Verkehrsminister Hermann gewährt einem alten Parteifreund immer wieder werbewirksame Auftritte. Auch auf Regeln für die Branche hat der Lobbyist erheblichen Einfluss. Das Zusammenspiel weckt zunehmend Argwohn.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Beitrag in der „Landesschau“ war beste Werbung für die Stuttgarter Fahrschule. Namentlich wurde zwar weder sie noch der Inhaber genannt. Doch der Schriftzug „Academy Drive“ kam mehrfach groß ins Bild, und der Chef Rainer Zeltwanger durfte sich sympathisch plaudernd in Szene setzen.

 

Den PR-Erfolg verdankt Zeltwanger (60) dem Stuttgarter Verkehrsministerium. Das hatte im August zum Pressetermin in seine Fahrschule geladen. Der Anlass: Ressortchef Winfried Hermann persönlich nehme das erste vom Land geförderte Elektro-Fahrschulauto in Betrieb. Für die Akzeptanz von E-Fahrzeugen sei das wegen der „Multiplikationswirkung“ ganz wichtig, begründete der Grüne die Förderung. Man rechne nicht mit Abertausenden, aber doch „ein paar hundert“ Anträgen auf einen Zuschuss von bis zu 10 000 Euro. Bei der Schlüsselübergabe strahlten Hermann und Zeltwanger in die Kameras, dann setzte sich der Minister für eine Proberunde selbst ans Steuer des Renault Zoe.

Fahrlehrerverband zeigt sich erstaunt

Weniger begeistert reagierten Zeltwangers Kollegen vom Fahrlehrerverband Baden-Württemberg. Man nehme „sehr erstaunt“ zur Kenntnis, dass das Land neuerdings die Anschaffung von Elektro-Fahrschulfahrzeugen fördere, schrieb der Vorsitzende Jochen Klima ans Verkehrsministerium. „Dies war uns bisher nicht bekannt.“ Um die Mitglieder zu informieren, bitte man um Auskunft zu den näheren Modalitäten. Als Antwort bekam Klima Links zur Internetseite des Ressorts zugeschickt.

Hatte der Chef von Academy Drive also einen Informationsvorsprung? Die Angaben stünden allen Fahrschulen seit Mitte 2016 online zur Verfügung, sagt ein Ministeriumssprecher. Da Förderanträge „allgemein jederzeit“ gestellt werden könnten, habe Zeltwanger seinen bereits Ende März eingereicht – und sei so bei der Auslieferung des Autos der Erste gewesen. Nur deshalb habe man ihn für den PR-Termin gewählt.

Ohne Hürdenlauf direkt zum Minister

Die Erklärung dürfte die Fahrlehrer-Kollegen nur bedingt überzeugen. Seit Jahren beobachten sie das Zusammenspiel zwischen Zeltwanger und Hermann mit wachsendem Argwohn. Schon wiederholt erhielt der Unternehmer werbewirksam Zuspruch vom Minister. Auch als Gründer und Chef einer eigenen Lobbyorganisation – des Bundesverbands Deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU) – hat Zeltwanger bemerkenswerten Einfluss auf Hermann: neue rechtliche Vorgaben für die Branche aus dessen Haus tragen eindeutig seine Handschrift. Aus seinem direkten Zugang zum Ressortchef macht der Fahrlehrer auch sonst kein Geheimnis. Dem „Winne“ sei er stets willkommen, auch ohne Termin und Hürdenlauf durch die Vorzimmer, berichten irritierte Ministeriale. So eng ist das Verhältnis der beiden, dass schon über „grünen Filz“ gelästert wird.

Der Hintergrund: Hermann und Zeltwanger sind langjährige Duz- und Parteifreunde. Seit Jahrzehnten engagiert sich der studierte Sozialpädagoge nicht nur für seine Fahrschule, sondern auch bei den Grünen im Südwesten. Dort kennt ihn fast jeder, und er fast alle. Bei „Unternehmensgrün“, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft, war er einst Gründungsmitglied. Zwischendurch arbeitete er sogar hauptamtlich für einen Spitzengrünen: Als Rezzo Schlauch Fraktionschef im Bundestag war, managte Zeltwanger von 1998 bis 2000 dessen Büro. In der Partei ist der joviale Schwabe bestens vernetzt. Aktuelle Fotos auf seiner Facebook-Seite zeugen von emsiger Kontaktpflege: „Zelti“ Arm in Arm mit Umweltminister Franz Untersteller, Zeltwanger einträchtig mit Regierungssprecher Rudi Hoogvliet, Zeltwanger mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Da wird viel gefeiert und gelacht.

Dank Hermann zum „Helden“ gekürt

Persönliche Beziehungen auch beruflich und (standes-)politisch zu nutzen – das beherrsche der Fahrlehrer so gut, wie man es sonst vor allem von CDU-Matadoren kannte, bescheinigen ihm Weggefährten. Sein Bündnis als Automann just mit dem Fahrradfan Hermann verwundert nur auf den ersten Blick. Schon früh entwickelte Zeltwanger ein Faible für Ökologie – etwa mit Kursen zum Spritsparen. Auch beim Einsatz von Elektroautos in der Fahrausbildung gehört er zu den Vorreitern. Die Zuwendung des Ministers ist also sachlich begründbar – aber in ihrer Intensität, wie Kritiker finden, allmählich übertrieben.

