Lokale Spenden Warum manche Parteien intransparenter sind als andere
Welcher Kreisverband einer Partei wie viel Geld bekommt, muss nicht veröffentlicht werden. Grüne, Linke und SPD sind trotzdem dazu bereit – Union, FDP und AfD sperren sich dagegen.
Welcher Kreisverband einer Partei wie viel Geld bekommt, muss nicht veröffentlicht werden. Grüne, Linke und SPD sind trotzdem dazu bereit – Union, FDP und AfD sperren sich dagegen.
Stuttgart - Nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl: Die Straßenränder sind seit Wochen mit Wahlplakaten gespickt, auf dem Marktplatz stehen regelmäßig Infostände von Parteien, Flyer und kleine Geschenke werden verteilt. Obwohl es die Wahl zum Bundestag ist, finanzieren die Kreisverbände der Parteien den Wahlkampf vor Ort zu einem erheblichen Teil selbst – unter anderem mit Spendengeldern. Doch welcher Verband wie viel bekommt und von wem, bleibt im Dunkeln. In einer Kooperation unserer Zeitung mit Correctiv.Lokal und anderen Medien werden diese Parteispenden an kommunale Verbände erstmals öffentlich aufgeschlüsselt.
Warum ist es relevant, wie viele Spenden die Kreisverbände bekommen?
In Deutschland müssen Parteien erst bei einer Spende von mehr als 10 000 Euro angeben, von wem das Geld kam – und das auch erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren. Ob Spenden an einen Bundes-, Landes- oder Kreisverband der Partei fließen und welche Politikerinnen und Politiker davon profitieren, ist für die Bürgerinnen und Bürger nicht ersichtlich. Ein Blick in die Rechenschaftsberichte von 2019 zeigt: 73 Prozent der Spenden gingen an die unteren Parteiebenen, also Bezirks- und Kreisverbände sowie Ortsvereine. Ob dabei illegale Praktiken wie Spenden für politische Gefälligkeiten zum Einsatz kamen, kann die Öffentlichkeit nicht kontrollieren.
Wie haben die Parteien auf die Anfragen reagiert?
Rund 850 Kreisverbände aus ganz Deutschland haben auf unsere Nachfrage hin offengelegt, wie viele Spenden sie 2016 bis 2019 bekommen haben. Doch nicht alle Parteien waren gleich auskunftsfreudig. Die Landes- und Kreisverbände der CDU, AfD und FDP schwiegen größtenteils. Am transparentesten zeigten sich die Grünen. Eine Sprecherin des Bundesverbands kündigte sogar an: „Wir nehmen Ihre Recherche zum Anlass und werden zukünftig nach dem Abschluss unseres Rechenschaftsberichtes auch die Spendeneinnahmen unserer Kreisverbände regelmäßig veröffentlichen.“ Außerdem forderte sie, eine Pflicht zur Veröffentlichung einzuführen.
Warum geben die Parteien rechts der Mitte so wenig Auskunft?
Während der Bundesverband der CDU sich auf Nachfrage nicht äußert, erklärt eine Sprecherin der CDU Stuttgart, man sehe keinen „Mehrwert“ in der „summarischen Veröffentlichung von Kleinspenden“. Einzelne Kreisverbände der Union verwiesen zudem auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), aufgrund derer man nicht offenlege, an welche Ebene Spenden von mehr als 10 000 Euro gegangen seien. Auch die FDP-Landesgeneralsekretärin Judith Skudelny verweist auf den Datenschutz. Die Datenschutzanwältin Beata Hubrig hält die DSGVO dabei jedoch nicht für entscheidend: „Es geht hier nicht um personenbezogene Daten von Spendern, die über das Parteiengesetz hinausgehen.“
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Für Sophie Schönberger kommt das Schweigen der Union nicht überraschend. „Die CDU tut sich schon seit der Adenauer-Zeit schwer, ihre Geldgeber offenzulegen“, sagt die Co-Direktorin des Düsseldorfer Instituts für Parteienrecht und Parteienforschung. Die Antwortquoten der Parteien passen laut ihr zu deren Positionen zur Parteienfinanzierung. Parteien mit höheren Spendeneinnahmen würden sich außerdem oft weniger gern öffentlicher Kritik aussetzen.
