Lizenzentzug für Ferienwohnungen Barcelonas Gegenrevolution

Immer wieder gehen die Einwohner der katalonischen Metropole auf die Straße, um gegen die Wohnungsnot durch den Tourismus zu protestieren. Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

In Barcelona gibt es 10 000 legale Ferienwohnungen. Die sollen bald alle verschwinden. Und mit ihnen 40 Prozent sämtlicher Urlauberbetten in der Metropole.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Laia Bonet kennt da keine Zweifel. „Die Rückgewinnung dieser 10 000 Wohnungen ist unerlässlich“, sagt die stellvertretende Bürgermeisterin von Barcelona. „Wir müssen es tun, so oder so.“

 

„Gehen wir mal davon aus, dass sie uns die Lizenzen entziehen“, erwidert Marian Muro von Apartur, dem Verein der Ferienwohnungsbesitzer in Barcelona. „Selbst in diesem hypothetischen Fall bliebe das Eigentumsrecht erhalten. Und mit meiner Wohnung mache ich, was ich will.“ Die Schlacht ist noch lange nicht zu Ende geschlagen.

Vor einem Jahr kündigte Jaume Collboni, der Bürgermeister von Barcelona, für den Herbst 2028 das Ende der legalen Ferienwohnungsvermietung in seiner Stadt an. Die 1,6-Millionen-Einwohner-Metropole im Nordosten Spaniens ist eines der beliebtesten Reiseziele Europas. Was die Touristenplaner hier machen, ist für andere Städte mit ähnlicher Anziehungskraft ein mögliches Vorbild. Alle Ferienwohnungen zu verbieten, auch die schon lange legal bestehenden, so weit ist sonst noch niemand gegangen. Es wird spannend zu sehen, wie das Experiment Barcelona ausgeht.

Seit es Tourismus gibt, gibt es Ferienwohnungen. Die haben lange niemanden gestört, jedenfalls nicht grundsätzlich. Dann kam Airbnb. Das US-Unternehmen Airbed & Breakfast (Luftmatratze und Frühstück) ging im Sommer 2008 an den Start, ein Jahr später tauchten auf der Plattform die ersten Angebote aus Spanien auf. Für die Anbieter war das eine Revolution. „Um etwas zu verkaufen, braucht man ein Vermarktungsinstrument“, sagt Apartur-Direktorin Muro. „Und Airbnb ist die beste Plattform der Welt: Du gehst auf deren Seite, wählst dein Reiseziel aus und hast in Minuten gebucht.“ Den Urlaubern taten sich neue Welten auf und vielen Wohnungsbesitzern auch. Ferienvermietung versprach ein großartiges Geschäft, weil Touristen fürs Übernachten viel mehr zahlen als gewöhnliche Mieter. In Barcelona fand die Airbnb-Revolution vor gut zehn Jahren statt: Zwischen 2011 und 2014 stieg die Zahl der von der Kommune lizenzierten Ferienwohnungen von 1680 auf 9606. Damit war „ein gewisser Grad an Kontrollverlust“ erreicht, fand die damalige Stadtregierung, und vergab fortan keine neuen Lizenzen mehr. Durch administrative Schlupflöcher kamen doch noch ein paar Wohnungsbesitzer zu ihrer ersehnten Lizenz, weswegen das offizielle „Observatori del Turisme a Barcelona“ heute insgesamt 10 327 Ferienwohnungen auf dem Stadtgebiet zählt. Aber grundsätzlich ist seit einem Jahrzehnt Schluss mit dem Airbnb-Boom. Die Ferienwohnungen sind zu einem festen und berechenbaren Bestandteil des Bettenangebots in Barcelona geworden.

Mieten sind in Barcelona so hoch wie in keiner anderen spanischen Stadt

Dass die stellvertretende Bürgermeisterin Bonet die „Rückgewinnung dieser 10 000 Wohnungen“ heute nun für „unerlässlich“ hält, liegt am aufgeheizten Wohnungsmarkt. Wohnungen sind in Barcelona zurzeit ein knappes Gut, was kaum zu glauben ist. Eigentlich gibt’s in Spanien immer noch einen gewaltigen Überschuss an Wohnungen, weil lange Zeit, bis Ende der Nullerjahre, weit über Bedarf gebaut worden war. Als die damalige Spekulationsblase platzte, riss die Explosion fast den gesamten Immobiliensektor in den Abgrund. Es begannen gute Zeiten für Hauskäufer und schlechte für -verkäufer. Erst seit Februar vergangenen Jahres – fast 17 Jahre nach dem großen Knall – haben die Quadratmeterpreise in Barcelona wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Doch seitdem klettern sie nach Zahlen der Immobilienplattform idealista.com gewaltig, allein in den vergangenen zwölf Monaten um 10,8 Prozent auf derzeit 4895 Euro pro Quadratmeter. Nur San Sebastián im Baskenland und Madrid sind teurer. Schlimmer trifft es die Leute, die eine Mietwohnung suchen. Die Mieten sind in Barcelona so hoch wie in keiner anderen spanischen Stadt, 23,9 Euro für den Quadratmeter. Das sind gut zwei Drittel mehr als im Sommer 2021, als die Corona-Depression zu Ende ging.

