikums für neue Autoren und neue Themen. Das Publikum im bis auf die letzte Ecke gefüllten großen Saal im ersten Stock des Bosch-Hauses antwortet darauf mit langem Beifall.

Rühmen, Raunen und Gesang

Was dann folgte, war sozusagen der offizielle Teil: Der Südtiroler Dichter Oswald Egger las einen langen Essay unter dem Titel „Deutscher sein“, ein wortgewaltiges Stück in stark poetischer Sprache, das allein durch seinen Wortklang durchaus zu betören wusste, dessen Assoziationsfolge über Kindheits-, Fremden- und Grenzerfahungen in den Alpen aber nur mühsam nachzuvollziehen war. Die Moderatorin Andrea Albrecht war im Anschluss sehr aufrichtig und engagiert bemüht, mit klaren Nachfragen Egger zu Erläuterungen und Einordnungen zu bewegen, scheiterte aber geradezu tragisch an seiner Reaktion, mit notorisch zerfasernden Antworten beinahe kabarettistisch im weiten Rund noch größere Ratlosigkeit zu erzeugen. Bereits nach einer Viertelstunde dieses ermüdenden Spiels warf Albrecht darum das Handtuch – so endete ausgerechnet der letzte von Höllerer in Stuttgart verantwortete Abend mit einer Art des Sprechens über Literatur, das ansonsten so völlig untypisch für seine Stuttgarter Ära war: nämlich raunend.

Zum Glück passte sich im folgenden festlichen Teil der Verleger Michael Klett bei seiner Abschiedslaudatio dem offiziellen Redestil Eggers nicht an – sondern vermittelte dem Publikum ebenso launig wie lebendig, dass die Findungskommission vor dreizehn Jahren durchaus ein wenig Mut fassen musste, um aus der großen Zahl hochkarätiger Bewerberhengste für den Posten eines Literaturhausleiters ausgerechnet den recht jungen und mit Leitungsaufgaben bis dato unvertrauten Höllerer zu nehmen. „Aber wir haben es in all den Jahren nie bereut. Das Programm, das Höllerer hier in Stuttgart aufgebaut hat, erwies sich als ein wahres Feuerwerk an Ideen.“ Wobei Klett höchst zutreffend beschrieb, worauf es Höllerer bei alledem besonders ankam: „Im Zweifel hat er nicht auf das ohnehin schon Bekannte und somit Bewährte gesetzt, sondern auf das Neue. Und weil das Publikum schnell bemerkte, wie zuverlässig und einladend ihm das Neue hier präsentiert wurde, fasste es schnell Vertrauen und kam ein ums andere Mal.“

Am 8. Januar beginnt eine neue Ära

Helga Breuninger und Wieland Backes vom Literaturhausverein, Achim Dannecker und Péter Horváth vom Wirtschaftsclub sowie der langjährige Literaturhaus-Fotograf Heiner Wittmann dankten ihrerseits mit Worten und Gaben. Und stellvertretend für summa summarum vermutlich viele Hundert im Lauf der Jahre im Stuttgarter Literaturhaus vertretener Autoren präsentierten sich José F. A. Olivier und Ilija Trojanow vereint in einem mehrsprachigen Dankesduett, halb gesprochen, halb gesungen. Letztlich war es dann doch alles mehr lustig als traurig. Eine erste Ära des Literaturhauses im Bosch-Areal ging unwiderruflich zu Ende. Am 8. Januar beginnt womöglich eine neue – mit der künftigen Chefin Stefanie Stegmann.