Wie finden die anderen Parteien das?
„Wer nichts zu verschleiern hat, für den gibt es keinen Grund, Spenden auf kommunaler Ebene nicht offenzulegen“, findet der Stuttgarter Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir. Sein Wahlkreiskollege und Linken-Chef Bernd Riexinger sieht in regionalen Spenden eine mögliche Einflussnahme. Er weist aber darauf hin, dass die Parteiarbeit auf Kreisebene meist ehrenamtlich sei. Daher habe er „Verständnis, dass der zusätzliche Aufwand der Aufschlüsselung von Spenden zumindest nicht immer sofort erfolgen kann“. Der SPD-Bundesverband bezeichnet die Aufschlüsselung als „Mammutaufgabe“. Auch die AfD-Geschäftsführung sagt: Für mehr Transparenz müssten alle Gebietsverbände erst „über entsprechende technische Ressourcen sowie über erforderliche Buchführungskompetenz“ verfügen.
Wie sieht es bei den Kreisverbänden im Land aus?
Trotz der Bedenken des Bundesverbands waren viele SPD-Kreisverbände in Baden-Württemberg zur Auskunft bereit – nur Biberach und Heidenheim wollten keine Zahlen liefern. Für die Linke und die Grünen im Land liegen vollständige Daten vor. In der CDU war nur der Kreisverband Reutlingen bereit, seine Einnahmen von 99 593,93 Euro im Jahr 2019 zu veröffentlichen. Bei der FDP war es der Kreisverband Hohenlohe mit 6943 Euro im selben Jahr. Die AfD blieb intransparent.
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Welche Kreisverbände haben am meisten Geld bekommen?
Es ist davon auszugehen, dass die Kreisverbände der Union am meisten Spenden bekommen haben. Aus der gesammelten Angabe für „nachgeordnete Gebietsverbände“ in Baden-Württemberg aus dem Rechenschaftsbericht der CDU von 2019 lässt sich errechnen, dass ein Kreisverband im Land durchschnittlich rund 80 000 Euro an Spenden bekam.
An zweiter Stelle steht die SPD mit etwa 27 000 Euro – wobei die aufgeschlüsselten Daten der Partei zeigen, dass der Mannheimer Kreisverband mit rund 51 000 Euro fast das Doppelte des Durchschnitts bekommen hat und mehr als das Doppelte dessen, was er in den Vorjahren erhalten hatte. „Der ‚Ausreißer‘ 2019 lässt sich relativ einfach mit der Kommunalwahl erklären“, lässt die stellvertretende Vorsitzende, Isabel Cademartori, wissen. In Wahljahren wird nach der Erfahrung einiger Kreisverbände von SPD, Grünen und Linken am meisten gespendet.
Bei den Grünen ist der Kreisverband Schwäbisch Hall mit fast 62 000 Euro der einnahmenstärkste gewesen, bei den Linken der Stuttgarter Verband mit rund 9000 Euro. Schatzmeister Filippo Capezzone erklärt sich das mit der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart im Folgejahr 2020. „Ansonsten dürfen wir uns vielleicht freuen und das Spendenaufkommen auch als Bestätigung der Arbeit eines sehr aktiven Kreisverbands interpretieren.“
Rechercheprojekt
Zusammenarbeit
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation von unserer Zeitung mit Correctiv.Lokal. Das Netzwerk fördert Recherchen im Lokaljournalismus und ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv. Ein aktueller Schwerpunkt behandelt das Thema „Geheime Spenden an die Politik“.
Datenbank
Die Spenden an die Kreisverbände der Bundestagsparteien wurden im Verbund mit anderen Redaktionen bei den einzelnen Kreisverbänden oder stellvertretend bei den Landesverbänden erfragt.