Schon nach dem Gruß aus der Küche ist der Kritiker hingerissen. Serviert wird „Naturküche“ mit asiatischen Elementen und molekularen Techniken.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Der Nächste, bitte! Nachdem Michael Braun wie berichtet ein eigenes Restaurant eröffnet hat, ist im 5 ein neuer Küchenchef am Werk. Und was für einer! Man könnte sagen, dass Marc Müller direkt aus dem besten Restaurant der Welt gekommen ist, denn zuletzt war er im Noma in Kopenhagen – für einen Monat auf Fortbildung, sozusagen. Davor hatte er im Team der Villa am Tegernsee einen Stern erkocht, war bei zahlreichen Großmeistern, darunter einst auch drei Monate bei Ferran Adrià im legendären El Bulli.

 

Das wussten wir beim Besuch noch nicht in allen Details, und doch haben uns schon die zwei sogenannten Apéros und der Gruß von Müller auf die Spur gebracht: Nach dem Spargelmousse mit Blutorange werden mit Kaolin präparierte Kartoffeln gereicht, die wie Kieselsteine aussehen, dazu Aioli. Es folgt ein mächtiges Glas Gänseleber à la Schwarzwälder Kirsch – danach überlegen wir, ob wir nicht doch lieber ein Ein-Gang-Menü nehmen sollten . . .

Sechs Gänge für 89 Euro

Aber so ganz freie Wahl hat man ohnehin nicht. Sechs Gänge stehen auf unserer Karte, die man für 89 Euro von oben nach unten abvespern kann, oder drei Gänge für 59 Euro herauslösen und somit konsequent komplementär essen. Das „galizische Meer“ spült einen mit extremen Aromen fast vom Tisch: Schwertmuschel im Lakritzmantel, dazu Fenchel, ein Olivenmousse und ein strenges Gel aus der Zitrusfrucht Yuzu. Müllers avantgardistisches Konzept: eine „Naturküche“, die mit asiatischen Elementen und molekularen Techniken auf die Spitze getrieben wird.

Der „schwäbische Acker“ ist vergleichsweise sanft: Spargel, weiße Erdbeeren, Estragon und unbekannte Extras. Auch im „Wald“ mit seinem zartesten Maibock lauern sensorische Überraschungen, die klein, aber oho sind: Sellerie, Birne, Morcheln und wilden Spargel könnte man mit der Pinzette aufpicken. Was man aus einer Artischocke herauskitzeln kann, zeigt die „Nordsee“ mit Steinbutt, Topinamburpüree und Trüffel. Zum Schluss: „Schweizer Frühstück“, Bircher Müsli in Textur über einem Zimtblüteneis, und fünf Käsesorten mit Miniklacksen aus irgendwas.

Das Essen allein ist Erlebnis genug

Bliebe zu ergänzen, dass noch eine Schieferplatte mit Petit Fours kommt und der neue Restaurantleiter Dirk Romann einen guten Job macht. So kredenzt er statt eines Achtels lieber großzügig zwei korrespondierende Sechzehntel zum Gesamtpreis von 4,50 Euro. Wie immer sich das Oben und Unten im „Lifestyle-Konzept“ einspielen mag, denn je später der Abend, desto mehr Sound kriecht herauf, und auch der Toilettentourismus – welch architektonische Fehlleistung, nur oben welche einzuplanen! – führt zu Unruhe, aber: das Essen allein ist schon Erlebnis genug. Dabei sagt Müller, er sei in seiner „Aufbauarbeit“ noch nicht da, wo er hinwill. Wenn er dort eines Tages ist, werden ihm die wenigsten Sterneköche in Stuttgart folgen können.

5; S-Mitte, Bolzstraße 8, Telefon 65 55 70 11, www.5.fo; Oben: Montag bis Freitag  11.30 bis 14.30 Uhr und 18 bis 23 Uhr, Samstag nur abends. Wochentags unten auch kleiner Lunch.

Die Bewertung:

Küche *****

Service ****

Ambiente ***

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.