Liegt das an den 10 000 Ferienwohnungen? Wahrscheinlich nicht. In den Jahren des Airbnb-Booms, von 2011 bis 2014, sanken in Barcelona die Mieten, und in den vergangenen Jahren, während sie so enorm gestiegen sind, kamen fast keine neuen Ferienwohnungen hinzu.

„Airbnb zum Sündenbock zu machen, ist ein Manöver, das von Barcelonas Versagen ablenkt, die Probleme des Wohnungsbaus und des Übertourismus in den letzten zehn Jahren wirksam anzugehen“, schrieb Airbnb kürzlich in einer Mitteilung. Marian Muro argumentiert auf gleicher Linie. Für die Wohnungsnot gebe es „nur einen Verantwortlichen: die Verwaltung“. Nationale, regionale und kommunale Regierungen hätten keinen oder jedenfalls nicht genügend öffentlichen Wohnraum geschaffen, „und jetzt soll der Privatsektor dafür büßen“.

Gut 75 000 Wohnungen stehen leer

Bemerkenswert im Falle Barcelonas wie im Rest Spaniens ist die Unlust vieler Besitzer, ihre Wohnung zu vermieten. Als das Nationale Statistikinstitut (INE) zum letzten Mal zählte, 2021, standen in Barcelona gut 75 000 Wohnungen leer, fast jede zehnte. Es gibt keine guten Studien über die Gründe dafür, nur einige Vermutungen: dass viele der Wohnungen erst renoviert werden müssten und die Besitzer die Investition scheuen, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie das Geld auch wieder reinbekommen. Sie hören zu viele Geschichten von Mietern, die nicht zahlen und die man nicht mehr so leicht aus der Wohnung bekommt. Dann lieber leer stehen lassen, schließlich gibt es ja Nichten oder Enkel, die sich irgendwann über die Wohnung freuen. Dass Barcelona im März vergangenen Jahres der Verlockung eines Mietpreisdeckels erlegen ist, hat die Lust der Wohnungsbesitzer auf Vermietung nicht gesteigert. Im ersten Quartal 2024 wurden in der Stadt gut 9800 Mietverträge abgeschlossen, im ersten Quartal 2025 gut 7600.

Was tun? Mehr Wohnungen auf den Markt werfen, neu bauen, vor allem Sozialwohnungen. „Barcelona hat in der letzten Legislaturperiode im Durchschnitt etwa 500 Wohnungen pro Jahr gebaut. Die aktuelle Stadtregierung hat diese Zahl auf 1000 verdoppelt“, erklärt Laia Bonet. Jetzt müsse auch die katalanische Regionalregierung liefern – was sie zu tun verspricht, außerdem sollten private Bauträger zum Bau von Sozialwohnungen verpflichtet werden – was die nicht gerne hören. Und dann gibt es ja noch die Ferienwohnungen. Ob die nun schuld sind am Dilemma oder nicht: 10 000 Wohnungen sind 10 000 Wohnungen. „Wir können es uns nicht leisten, dass diese 10 000 Wohnungen, die gebaut wurden, um eine Familie dauerhaft zu beherbergen, heute für andere Aktivitäten genutzt werden“, sagt die stellvertretende Bürgermeisterin.

Gut 60 000 Urlauberbetten verschwänden

Das spanische Verfassungsgericht erklärte den geplanten Lizenzentzug im vergangenen Herbst für verfassungskonform. Die Ferienwohnungsbesitzer wollen sich mit diesem Beschluss aber nicht abfinden. Als nächsten Schritt kündigt Marian Muro den Gang vor den EU-Gerichtshof an. Das Ende der Ferienvermietung, glaubt die Apartur-Direktorin, wäre nicht nur für die Besitzer, sondern für die ganze Stadt ein schwerer Schlag. „Barcelona könnte keinen Mobile World Congress oder andere große Messen mehr veranstalten.“ Gut 60 000 Urlauberbetten verschwänden (fast 40 Prozent des Gesamtangebots), die im vergangenen Jahr ein Drittel aller Übernachtungen in der Stadt aufnahmen. In Barcelona macht sich die Gegenrevolution bereit. Aber sie hat noch lange nicht den Sieg davongetragen.

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