Zwei Gastronominnen retten die vom Aussterben bedrohte Eckkneipe in die Gegenwart: Renate Kuhn und Frauke Härtel können nicht nur kochen, sondern liefern auch eine ambitionierte Spirituosen-Karte.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Das gastronomische Biotop mit der Typenbezeichnung Eckkneipe ist eine vom Aussterben bedrohte Einrichtung. Mit einem Vapiano lässt sich eben mehr Schotter verdienen als mit einem als Kneipe getarnten Wohnzimmer, in dem die gestrandeten Seelen eines Wohnviertels nach Feierabend gut betreut und ungestört in ein frisch gezapftes Bier weinen können.

 

Insofern müsste man den beiden Gastronominnen Frauke Härtel und Renate Kuhn eigentlich einen Orden für angewandte Nächstenliebe verleihen, haben sie doch allen Trends zum Trotz im Stuttgarter Süden im Heusteigviertel die klassische Kiezkneipe Imme eröffnet. Die Gastronomie gegenüber der Kaffeebar Herbertz hatte zuletzt eine Shisha-Lounge beherbergt. Härtel und Kuhn haben dann dem Trend der Zeit folgend, dabei knapp an der Penetranz vorbeischrammend, jeden Renovierungsschritt bei Facebook dokumentiert.

Überzeugende Brühe im Gaisburger Marsch

Das Ergebnis ist mit Sicherheit sehenswert, allein die Beleuchtung ist so schummrig, das man nur die Details erahnen kann: eine hübsche Retro-Tapete hier, ein bisschen Nippes auf der Fensterbank da. Die gedimmte Kneipenbeleuchtung – im Stuttgarter Süden angedenk an eine andere legendäre Kiezkneipe schwärmerisch Libero-Licht genannt – hat zwei Vorteile. Zum einen bemerkt das bezaubernde Gegenüber nicht, dass man selbst eher von der traurigen Gestalt abstammt. Zum anderen kann man sich bei der Beleuchtung auf das Wesentliche konzentrieren: die kleine, aber feine Speisekarte. Der Gaisburger Marsch (Euro 11,50) überzeugt mit einer wunderbar kräftigen Brühe und allerlei frischen Einlagen. Auch die zusätzlich georderte Maultasche besticht durch eine feine Kräuter-Brät-Abmischung.

16 Posten auf der Rum-Karte sind eine Ansage

Die Kässpätzle sind ebenfalls vorzeigbar: handgeschabt und mit der genau richtigen Menge Käse veredelt, kein Klumpen, sondern Handwerkskunst(Euro 10,50). Die Küche ist in der Imme Family-Business: Frauke Härtel kocht gemeinsam mit ihrem Vater Wolfgang. Die Speisen wechseln regelmäßig, die Karte wartet mit hübschen Details auf, etwa einem Damen-Gedeck, das aus einem Cremant, einem Cognac und einer Portion Käse (Euro 9,-) besteht.

Womit wir auf das eigentlich Wesentliche in der Imme überleiten dürfen: die Getränke-Karte. 16 Posten auf der Rum-Karte sind eine Ansage, eine Magnum-Flasche Barolo Enrico VI für 240 Euro genauso und auch die Whiskey-Auswahl ist für eine Eckkneipe beachtlich. Renate Kuhn, die zuvor in der Bar im Westen und im Bix als Barchefin tätig war, empfiehlt eine zwölf Jahre alte „Torfbombe“ Bowmore Enigma, einen Single Malt zwischen Rauch und Honig (Euro 4,-). „Where have all the good times gone?“, lässt der DJ, der einmal pro Monat für Unterhaltung sorgt, die Kinks fragen. Das wissen wir leider auch nicht, können aber beruhigen: Im Heusteigviertel sind mit der Imme gute Zeiten angebrochen.

Die Bewertung:

Küche ***

Service ***

Ambiente ****

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.

Imme, Immenhoferstr. 14, S-Süd, Telefon 50 48 88 40, www.imme14.de, Dienstag bis Donnerstag 17 bis 1, Freitag + Samstag 17 bis 2 Uhr, Sonntag 17 bis 0 Uhr