Loblied auf einen Youngtimer Liebe geht durch den Wagen

Rast am höchsten Punkt des Fernpass: Lkw mit ABS auf der Pkw-Motorhaube. Foto: Decksmann

Sollte man eine Beziehung zu seinem Auto aufbauen? Kolumnist KNITZ findet, es kann zumindest nicht schaden.

KNITZ denkt, es ist an der Zeit, seinen betagten Wagen mal öffentlich zu loben. Im kleinen Kreis hat er es schon öfter getan. Ein Klaps vor dem Aussteigen aufs leicht abgegriffene Lederlenkrad. „Gut gemacht, alter Junge.“ Oder ein dezentes Klopfen aufs Autodach nach der Vollwäsche im Cleanpark. „Prima schaust Du aus, mein Freund. Hast Dich gut gehalten.“

 

Manche Leute geben ihren Autos Namen. KNITZ hat sich die Mühe gespart. Er findet, Modellbezeichnung sprechen für sich. Er fuhr schon einen Rekord, einen Commodore, einen Senator, einen 200er, einen Mondeo und seit zehn Jahren fährt er einen Bora.

Der Bora ist so etwas wie ein Golf mit Kofferraum, und er hat seine Erfindung, wenn KNITZ nicht irrt, vor allem den Amerikanern zu verdanken. In Übersee mögen die Automobilisten keine Fahrzeuge mit Schrägheck, sondern sogenannte Sedans, Limousinen. Dies ist im Grunde jene Form, die Kinder zeichnen, wenn sie ein Auto aufs Papier bringen wollen. Zumindest in der Kindheit von KNITZ war das so. Vielleicht zeichnen die Kinder von heute lieber Lastenräder.

Anfangs dachte KNITZ, sein Wagen sei nach dem Atoll Bora Bora im Südpazifik benannt, einem der luxuriösesten und teuersten Urlaubsorte der Welt. Das hätte ihm gefallen. Aber irgendwann erfuhr er, dass die Namensgeber von Volkswagen an einen stürmische, böigen Fallwind dachten, der an Küsten auftritt, vor allem an der Adria bei Kroatien und Montenegro. Immerhin können solchen Winde Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h erreichen. Ganz so schnell ist sein Bora nicht, wobei er mit auf Alufelgen montierten Sommerreifen zumindest optisch flott daherkommt.

Der Bora als Lastesel vor der Rückfahrt in Bozen. Foto: Decksmann

Eine Ode auf den Wagen will KNITZ vor allem deshalb anstimmen, weil der Bora am Wochenende mit ihm zweimal die Alpen überquert hat. Das hat er schon öfter getan, aber noch nie mit einem Anhänger im Schlepptau. Nach Süden ging es mühelos, aber auf dem Rückweg war der Anhänger beladen und der Bora hatte ordentlich was zu ziehen. Das tat der Wagen tadellos, obwohl er mit 100 PS keinesfalls übermotorisiert ist.

Klaglos ist er mit der Last über den Brenner geschnurrt. An manchen Stellen musste das Automatikgetriebe zurückschalten, um nicht zu viel Fahrt zu verlieren. Aber KNITZ hat darauf geachtet, dass der Drehzahlmesser nicht die Marke von 4500 überschritt.

Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb die Beziehung schon so lange hält. KNITZ fühlt mit seinem Bora, der beinahe schon 25 Jahre auf dem Buckel und mehr als 260 000 Kilometer auf der Uhr hat. Genau genommen ist so ein Auto ja auch nur ein Mensch. Und einen Rentner würde man auch nicht über den Brenner hetzen.

Oben auf dem Fernpass gab’s eine Verschnaufpause für Wagen und Chauffeure. Das Auto wurde preisgünstig vollgetankt, die Pkw-Piloten gönnten sich Lkw mit ABS, Leberkäswecken mit a bissle Senf.

KNITZ ist nicht abergläubisch – aber im Geheimen hofft er, dass diese Zeilen vielleicht den Bora dazu bewegen können, noch ein paar 100 000 Kilometer durchzuhalten. Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, zufällig in diesen Tagen an einem Bora vorbeikommen, in dem ein Mann sitzt, der diesen Text laut liest: keine Sorge, der Typ ist nicht wahnsinnig. Es ist nur KNITZ.

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