Der Rutesheimer Bürgermeister Dieter Hofmann mahnt im Interview ein ruhigeres Tempo bei der künftigen Stadtentwicklung an. Doch beim Thema Großprojekte ist das Ende noch lange nicht in Sicht.

LKZ-Wintergespräche – Seit nunmehr 14 Jahren ist Dieter Hofmann Bürgermeister in Rutesheim. In dieser Zeit ist das ehemalige Dorf zur Stadt geworden. Dabei wurde viel investiert, um die Verkehrsbelastung im Ort zu mindern und nicht viel weniger, um der Stadt ein neues Erscheinungsbild zu geben. Die junge Stadt wächst und wächst und ist in der Region bei Häuslebauer und als Gewerbestandort hoch begehrt. -
Herr Hofmann, Sie haben bei der Vorstellung des Haushalts 2016 gesagt, dass die Stadt als Sprinter auf einer Marathonstrecke unterwegs sei, aber auch ein Leistungssportler brauche mal Zeit, um Luft zu holen – geht Rutesheim die Puste aus?
(Hofmann lacht) Das ist aber eine sehr negative Schlussfolgerung aus diesem Satz .
Immerhin ist das Haushaltsvolumen 2016 mit 40 Millionen Euro um fast sechs Millionen Euro geringer als im Vorjahr. Ist das ein Grund zur Sorge?
Das ist bei uns völlig normal, dass es schwankt. Das kommt davon, dass Rutesheim antizyklisch agiert, in einem Jahr Grundstücke aufkauft, dann Baugebiete ausweist und später verkauft. Das Volumen des Haushaltes hängt dann davon ab, welches große Projekt gerade läuft. Und davon gab es in den letzten Jahren reichlich.
Also kein Grund zur Sorge?
Ich wollte eigentlich mahnend damit zum Ausdruck bringen, dass Verwaltung und Gemeinderat seit Jahren darüber reden, dass unsere Schlagzahl zu hoch ist. Es geht nicht um mich, sondern um die Mitarbeiter, die das dann auch abarbeiten und bewältigen müssen. Das geht auf die Dauer nicht. Man muss auch mal innehalten. Wir haben trotz deutlich mehr Einwohnern und zusätzlicher Aufgaben im Rathaus die Zahl der Mitarbeiter nicht aufgestockt. Mehr Personal eingestellt haben wir nur in der Kinderbetreuung, in der Sozialstation und im Stadtjugendreferat.
Hängt es also nicht an den Finanzen?
Auf keinen Fall, weil die Rücklage wieder hoch ist. Die Grundstücke in den Taläckern und in Vallon II sind verkauft, dann füllt sich die Stadtkasse wieder. Wenn wir dann Grundstücke anderswo aufkaufen, geht die Rücklage wieder zurück.
Demnach ist Geld für weitere Großprojekte vorhanden?
Die gehen nicht aus. Auf eines kann ich jeden Tag aus dem Bürofenster blicken: das Ärztehaus mit der Tagespflege und den betreuten Wohnungen. Das nächste ist das geplante Haus der Kinder mit darüberliegenden Wohnungen in der Robert-Bosch-Straße, wo mit fünf Gruppen unser größter Kindergarten entsteht.
Da sind aber noch nicht alle Hausaufgaben gemacht. Wie geht es da weiter? Der Gemeinderat hat die Architekten sozusagen für eine Runde nach Hause geschickt und um Einsparvorschläge gebeten. Denn der Deckel von drei Millionen Euro Kosten für den Neubau war überschritten.
Im Sommer wurde noch über neue Fluchtwege für die Grundschule in der Hindenburgstraße gesprochen und im Herbst dann bereits von einem groß angelegten Anbau. Woher der Sinneswandel?
Im Kultusministerium haben sie uns mit großen Augen angesehen, als wir für den Anbau, der fast ein Neubau ist, vorgesprochen haben. Die wollten es gar nicht glauben. Einen Neubau im Grundschulbereich gibt es so gut wie nicht. Anderswo werden die Schulen eher geschlossen.
Woher kommt diese Ausnahme?
Wir haben sehr viele Geburten, allein 2015 sind es 129 gewesen. Wobei der Durchschnitt in einer 11 000-Einwohner-Stadt bei etwa 85 Babys liegt. Es gab auch viele Zuzüge und so viele Kleinkinder, was schön ist und worüber wir uns freuen. Deshalb muss das Schulhaus wegen mehr Grundschülern sowie für die Kernzeitbetreuung und den Hort erweitert werden. Nachdem wir das Ministerium überzeugt haben, dass wir wirklich so viele Kinder haben, gibt es jetzt auch ordentlich Zuschüsse.
Das ist doch nicht etwa das Ende der Fahnenstange bei den Großprojekten?
