Der Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, überrascht im Vorfeld der Tarifrunde mit Plänen für eine neue Genossenschaft „Fair Train“. Mit dem Personalverleiher soll auch das Tarifeinheitsgesetz umgangen werden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Die Freude darüber, dass ihm da eine große Überraschung gelungen ist, lässt sich der Chef der Lokomotivführergewerkschaft (GDL), Claus Weselsky, gerne anmerken. Nachdem er zuvor 650 Mitglieder auf einer Konferenz in Berlin davon unterrichtet hat, stellt der Vorsitzende sein neuestes Vorhaben den Medien vor. Demnach ist bereits am 6. Januar unter Anleitung der GDL-Führung eine neue Genossenschaft „Fair Train“ gegründet worden, die künftig Arbeitnehmerüberlassung von Lokführern gegenüber allen kooperationswilligen Eisenbahnunternehmen in Deutschland betreiben soll.

 

„Kampfansage“ an das Bahn-Management

Anfang Juni wurde die Personalverleihfirma im Genossenschaftsregister eingetragen. Ziel sei es, zunächst qualifizierte Lokomotivführer zur Verfügung zu stellen und die daraus resultierenden Gewinne den Genossenschaftsmitgliedern selbst zufließen zu lassen, „anstatt zuzuschauen, wie sich die Vorstände der DB AG die Taschen füllen“, so Weselsky, der das Vorhaben als „Kampfansage“ an die Bahn sieht und vorhersagt, dass das Management mit allen Mitteln gegenhalten werde. „Unsere Mitglieder sind es Leid, von einem Arbeitgeber drangsaliert zu werden, der unmoralisch durch dieses Leben geht und denjenigen, die die Wertschöpfung bringen, mitteilt, sie müssen Maß halten.“

Dem Modell zufolge sollen die Mitglieder bei ihrem Arbeitgeber kündigen und sich von „Fair Train“ einstellen lassen – um zu tariflichen Konditionen zu arbeiten, die von der Genossenschaft mit den Unternehmen noch ausgehandelt werden müssen. Die GDL würde somit indirekt als Arbeitgeber fungieren. An diesem Dienstag soll es Gespräche im Bundesverkehrsministerium dazu geben.

Hoher Organisationsgrad bei Lokführern hilft nicht

„Wir setzen Maßstäbe im Eisenbahnsektor“, betont Weselsky, der offen bekennt, mit dem Plan das Tarifeinheitsgesetz umgehen zu wollen – wonach in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Gewerkschaft maßgeblich ist. Er erinnert daran, dass die Bahn AG 2021 „willkürlich“ lediglich 16 sogenannte Mehrheitsbetriebe der GDL definiert hätte – bei ca. 300 Betrieben insgesamt. Seit zwei Jahren versuche die GDL an Arbeitsgerichten dagegen vorzugehen – „ohne sichtbares Ergebnis“. Weselsky zufolge hat die GDL im DB-Konzern unter 22 000 Lokführern einen Organisationsgrad von 80 Prozent.

555 Euro mehr Entgelt im Monat

In den Hintergrund tritt die eigentliche Tarifforderung der GDL. Demnach verlangt sie pauschal 555 Euro monatliche Entgelterhöhung und eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro. Zudem soll die Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung reduziert werden. Ferner dringt die GDL auf eine Fünf-Schichten-Woche. Derzeit werde in einem Rhythmus gearbeitet, in dem bis zu 144 Stunden, also sechs Schichten, aneinandergereiht werden können. Künftig soll die maximale Dauer aufeinander folgender Schichten nur 120 Stunden betragen. „Wir wollen endlich in der echten Fünf-Tage-Woche ankommen“, betont Weselsky.