Winfried Kretschmann ist zu Gast bei  "StZ im Gespräch". Per Livestream und Twitter können Sie die Veranstaltung online verfolgen.

Stuttgart - Stuttgart - Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Winfried Kretschmann nicht beklagen. Als erster grüner Ministerpräsident in Deutschland findet er besondere Beachtung. Wie groß das Interesse an Kretschmann ist, hat auch der Auftritt des Ministerpräsidenten im Rahmen der Veranstaltungsreihe "StZ im Gespräch" gezeigt. Mehr als 600 Leser der Stuttgarter Zeitung hatten in der Alten Reithalle in Stuttgart Gelegenheit, nicht nur den Politiker, sondern auch den Menschen Kretschmann hautnah zu erleben.

 

Schon auf dem Weg zum Veranstaltungsort wurde um Kretschmanns Aufmerksamkeit geworben. Nach Schätzungen der Polizei empfingen 100 bis 120 warnstreikende Journalisten aus baden-württembergischen Zeitungsredaktionen den Ministerpräsidenten und übergaben ihm eine Resolution, um ihn für ihr Anliegen zu sensibilisieren. Dass gute Politik auf Qualitätsjournalismus angewiesen sei, um den sich die Streikenden sorgen, fand die Zustimmung des Regierungschefs.

Kretschmanns eigene neue Erfahrung ist, dass seine Äußerungen eine gewaltige Resonanz finden, seit er Ministerpräsident ist. Dabei nennt er als "prägendste Erfahrung" der für ihn angebrochenen neuen Zeit auch jetzt noch den Wahlausgang. "Alses so weit war, hat man gemerkt, dass man so richtig doch nicht daran geglaubt hatte", sagte Kretschmann gestern. "Von einer Zehnprozentpartei in der Opposition gleich in die Villa Reitzenstein, das ist schon ein gewaltiger Sprung."

Seither wird jeder Halbsatz von ihm auf seine Bedeutung abgeklopft. Das gilt vor allem für seine Äußerung, weniger Autos seien "natürlich besser als mehr Autos". Das löste eine Debatte aus. StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs griff dieses Diktum gestern auf und gab Kretschmann die Möglichkeit, seine Vorstellungen einer ökologischen und sozialen Modernisierung der Wirtschaft zu entwickeln. Kretschmanns Kredo: "Ich möchte Baden-Württemberg zum Modell eines ökologisch orientierten Wirtschaftens machen." Sogar von einer "neuen Gründerzeit" hatte er in der Regierungserklärung schon gesprochen. Die Aussage, dass weniger Autos besser seien als mehr Autos, war also von Kretschmann bewusst gesetzt. Schließlich solle die Welt auch bemerken, dass das Land jetzt von einem Grünen regiert wird. "Sonst hätte ja gleich die CDU weitermachen können", sagte Kretschmann.

Schlaflose Nächte wegen Stuttgart 21

Mehr als bei jedem anderen Thema gilt dieser Leitsatz für das Bahnprojekt Stuttgart 21. Er würde es als persönlichen Erfolg betrachten, wenn er das Vorhaben verhindern könnte, sagte der Regierungschef. Stuttgart 21 gehöre zu der überholten Gattung des Viel-hilft-viel-Denkens. Großprojekte wie Stuttgart 21 seien "altes Denken." Dabei bestehe eine moderne Infrastruktur in einem integralen Taktfahrplan, wie man ihn aus der Schweiz kenne. Dabei gehe es aber gewissermaßen um Software und nicht um Hardware. "Es kommt darauf an, den Blick auf die Software zu richten", sagte Kretschmann, "dazu muss man nicht so ein Projekt machen."

Die Vorstellung, das Projekt verwirklichen zu müssen, "beunruhigt mich absolut", bekannte der Ministerpräsident. Das bereite ihm "einigermaßen schlaflose Nächte". Doch wenn als Ergebnis des von der neuen Landesregierung anvisierten Volksentscheids über den Tiefbahnhof herauskommen würde, dass gebaut werden soll, "dann werden wir das bauen".

Auf die Nachfrage, wie die Regierung mit dem Ergebnis der Volksabstimmung umgehen werde, erklärte Kretschmann, das von Grün-Rot geplante Gesetz zum Ausstieg aus dem Bahnprojekt sei gescheitert, wenn es keine Mehrheit finde. Wenn eine Mehrheit erreicht, aber das Quorum verfehlt werde, "wird es eine neue politische Debatte geben, und die Regierung muss entscheiden, was sie tut".

Anmerkung: In Kürze stellen wir einen Video-Zusammenschnitt des Abends ins Netz.