Bereits 2014 erwählte Hermann Zeltwangers Fahrschule, um vor Journalisten für Elektroautos in der Ausbildung zu werben. Andere Fahrschulen oder Verbände stünden dem E-Auto „noch zurückhaltend gegenüber“, erläutert ein Ministeriumssprecher heute die Ortswahl. Voriges Jahr wurde dem Parteifreund eine besondere Ehre zuteil: Bei einem Landeswettbewerb kürte ihn das Verkehrsministerium zum „Helden der Neuen Mobilität“. Der Lohn war ein Videoclip mit hohem Werbewert. Er sehe sich auch in einer „Vorbildfunktion für andere Fahrschulen“, darf Zeltwanger da stolz verkünden. „Heldenhaft“ sei es, rühmt ihn Freund Winne, wie er als Pionier nachhaltige Autofahrer ausbilde. Jeder Berufstätige habe sich bewerben können, lässt Hermann heute ausrichten. Im gleichen Jahr bekam Zeltwanger einen Auftritt an der Seite von Stuttgarts OB Fritz Kuhn. Thema wieder: Elektromobilität. Im Wahlkampf hatte er noch für den Parteifreund geworben, der sei der einzige Kandidat mit dem „Führerschein für eine Großstadt“.

Erlass auf Anregung des Freundes

Neben solchen PR-Coups trägt Zeltwangers Lobbyarbeit auch ganz praktische Früchte. Bald nach Hermanns Amtsantritt als Verkehrsminister 2011 kam aus dem Ressort ein Erlass, um die Bürokratie für Fahrlehrer zu reduzieren: Die Schulen dürften ihre Tagesnachweise fortan elektronisch archivieren und müssten sie nur noch auf Verlangen ausdrucken. Dies gehe „auf einen Vorschlag von Herrn Zeltwanger zurück“, bestätigt der Behördensprecher.

Ein anderes Beispiel: Bei der anstehenden Reform des Fahrlehrerrechts kämpft Zeltwanger mit seinem Verband dafür, dass mehr Kooperationen zwischen Fahrschulen möglich werden. Das liegt auch in seinem Interesse: Mit seiner Schule ist er vor einigen Jahren unter das Dach der in Ludwigsburg ansässigen Academy Holding AG geschlüpft, eines Franchise-Systems, das sich als „größter Verbund selbstständiger Fahrschulen“ in Deutschland bezeichnet. Jahrelang war Zeltwanger Vorsitzender des Franchise-Beirates, der Academy-Chef gilt als Duzfreund von ihm. In größeren Einheiten liegt für ihn die Zukunft. Die überwiegend kleinen Fahrschulen sehen Zusammenschlüsse skeptisch: Das funktioniere in der Stadt, aber nicht auf dem Land.

Gesetzesnovelle mit geprägt

In diesem und anderen Punkten wird seit Jahren auf Bundesebene hart um die Gesetzesnovelle gerungen. Grundlage ist ein Papier aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium, das stark von Zeltwangers Argumenten geprägt war. Der Lobbyist konnte hochzufrieden sein – bis zum Verkehrsgerichtstag Anfang 2016 in Goslar. Da wurden die Pläne von der Mehrheit der Fahrlehrerverbände, wie es Zeltwanger formulierte, „mit triumphierendem Blick in die Tonne getreten“. Ein „Fiasko für die gesamte Branche“ sei das, schimpfte er.

Als unlängst der Referentenentwurf aus Berlin kam, konnte Zeltwanger wieder aufatmen: Der Protest von Goslar fand darin entgegen den Gepflogenheiten kaum Niederschlag, Kooperationen sollen nun doch erleichtert werden. „Wir freuen uns sehr, dass unsere wichtigsten Vorschläge berücksichtigt wurden“, jubilierte er. Mit Erfolg habe der BDFU „seine Expertise … vielfach eingebracht“. Die Politik wisse eben, mit wem man konstruktiv debattieren könne – und mit wem nicht. Offiziell klingt das in Stuttgart natürlich anders. Man sei „um Gleichbehandlung aller drei Organisationen der Fahrlehrerschaft bemüht“, sagt Hermans Sprecher. Eine Gewichtung nach Mitgliederstärke oder Wirtschaftskraft erfolge bewusst nicht. Zeltwanger werde „nicht privilegiert behandelt“, auch wenn der Minister ihn schon lange kenne.

Am Kalkül von Hermann und Zeltwanger, auf E-Autos geschulte Führerschein-Neulinge könnten auch später elektrisch fahren, weckte der SWR-Beitrag übrigens gewisse Zweifel. Für sie komme das nicht in Betracht, meinte die junge Fahrschülerin im Film: das Stromauto sei ihr „zu teuer“.