Das Brauereien-Triumvirat rund um den Schlossplatz ist seit der Eröffnung von Carls Brauhaus nun komplett – mit leichtem Vorteil für Dinkelacker gegenüber Schönbuch an der Bolzstraße und Hofbräu in der Alten Kanzlei.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der alternde Gigolo sieht nicht glücklich aus. Eben stehen zwei junge Damen vor Carls Brauhaus auf und verabschieden sich herzlich von ihrer Zufallsbekanntschaft, Typ Privatier, braun gebrannt, die grauen Haare mit einem Tick zu viel Gel in Form gebracht, auf der Nase eine Pilotensonnenbrille von Ray Ban. Statt der jungen Damen setzen wir uns mit Kinderwagen an den Tisch des Gigolos, es ist schlicht kein anderer Platz frei an diesem schönen Sommerabend, weder drinnen noch draußen. Anscheinend wollen die Betreiber, die Enchilada-Gruppe, die kolportierten 40 000 Euro Monatsmiete an einem Abend wieder reinspielen.

 

Kein Stuttgarter Gastronom hatte sich angesichts dieser Miete getraut, seinen Hut hier in den Ring zu werfen. Die Enchilada-Gruppe betreibt bereits Brauhäuser in Bayern und den Ratskeller in Ludwigsburg, daneben jede Menge Tex-Mex-Lokale und Ketten mit anderen Küchenrichtungen. Nicht nur wir haben uns gefragt: Kann Systemgastronomie an Stuttgarts schönstem Platz, dem Schlossplatz, gutgehen?

Der Service ist besser als sein Ruf

Über den Service hatten wir die schlimmsten Sachen gehört: Zu lange dauere alles, zu unhöflich seien die Kellner und Kellnerinnen. Unser tätowierter Ober gewinnt auch keinen Preis für Nächstenliebe, macht aber wenigstens gleich die klare Ansage, dass die Speisen eine Stunde dauern können – bei dem Betrieb kein Wunder. Wir überbrücken die Wartezeit mit einem Wulle vom Fass (0,5 Liter für € 3,90), das nicht ganz so mau schmeckt wie sein Artgenosse aus der Flasche, und lauschen den Ausführungen des Gigolos über die Alte Kanzlei, die als Stuttgarter Hofbräu Brauereiausschank auf der anderen Seite des Schlossplatzes residiert: „Bei denen wird die Laune eher mittelgut sein angesichts des Andrangs bei Dinkelacker hier!“

Da kommen auch schon die Vorspeisen, viel schneller als angekündigt: Die Salatschüssel mit Blattsalaten, Tomaten, Karotten und Biercroutons (€ 7,90 Euro plus € 1,50 für die Croutons) ist mehr als vorzeigbar – frische Zutaten, gute Vinaigrette. Die geschmelzten Maultaschen mit Kartoffelsalat (€ 9,50) sind ebenfalls absolut okay – mit Abstrichen beim Kartoffelsalat und einem Pluspunkt für die Schwarzbiersoße.

Das Essen ist mit einer Ausnahme sehr annehmbar

Die Hauptgerichte sind dann gänzlich unterschiedlich in der Qualität: das Tagesangebot, eine halbe Schweinshaxe mit Knödeln (€ 8,90), ist eine zähe Angelegenheit mit einem Nachgeschmack nach Convenience bei Knödel und Soße. Der Rinderrostbraten Dry Aged (€ 24,90), begleitet von Brauhaus-Pommes (€ 3,50) ist dagegen von guter Qualität, wenn auch etwas klein geraten für den Preis. Das Schlusswort gebührt dem Gigolo: „Bei Schönbuch um die Ecke schmeckt das Bier besser, das Essen kann aber nicht mithalten. Das beste Bier ist eh das bayerische, ich bin froh, dass der Grenz in seinem Biergarten in Bad Cannstatt jetzt Augustiner ausschenkt.“

Carls Brauhaus, Stauffenbergstraße 1, Mitte, Telefon 25 97 46 11, Öffnungszeiten Sonntag bis Mittwoch 10 bis 0 Uhr, Donnerstag bis Samstag 10 bis 1 Uhr

Die Bewertung:

Küche ***

Service ***

Ambiente ***

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.