Der Versuch der Stadt, die geplante Verlagerung des traditionsreichen Stuttgarter Schwertransport-Unternehmens Hermann Paule ins Industriegebiet Neckarwiesen zu verhindern, ist gescheitert. Dafür gesorgt haben politisch höchst unterschiedliche Akteure.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Ich halte das für einen riesigen Fehler. Dass dieses Gremium ohne Not derart von einer Grundsatzentscheidung abrückt, habe ich in meiner 21-jährigen Amtszeit als Ratschef noch nicht erlebt.“ Der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger ist bedient. Denn das traditionsreiche Stuttgarter Schwertransportunternehmen Hermann Paule wird voraussichtlich bereits zum Jahreswechsel von Obertürkheim ins Esslinger Industriegebiet Neue Neckarwiesen umziehen.

 

Genau das hatten Zieger und sein Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Bis vor wenigen Wochen hätten sie nie damit gerechnet, dass ihnen eine deutliche und darüber hinaus durchaus eigenwillige Mehrheit des Gemeinderats einen solchen Strich durch die Rechnung machen würde. Denn mit den Stimmen von CDU, den Linken, den Freien Wählern, den Grünen und der FDP hat der Gemeinderat nicht nur beschlossen, die von der Verwaltung vorgeschlagene Veränderungssperre, mit der der Verkauf des Geländes an Paule hätte verhindert werden können, abzulehnen.

Städtebaulicher Entwurf bis Ende November erwünscht

Vielmehr ist die Verwaltung nun gezwungen, bis Ende November den Entwurf eines städtebaulichen Vertrags mit Paule zu formulieren. Darüber hinaus sollen die Experten Möglichkeiten, etwa eine Duldung, prüfen. Ziel müsse es sein, Paule schnellstmöglich den Umzug nach Esslingen zu ermöglichen. Es kam zum Eklat: Zieger versuchte zu retten, was aus seiner Sicht noch zu retten war. Er und vor allem Wilfried Wallbrecht mussten sich im Gegenzug von fast allen Fraktionen heftige Kritik an ihrer Informationspolitik gefallen lassen.

Die Vorgeschichte: im Februar hat das Esslinger Unternehmen Delmag, das auf dem 18 500 Quadratmeter großen Gelände im Esslinger Industriegebiet Neckarwiesen bisher Rammen produziert hatte, angekündigt, die Produktion im September einzustellen. Wenig später hat die Hermann Paule Gesellschaft, die in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiert, angefragt, ob Paule das Delmag-Areal übernehmen könne. Paule selbst befindet sich in einer Notlage, denn bis zum Jahresende muss das Unternehmen weite Teile des seit 80 Jahren benutzen Firmengeländes räumen.

Streit um Logistik-Anteile bei Paule

Bereits im Juni hat sich Rainer Schmid, der Geschäftsführer von Paule, beim Esslinger Wirtschaftsförderer gemeldet. Wegen der Sommerpause hat es dann aber bis zum 6. September gedauert, ehe Wilfried Wallbrecht der Firma Delmag schriftlich mitgeteilt hat, dass die Verwaltung erhebliche Bedenken gegen die Ansiedlung habe, weil Paule als Systemanbieter zwar auch Leistungen wie Beratung, Qualitätskontrolle und Montage anbiete, aber vor allem eben doch ein „Unternehmen im Bereich der Speziallogistik“ sei.

Genau diese Unternehmen wolle man aber aus mehreren Gründen nicht haben. Zum einen steige die Verkehrsbelastung, zum anderen sei in der Logistikbranche die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Flächenbedarf gering. Paule will 100 Mitarbeiter in Esslingen ansiedeln und zudem anderen Esslinger Firmen Erweiterungsmöglichkeiten auf dem Areal bieten.

„Diese grundsätzliche Ablehnung von Logistikunternehmen hat der Gemeinderat bei der Sanierung des Industriegebiets Neue Neckarwiesen und im Rahmen der städtischen Wirtschaftsförderungskonzeption beschlossen“, betont Zieger. Schließlich sei es das Ziel, das älteste deutsche Industriegebiet aufzuwerten und mit hochwertigen Arbeitsplätzen zukunftsfähig zu machen.

Informationspolitik als Problem

Als größtes Problem stellte sich am Montag die Informationspolitik des Rathauses heraus. Denn erst am 22. Oktober informierte die Ratsspitze in Form einer Tischvorlage unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ die Stadträte, über den Plan, eine Veränderungssperre auszusprechen. Ein solch wichtiges Thema derart zu verstecken und darauf zu hoffen, dass es angesichts der allgemeinen Ermüdung des Ratsgremiums nicht richtig wahrgenommen werde, gehe gar nicht, so lautete der allgemeine Tenor. Auch deshalb hätten sich die Fraktionen zusammengetan und den überfraktionellen Antrag formuliert. Zumal für sie die geplante Ansiedlung durchaus einen gewissen Charme besitze, und die Firma Paule – anders als es die Stadt darstelle – in Esslingen nicht ausschließlich im Bereich der Logistik tätig sein wolle.