Auf keinen Fall. Seit vielen Jahren in der Pipeline ist die geplante Verkehrsberuhigung in Perouse. In der kommenden Woche geht es noch um einige Detailabstimmungen beim Regierungspräsidium Stuttgart. Es sieht gut aus, sodass wir im März den Bebauungsplan beschließen und in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich mit dem Bau beginnen können. Mitte 2017 soll alles fertig sein, sodass auch der Netto-Lebensmittelmarkt gebaut werden kann. Der Betreiber kann erst bauen, wenn die Straße fertig ist.
Hat man sich bei dem Vorhaben auch endlich mit dem Nachbarn Heimsheim geeinigt?
Gott sei Dank sind wir kurz vor dem Ziel. Wir sind uns inhaltlich jetzt einig. Es gibt einen sehr langen, mehrseitigen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen den beiden Städten. Der ist inzwischen abgestimmt und wir suchen nun einen Termin für eine zeitgleiche Gemeinderatssitzung.
Wer bezahlt das Projekt Perouse ?
Insgesamt kostet alles fast fünf Millionen Euro. Den Löwenanteil von rund 4,3 Millionen bewältigt die Stadt. Wir bauen im Westen den von Heimsheim gewünschten weiten Bogen auf die Steinbruchspange, den man mit Tempo 70 durchfahren kann. Die Einmündung der Steinbruchspange in die Nordumfahrung Perouse bleibt unverändert und an der Straße nach Flacht kommt ein neuer kleiner Kreisverkehr.
Wie geht es dann mit der Heimsheimer Straße in Perouse weiter?
Was ganz wichtig ist: als erstes haben wir uns über eine Anlieger-frei-Regelung geeinigt. Es besteht Konsens mit den Heimsheimern, dass sie in Perouse reinfahren können. Auch Busse werden hier in beide Richtungen fahren. Die Straße wird aber mit einem leichten Bogen so versetzt, dass es attraktiver wird, auf der Steinbruchspange weiterzufahren.
Wie wird es im Osten von Perouse aussehen?
Hier wird die Straße von Malmsheim her weiter weg vom Ort verlegt und eine leistungsfähige Kreuzung mit mehreren Abbiegespuren errichtet. Den verlängerten Fahrstreifen, um auf die A 8 abzubiegen, wollte zwar das Regierungspräsidium bauen. Jetzt haben wir uns geeinigt, dass die Stadt das tut, alles vorfinanziert und das Land dann die Kosten zurückzahlt. Mit einem solchen Modell haben wir gute Erfahrungen, etwa mit unserer Nordumfahrung.
Es gab aber Probleme mit den Ausgleichsmaßnahmen. Sind die jetzt gelöst?
Nach 14 Jahren im Amt kann ich behaupten: Es gibt nichts Schwierigeres als Straßenbau. Es ist natürlich richtig, wenn Wald abgeholzt wird, dass er auch wieder aufgeforstet wird. Doch woher eine solche riesige Fläche nehmen? Wir haben die Kuhstelle angeboten, die der Stadt gehört, doch hier sind schon Ausgleichmaßnahmen für den Ausbau der A 8. Diese verlegen wir jetzt wieder auf unsere Kosten auf eigene, zum Teil aufgekaufte Flächen. Das Regierungspräsidium hat auch dem zugestimmt. Wenn das alles über die Bühne gegangen ist, wird Perouse nicht wiederzuerkennen sein.
Im Gewerbegebiet am Autobahnanschluss gibt es nur noch ein einziges freies Grundstück. Ist das das Ende der Gewerbeansiedlung für einen längeren Zeitraum?
Im Flächennutzungsplan haben wir kein weiteres Gewerbegebiet. Es ist in der Tat die letzte Fläche, die der Stadt gehört. Wir sind aber in Gesprächen mit interessierten Firmen. Die Fläche ist sehr attraktiv, deshalb hat der Gemeinderat gesagt, auf diesen 10 000 Quadratmetern müssen mindestens 100 neue Arbeitsplätze entstehen.  Wenn aber das konkrete Interesse einer großen Firma besteht, müssen wir auch darüber nachdenken, den Flächennutzungsplan zu überarbeiten.
Wie sieht es mit Wohnbauflächen aus?
Da ist die Nachfrage noch größer. Obwohl wir mit Schelmenäcker und Pfuhlweg weitere Gebiete in petto haben, können wir nicht unbegrenzt immer neue Wohngebiete entwickeln. Das muss auch abgearbeitet werden und zur vorhandenen Infrastruktur passen. Im Flächennutzungsplan haben wir noch Reserven, aber nach dem Willen der Bürger, des Gemeinderates und auch der Verwaltung muss Rutesheim nicht um jeden Preis wachsen.

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